BG Kritik: „Troll Hunter“

9. Dezember 2018, Christian Mester

Neugierig folgt eine Gruppe von Reportern einem vermeintlichen Wilderer in weit entlegenste Winkel Norwegens, bis sie beim Herumtrollen im Walde auf echte Waldtrolle treffen.

Trolljegeren (2008)
Regie: André Øvredal
Cast: Otto Jespersen, Hans Morten Hansen

Kritik:
„Cloverfield“ im Wald – so etwa könnte man die skandinavische Horrorfilmproduktion „The Troll Hunter“ beschreiben, die vieles mit Matt Reeves’ spannender „Godzilla“-Hommage aus dem Jahre 2008 gemeinsam hat. Auch hier geht es um eine Gruppe junger Leute, die urplötzlich zwischen die Quadratlatschen riesiger Ungetüme geraten und trotz aller Umstände immer bei allem eine laufende Kamera mit sich führen. Statt durch U-Bahn-Tunnel und Wolkenkratzer geht es hier nun durch Steinhöhlen und Waldlandschaften; im Prinzip ist es der gleiche Film, nur mit anderen Monstern und in anderer Gegend angesiedelt. Aber genau so gut?

Wer sich von der skandinavischen Folklore der Trollgestalten alberne Märchenfiguren erwartet, wird schnell eines Besseren belehrt. Die zuweilen bis zu 50 Meter und noch größer gewachsenen Waldriesen werden als gefährliche Riesentiere gezeigt, die Bäume wackeln lassen, Autos zermalmen können und liebend gern herumirrende Menschen verspeisen. Sie mögen in Sachen Design nicht mit JJ Abrams Schöpfung mithalten können, sind dafür jedoch ebenfalls glaubhaft, imposant und trotz wesentlich geringeren Budgets effekttechnisch vortrefflich realisiert. Ebenfalls gelungen ist das Sounddesign, das die nächtlichen Wanderungen durch das knackende Geäst zum atmosphärischen Gänsehautler macht.

Trotz vieler spannender Szenen vermeidet es Regisseur Øvredal jedoch spürbar, „The Troll Hunter“ zum fingernägelkillenden Horrorstreifen zu machen – immer wieder sorgen „lustig“ gemeinte Sprüche oder unerwartete Momente dafür, dass der Film nur leichtes Abenteuerkino bleibt. Viele der zunächst gefährlich wirkenden Titanen werden zu furzenden und sich am Hintern kratzenden Lachnummern deklassiert, lassen jeglichen Grusel immer schnell schwinden. Echte Horrorelemente gibt es nur im Szenenaufbau an sich, Blut oder regelmäßiges Ableben sind nie Teil der Geschichte. Das ist durchaus schade, da die wenigen amüsant gedachten Momente den Film noch lange nicht zum mainstreamtauglichen Familienfilm machen und er somit in seiner Intensität und Ernsthaftigkeit abgeschwächt wird. Eine weitere Schwäche liegt im Ablauf, denn gegen Mitte wabert der Film zäh herum, aus dem er erst im großen Finale wieder heraus defilibriert wird. Misslungen ist auch der Versuch, gewisse satirische politische Untertöne mit einzuweben – so sollen die Trolle für globale Erderwärmung verantwortlich sein und die Regierung es wissen und gezielt vertuschen, dass es sie gibt. Inklusive Attacke auf die Studenten-Crew.

Die größte Schwäche findet sich in genau diesen – den Hauptfiguren. Die Reportercrew tauscht bloß simpelste Sätze ala „Lauf“, „Schau mal dort“ und „Gib mir die Kamera“ aus, die daran erinnern lassen, dass es das leidige Apartment-Intro aus „Cloverfield“ zumindest halbwegs schaffte, Charaktere aufzubauen. Keine der Figuren stört, doch sie alle sind so blass, dass man ihnen nur mit gebremsten Interesse folgen kann. Der beste Mann im Rennen ist noch der titelgebende Trolljäger, der als grimmiger Erklärbär mit an Bord ist und zwischendurch immer mal wieder erklärt, was es mit den Riesenelmos auf sich hat, und dafür sorgt, dass sie ihnen nicht zu nahe kommen. Besonders aufregend ist seine regelmäßige Action gegen die garstigen Riesentrolle jedoch nicht, da er sie bloß jedes Mal mit UV-Lampen anleuchtet. Das mag den Mythen gerecht werden, nagt auf Dauer aber am Unterhaltungsgrad. Musikalisch ist nahezu nichts los, was der Spannung zu Gute käme, wäre sie Dauerziel. Da sie das oftmals nicht ist, zerrt die ständige Stille auf Dauer am Nervenkostüm. Insgesamt ist der Film ein top gemachter und für europäische Verhältnisse origineller Monsterfilm, der leider kaum echten Horror auslebt und in jeder anderen Hinsicht fehlschlägt. Hätte die Regie die Horrorspur durchgezogen, hätte „The Troll Hunter“ ein echter Trüffel werden können, so ist es bloß rohe Kartoffel. Lässt sich kauen und irgendwie herunterkriegen, doch wirklich schmackhaft ist das nicht..

Fazit:
Der norwegische Wald-„Cloverfield“ ist nicht ganz so gelungen wie das US-Pendant, mitunter sogar etwas sehr zäh, bietet aber einige spannende Szenen und beachtliche Effektarbeit.

4 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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