BG Kritik: „2012“
2012 (2010)
Regie: Roland Emmerich
Cast: John Cusack, Amanda Peet, Woody Harrelson
Story:
Das Ende der Welt tritt ein: Strahlen der Sonne kochen den Kern der Erde, worauf sich die tektonischen Erdplatten anfangen zu verschieben. Das Resultat? Gigantische Erdbeben, Tsunamis und eine handvoll mutiger Helden, die versuchen das Ganze zu überleben.
Kritik:
Roland Emmerich gehört fraglos mit zu den erfolgreichsten deutschen Filmemachern unserer Zeit, was sich in erster Linie darin begründet, dass der Mann sich wie kaum ein anderer auf beeindruckende Destruktion spezialisiert hat. Nachdem er mit „The Day after Tomorrow“ eigentlich schon die Mutter aller Katastrophenfilme inszeniert hatte, war ihm das scheinbar so noch immer nicht groß genug. „2012“ sollte ein Film werden, der selbst den spektakulären Wetterreißer mit Dennis Quaid und Jake Gyllenhaal wie eine kleine Nummer aussehen lässt – und genau das haben sie geschafft. In seinem neuen Effekteepos gibt es Supervulkane, die jene aus „Dante’s Peak“ und „Volcano“ wie Spielzeuge aussehen lassen, es gibt Erdbeben, in denen ganze Landmassen auseinander brechen und Flutwellen, die sogar den Mount Everest umschließen. Als geologisches Endzeiterlebnis ist es tricktechnisch äußerst beeindruckend umgesetzt.
Da das reine Darstellen weltlicher Vernichtung für einen Spielfilm auf Dauer natürlich nicht reichen würde, sind all diese gewaltigen Momente mit Action-Szenen garniert, in denen besagte Helden fast immer im allerletzten Augenblick vor fliegenden Gesteinsbrücken, einsackenden Erdmassen, Kilometer großen Wellen und monumentalen Staubwolken flüchten können. Dass das relativ schnell im Unrealistischen und Unlogischen mündet, dürfte demnach nicht wundern. Emmerich treibt seine Momente jedoch bewusst auf die Spitze und inszeniert seine Action wie in einem Computerspiel. Rast ein Wagen durch eine zerbrechende Stadt, findet er natürlich den einen glücklichen Pfad über günstig angelegte Rampen, durch die Glasfronten kollabierender Hochhäuser und unter einstürzenden Freeways hindurch, während jeder andere drum herum glücklos (aber äußerst spektakulär) den Tod findet. Für seine Helden hat Emmerich eine durchaus angenehme Besetzung auftreiben können. Der immer sympathische John Cusack ist der wortkarge Hauptcharakter, der die meiste Zeit damit beschäftigt ist, seine Familie mit waghalsigen Manövern am Leben zu halten. Dazu gesellen sich Danny Glover, Amanda Peet, Chiwetel Ejiofor und Thandie Newton, die zwar mehr oder weniger typische Klischees spielen, damit jedoch nie nerven. Emmerich ahnt, dass große emotionale Szenen, Pathos, letzte Liebesgeständnisse und forcierte Dramatik nicht erwünscht sind, weswegen er solche Nebenszenen knapp hält und sich lieber dem Spektakel zuwendet.
Das größte Problem von „2012“ ist der Fakt, dass der Film gefühlte 30-40 Minuten zu lang ist. Mit 160 Minuten Laufzeit hat der Film eine für die Handlung unnötige Länge, die man durch das Kürzen diverser Nebengeschichten hätte ausbessern können. So gibt es beispielsweise Geschichten über asiatische Mönche und Musiker an Bord eines Schiffes, die nirgends hin führen. Letzteres ist nur enthalten, damit Emmerich seinem Kollegen Wolfgang Peterson zeigen kann, dass dessen teuerster Shot aus „Poseidon“ auch bloß einer unter vielen sein kann, doch der Impact des Schiffes wäre ohne Vorgeschichte der Insassen nicht weniger umwerfend.
Ähnlich wie bei „Casino Royale“ ist es übrigens auch hier der Fall, dass die ersten und mittleren Action-Sequenzen atemberaubend sind, die späteren da aber nicht mehr heranreichen können. Nachdem man mehrfach mit atemberaubendem Effekt-Overkill umgehauen wurde, gibt es im Finale „nur“ noch viele Wassermassen. Faktisch gesehen nicht minder gefährlich, jedoch wirkt es auf der Leinwand bei weitem nicht so eindrucksvoll wie dreistöckige Gigantomanie-Eruptionen.
Abschließend lässt sich wohl vermuten, dass „2012“ im Grunde hirnloses Popcornkino ala „Transformers 2: Die Rache“ ist, doch auch wenn die Story in etwa dasselbe Niveau hat und vergleichbare Effektgewalt vorkommt, gibt es gewaltige Unterschiede, die Emmerichs Geoapokalypse zu einem sehr angenehmen, Bays Roboterhandgemenge dagegen zu einem verfehlten Erlebnis machen. Action ist in beiden enthalten, doch im direkten Vergleich ist die in „2012“ in jedem Fall um Längen besser gelungen. Es bleibt immer dynamisch, aber – und das ist das Relevante – übersichtlich, mit weiten, sehr angenehmen Blickwinkeln. Bay dagegen setzt auf schrecklich verwackelte Optik und unverständliche Nahaufnahmen, die den Kampf der Roboter oftmals zu wirren Knäueln macht. In Form von Megan Fox setzt Bay auf plumpen Sex-Appeal, den Emmerich dagegen nicht für nötig hält, und der auch nicht fehlt. Weiterhin sind beide Geschichten, was die Logik betrifft, sehr an den Haaren herbei gezogen, doch abgesehen von leichten Grenzüberschreitungen der Physikgesetze und vielen im-letzten-Moment-noch-geschafft Szenen landet „2012“ niemals in Idiotie. Es werden keine Gebäude in der Stadt verlassen, worauf man plötzlich im Wald steht und es gibt keine pseudobiblischen Himmelsmomente. Zu Bruch geht fast alles, doch Emmerich setzt auf simple Erklärungen, die sich nicht mit Idiotie aufdrängen.
Der letzte und entscheidende Unterschied, wieso „2012“ ein guter und „Transformers 2: Die Rache“ ein schwacher Film ist, findet sich im Humor. Während Bays martialische Metallschlacht immerzu auf gewollt doppeldeutige Teenie-Sexwitze, auf gigantische Roboterhoden und nahezu rassistische Klischees setzt, spart sich der deutsche Konkurrent Wortwitze und beschränkt sich lieber auf vereinzelt eingestreute Situationsmomente und lässt den Irrsinn der Bildgewalt sprechen. Oftmals lacht man laut auf, in weiß, wenn man es einmal mehr nicht glauben kann, wie Cusack erneut überlebt, schwarz, wenn der Jesusfigur in Rio die Arme abfallen und daraufhin der JFK Flugzeugträger das Weiße Haus erwischt. Man kann förmlich sehen, welchen Spaß Emmerich und sein Team dabei hatten, die zumeist absurden Actionszenen noch zu toppen, was sich auch auf das Publikum überträgt. Amüsant? Emmerich hat vor einigen Jahren versucht, die Rechte an „Transformers“ zu bekommen. Ein besserer Film hätte es sein können, hätte man jemanden wie Russell Crowe in der Hauptrolle und Gespür für Dramatik, doch Emmerich kann das nicht und besinnt sich darauf, was er kann und macht starke Unterhaltung daraus. Jetzt bleibt nur offen, wie Emmerich sich selbst noch schlagen will – der nächste logische Schritt wäre die Zerstörung des Sonnensystems…
Fazit:
Mit „2012“ reicht Roland Emmerich fast an seinen wohl besten Film heran – an „Independence Day“, einzig Will Smith fehlt noch zum höheren Glück. Ein epischer Katastrophenfilm, der hinsichtlich des Ausmaßes seiner Zerstörung kaum zu überbieten ist.
7/10
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