BG Kritik: „Der letzte Exorzismus“

24. Oktober 2020, Christian Mester

Auch dieses Jahr wollen wir euch mit Horrortipps für den schaurigen Oktober nicht alleine lassen und bieten deshalb täglich einen neuen Beitrag aus unseren Horror-Archiven…und nicht immer muss es ein Tipp sein, sondern auch mal eine Warnung…

THE LAST EXORCISM (2010)
Regie: Daniel Stamm
Cast: Patrick Fabian, Ashley Bell

Story:
Cotton Marcus (Patrick Fabian) ist ein überhaus charismatischer Prediger, der sein Leben damit verbringt, Messen zu halten und Menschen Phrasen dreschend von Dämonen zu befreien. Eine Berufung, für die er zutiefst geliebt und himmlisch bezahlt wird, allerdings weiß niemand, dass er in Wahrheit schummelt. Der Sohn eines Priesters glaubt selbst nicht an Gott und hält auch Teufelsaustreibung für Unsinn.

Aus schlechtem Gewissen, jahrelang gut davon gelebt zu haben, bietet er sich eines Tages einer Filmemacherin an, eine kontroverse Dokumentation über seine Arbeit zu machen. Anhand eines vermeintlichen Exorzismus will er offen legen, dass derartige Hilfe falsch ist und es so etwas wie Dämonen nicht gibt. Aus der vermeintlichen Veranschaulichung wird jedoch böser Ernst, denn ein scheinbar harmloses Farmermädchen (Ashley Bell) entpuppt sich als echte Gefahr.

Denkt man heutzutage an Exorzismus, stellt man sich einen ergrauten alten Priester vor, der Weihwasser spritzend, Bibel und Kreuz fuchtelnd vor einem Bett steht und eindringlich befiehlt, das Böse solle sein Opfer verlassen. Das Opfer selbst sieht meist bettlägerig und seekrank aus, schwebt in der Luft, verrenkt sich auf unmögliche Weise und flucht in verschiedenen Stimmlagen (bevorzugt tief grollend), an guten Tagen wird auch noch grüner Schleim hochgewürgt. Ein Klischee, das man ausnahmslos den fünf Teilen von „Der Exorzist“ zu verdanken hat, jener wohl berühmtesten Filmreihe des umstrittenen Themas. Wer den 37 Jahre alten Klassiker vielleicht nicht kennt, kennt zumindest „Scary Movie 2“, in dem er gnadenlos verwurstet wurde.

Besagten Themas hat sich nun der deutsche Daniel Stamm angenommen, ein junger Neuling, der sich mit einer Fake-Dokumentation über Selbstmörder einen Namen auf Festivals machen konnte. Das gleiche Prinzip hat er für seine Exorzismusgeschichte beibehalten, denn wie schon „A Necessary Death“ ist auch Stamms zweiter Film „Der letzte Exorzismus“ eine gefälschte Dokumentation. Mit „The Blair Witch Project“, „Cloverfield“ und „Paranormal Activity“ klappte das schon dreimal, also wieso nicht mal einen Exorzismus echt aussehen lassen?

 

© Studiocanal

Eines muss man der gefälschten Kamerasicht in Filmen wie diesem lassen: auch wenn es immer verdächtig kinoreif aussieht und vortrefflich geschnitten ist, ist das Prinzip immer effektiv. Egal ob es „[Rec]“, „Cloverfield“ oder die gute alte Hexenjagd in den Berkittsville Wäldern war, es wird immer spannend, Menschen des Nachts mit der Kamera zu verfolgen, die von irgendetwas bedroht werden. Das ist auch einer der gelungensten Aspekte von Stamms Horrordebüt, da es in der Tat immer wieder schaurig wird, die Farm des Mädchens auf gefühlt eigene Faust zu erkunden. Schade ist, dass die Handlung da nicht nachhilft. Zwar gibt es immer wieder Szenen, die mögliche Schocks einleiten und fürchterlich fiese Überraschungen erwarten lassen, doch seltsamerweise lässt man immer wieder ab. Jedes Mal, wenn es richtig gruselig – und damit für einen Horrorfilm richtig intensiv werden könnte, stoppt man. Damit verliert der Film auch recht schnell seinen Horrorcharakter, da es ohne Horror mehr oder weniger zum religiösen Drama wird.

Als Drama ist „Der letzte Exorzismus“ allerdings gar nicht mal schlecht, da vor allem der Hauptdarsteller selbst überzeugt. Patrick Fabian, bis dato hauptsächlich übersehener Nebendarsteller in zahlreichen Fernsehserien gewesen, überragt als facettenreicher Pfarrer, der gleichermaßen eigennütziger Scharlatan, wie auch besorgter Mann mit gebrochener Seele ist. Es macht Spaß, ihn bei der Inszenierung der angeblichen Befreiung zuzusehen, andererseits geht er manches Mal zu weit. Auch seine Gegnerin, die zunächst harmlos anmutende Ashley Bell, offenbart sich als vielschichtig und unberechenbar, sodass ihr hauptsächlich geistiges Duell durchaus interessant ausfällt.

Ebenso gelungen ist die Entfaltung der Handlung selbst, da sich das Geschehen spannend entwickelt und man mit immer neuen Indizien versorgt wird, die immer wieder andere Hintergründe vermuten lassen. Es wird sehr clever mit der Frage gespielt, ob das ganze tatsächlich übernatürliche Erklärungen hat oder doch nur ein tragischer Fall düsterer Familientragödie ist. Nachdem erst der Priester als genialer Betrüger vorgestellt wird, darf man sich selbst bald fragen, ob nicht auch die Familie auf ähnliche Tricks zurückgreift. Man darf raten, ob und wer letzten Endes der Betrogene ist. Erst die allerletzten Minuten zeigen, was wirklich hinter dem Farmersmädchen steckt, doch das allzu abrupte Ende enttäuscht.

Das Finale, das an dieser Stelle natürlich nicht verraten wird, will als Twist funktionieren, als unerwartete, geniale Wendung, die die bis dato eher ruhige Handlung mit dem Dampfhammer abschließt. Das funktioniert allerdings nicht so wirklich, da das Gezeigte zu plötzlich aufkommt und nicht zum Ton des sorgfältig, wen auch teilweise zu harmlos inszenierten Rest passt. Abgesehen davon, dass es schwer grübeln lässt, wer diese Doku letzten Endes überhaupt zusammen geschnitten hat, lässt es nur müde lächeln. Es kommt also in erster Linie auf die Erwartung an, da der als harter Horrorthriller beworbene Film bevorzugt auf Charaktere und die Schwierigkeiten religiöser Motive setzt. Ein dezenter, fast versteckter Score unterstreicht die ungemütliche Atmosphäre.

Fazit:
„Der letzte Exorzismus“ ist längst kein Sakrileg, aber auch leider weit davon entfernt, als wirklich gelungenes Sakrament in Erinnerung zu bleiben. Echter Grusel bleibt aus, wer damit leben kann, bekommt ein gut gespieltes Religionsdrama mit einigen spannenden Momenten, doch der erhoffte große Horrortitel ist es nicht.

5,5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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