BG Kritik: „Nightmare Alley“

25. Februar 2022, Christian Mester

Stan (Bradley Cooper) ist ein mittelloser Rumtreiber, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bei einem Zirkus anheuert. Als Handlanger eines vermeintlichen Mediums lernt er schnell, ein Publikum geschickt zu täuschen, und macht sich alsbald zusammen mit der hübschen Molly (Rooney Mara) auf, seine Künste in der großen Stadt auszuprobieren. Der Erfolgt stellt sich schnell ein, bis er auf die äußerst schwierige Psychiaterin Dr. Ritter (Cate Blanchett) stößt…

Regie: Guillermo del Toro
Besetzung: Bradley Cooper, Rooney Mara, Willem Dafoe, Cate Blanchett

© Searchlight – Trailer Screenshot https://youtu.be/Q81Yf46Oj3s

Der Filmtitel und die Regie (del Toro hat auch „Crimson Peak“, „Mimic“ und die Serie „The Strain“ gemacht) mögen auf einen Horrorfilm hindeuten, allerdings wäre da man an der falschen Stelle. Diese Albtraumgasse, Verfilmung des Romans und 1947er Films „Der Scharlatan“, ist stattdessen ein relativ straightes Drama mit einigen dunklen Facetten.

Im Mittelpunkt steht Bradley Coopers Charmebolzen, der über Abkürzungen zum schnellen Geld will und die Anerkennung liebt, die ihm seine vorgetäuschten mentalen Superkräfte einbringen. Seine Zeit beim Zirkus zeigt, dass er generell gut mit Menschen kann und er sich selbst mit merkwürdigen Gestalten problemlos anfreunden kann, doch er verabscheut die harte, teils langweilige Arbeit, die ein normaler Hilfsarbeiter erlebt und will mehr als das.

Das Highlight des Films ist fraglos der ganze erste Abschnitt, in dem Stan beim Zirkus aktiv ist. Del Toro ist bekanntlich ein Meister, kommt es zu uriger Ausstattung (s. „Pan’s Labyrinth“ oder auch „Hellboy 2“), und so ist das ganze Zirkusgelände ein atmosphärischer Ort voller interessanter Designs und schräger Figuren. Nachdem das Geschehen in die Stadt verlegt wird, verliert es dementsprechend jedoch an Stimmung (man merkt einfach, dass ihm Monstrositäten, Fantastik und Okkultismus wohler sind als Jazzclubs und feine Zwirne) und reduziert sich auf Coopers Duell mit all jenen, die ihn als Hochstapler entlarven wollen – und das fällt leider auch inhaltlich bei weitem nicht so spannend und originell aus wie Christopher Nolans famoses Illusionistenduell „The Prestige“.

Fraglos muss man auch an die Serie „Akte X“ denken, in der Scully und Mulder des Öfteren auf ähnliche Scharlatane und auch echte Mentalisten trafen. Was die jedoch als großen Vorteil für sich verbuchen konnten: die waren stets gerade mal 50 Minuten lang, während Del Toro hier versucht, fast 3 Stunden lang die Bälle in der Luft zu halten. Wieso ihm dieser Umfang wichtig war, bleibt wohl ein Rätsel, denn gerade diese Länge schwächt die Handlung merklich. Je länger der Film läuft, desto weniger Überraschungen gibt es, und das unweigerliche Ende ist selbst recht früh absehbar.

Zugegeben, die harte Kritik blickt aus Del Toros sonstiger Kunst. Niemand wird „Nightmare Alley“ als eine der besten Karten seines Decks wahrnehmen – auch wenn der Film 2022 für den Oscar für den Besten Film nominiert ist, aber verglichen mit der restlichen Kinolandschaft ist das Albtraumgässchen dennoch mehr als besuchenswert. Neben Cooper und Rooney sind Willem Dafoe als Zirkusleiter, Cate Blanchett als Psychologin, Toni Collette als Medium, Richard Jenkins als Geschäftsmann und ‚Hellboy‘ Ron Perlman als Schausteller alle jeweils fantastisch, Musik, Kamera und Ausstattung sind selbst außerhalb des Zirkuszelts auf höchstem Niveau, und auch wenn „Nightmare Alley“ letzten Endes weder emotional hart trifft, noch allzu große Überraschungen raushauen kann, ist es eine durchaus sehenswerte Vorstellung, die man im Grunde mit der Täuschung verlässt, etwas viel, viel Besseres gesehen zu haben.

Fazit:

Der neue Del Toro ist überlang und verliert ab der Hälfte spürbar an Faszination und Atmosphäre, ist aber dennoch top gespielt und inszeniert, sodass man maximal meckern kann, dass er nicht was anderes ist. Gut ist er alle Male. Dennoch sollte sich der Meister der Fantastik zukünftig doch eher wieder auf das konzentrieren, was ihm am besten liegt.

6,5/10

 

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung