BG Kritik: „Tiefe Wasser“ – Ben Afflecks Erotikthriller auf Prime

21. März 2022, Christian Mester

Victor (Ben Affleck) und Melinda (Ana de Armas) haben eine Abmachung: sie darf sich offen Liebhaber nehmen, dafür bleibt ihre Ehe für ihr gemeinsames Kind bestehen. Als besagte Nebenbuhler jedoch komischerweise immer sterben oder verschwinden, überlegt sie, ob ihr Mann was damit zu tu haben könnte…

Regie: Adrian Lyne
Besetzung: Ben Affleck, Ana de Armas

© Hulu Trailer Screenshot https://youtu.be/h0zqe_As_qo

„Eine verhängnisvolle Affäre“, „9 1/2 Wochen“, „Lolita“, „Ein unmoralisches Angebot“, „Untreu“ – Adrian Lyne scheint Geschichten und Moralfragen über Seitensprünge zu lieben, und da er damit meistens großen Erfolg an den Kassen und bei Kritikern hatte, durfte man gespannt sein, wie sein erster neuer Film seit zwanzig Jahren aussehen würde. Die Karten standen eigentlich gut: Buchvorlage von Patricia Highsmith, die u.a. die Tom Ripley Reihe erfand, dazu mit Ana de Armas und Affleck hochkarätig besetzt, plus über zwei Stunden Laufzeit. Da könnte man viel draus machen.

Leider ist dieses „Tiefe Wasser“ eher eine seichte Pfütze geworden. Die Hauptprobleme des als ‚Erotikthriller‘ beschrifteten Werks finden sich direkt in seiner Einteilung, denn Erotik oder auch Thrill lassen sich beides leider fast nicht finden.

Einer der größten Fehler des meist schnarchlangweiligen Films ist es direkt, alles aus Ben Afflecks Sicht zu erzählen. Müde und grau schaut er zu, wie sein Wildfang von Frau ständig mit neuen Männern zu tun hat, und das zu seiner Schande auch ganz unverblümt vor Freunden und Familie. Schnell fragt man sich, wieso er sich nicht einfach von ihr trennt. Er ist ein Millionär, der sich nach einer Entwicklung für das US-Militär früh zur Ruhe setzen konnte. Während er sich sehr um seine Tochter sorgt, scheint sie der jungen Mutter eher egal zu sein, sodass er hier in keiner Nachteilsrolle ist. In Hinblick auf Lynes andere Filme könnte man vermuten, dass sie ihn rein durch Sex gänzlich kontrolliert, weil sie so begehrenswert, so mächtig damit ist, aber auch das erzählt der Film nicht. Victor ist auch kein schüchterner Schluffen, sondern behauptet mehrfach seine Dominanz. Dass er aber dennoch kaum bis gar nicht äußert, dass er mit ihrer Vereinbarung doch nicht einverstanden ist, lässt ihn hauptsächlich lethargisch und desinteressiert wirken.

Ist Affleck fehlbesetzt? Vielleicht. Manches Mal macht es den Eindruck, als müsste seine Rolle eigentlich nochmal 10-20 Jahre älter sein, damit es ein älterer Herr ist, der vielleicht nicht mehr so kann wie jüngere, und deswegen seine Frau einfach machen lässt. Der langweilige Victor züchtet Schnecken, soll aber gleichzeitig ein genialer Chip-Entwickler, sowie kreativer Fotograf und Poet sein. Nichts von seinem Genie oder seinem kreativen Wesen sieht man im Charakter, und man darf sich fragen, ob Vic bloß anfangs mal ganz anders war und er sich verändert hat oder ob es einfach schlecht geschrieben und inszeniert ist. Affleck wirkt die meiste Zeit verkatert und gelangweilt, während de Armas in einer leider simplen Rolle als eogoistische sexy Trophywife überzeugend ist, daraus aber auch nicht viel machen kann.

Mit einem anderen Ansatz hätte der Film vielleicht auch wohl als striktes Drama fungiert, über einen Mann, der in seiner Ehe schlichtweg gefangen ist, aber „Deep Water“ macht keinen Hehl daraus, dass er wirklich versucht, ein Thriller zu sein. Problematisch ist die Affleck Perspektive, weil natürlich rasch sämtliche Spannung verfliegt, da so recht schnell offenbart wird, ob er denn der Mörder ist oder nicht. Wäre der Film hingegen aus anderer Sicht erzählt, gäbe es das als konstantes Spannungselement.

Ohne zu spoilern lässt sich noch verraten, dass der Film in der zweiten Hälfte öfters reichlich dumm wird. Figuren verhalten sich saudämlich, Dialoge werden schlechter (vor allem alle Dialoge über Sex sind oft auf „50 Shades of Grey“ Niveau und man sieht es gerade Affleck an, wie schwer es ihm fällt, derart plumpe Sachen zu sagen) und das ganze kulminiert in einer Konfrontation in einem Wald, in der jemand auf einem Mountainbike jemand anderes jagt – amateurhaft inszeniert und lachhaft albern in seinen Bildern. Wieso das so ausgefallen ist, lässt rätseln, denn einer der Autoren ist Sam Levinson, der den gelungenen „Malcolm und Marie“ gemacht hat, der im Grunde ein Zwei-Stunden-Dialog voller interessanter, top geschriebener Wortgefechte war, mit einem Hauch Prickel und durchlaufender Spannung.

Wer jetzt sagt, dass alles egal sein mag, hauptsache der versprochene Erotikpart ist enthalten, greift auch hier daneben.  Mehr als in „Blade Runner 2049“ gibt es nicht zu sehen und Affleck hatte selbst in seiner Nebenrolle in „Das letzte Duell“ skandalöseres zu tun. Hinzu kommt, dass der Film überhaupt keine sinnliche Stimmung hat und stattdessen, wie Vics Schneckenzucht, langsam vor sich hinschleimt.

Fazit:

Wer sich mal wieder auf einen sharon-stonigen Erotikthriller gefreut hat, darf noch geduldig weiter warten, denn „Deep Water“ erfüllt das nicht. Ein dröges, oft stumpfsinniges Kammerspiel ohne gelungene Überraschungen, fesselnder Dramatik oder prickelnder Erotik.

3/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung