BG Kritik: „Ein einsamer Ort“ (Treasure Monday)

17. August 2019, Christian Westhus

Klassiker und Meisterwerk mit Humphrey Bogart: Drehbuchautor Dixon Steele (Bogart) soll einen minderwertigen Roman adaptieren und lässt ihn sich von einem Fan zusammenfassen. Als die Frau kurz darauf ermordet aufgefunden wird, steht Dixon in Tatverdacht. Die neue Nachbarin Laurel Gray (Gloria Grahame) entlastet ihn, doch Zweifel kommen immer wieder auf.

Ein einsamer Ort
(Originaltitel: In a lonely Place | USA 1950)
Regie: Nicholas Ray
Darsteller: Humphrey Bogart, Gloria Grahame
Kinostart Deutschland: September 1989

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, urprünglich veröffentlicht im September 2014.)

Das Noir-Drama von Regisseur Nicholas Ray wird in dessen Filmographie wohl ewig hinter dem (ebenfalls fantastischen) James Dean Klassiker „…denn sie wissen nicht, was sie tun“ zurückstehen. Doch „Ein einsamer Ort“ ist einer der besten Filme, die das Nachkriegshollywood jemals hervorgebracht hat.

Humphrey Bogart selbst erwarb die Rechte am Roman von Dorothy B. Hughes und fand in Ray einen Regisseur, der sich eine seltene Kompromisslosigkeit im Hollywood Studiosystem erarbeitet hatte und seine eigene gescholtene Seele mit in den Film brachte. So stellte Ray das eigentlich geschriebene Ende während der Dreharbeiten um, improvisierte nur mit drei Darstellern und dem Kameramann eines der intensivsten Schlussbilder aller Zeiten. „Ein einsamer Ort“ ist gleichzeitig Noir-Krimi, Liebesdrama und ein aufschlussreicher Blick auf Hollywood, auf die Einsamkeit des Schreibers in einer Welt aus Termindruck, Lügen und Misstrauen.

Eine Bitterkeit und Schwere durchzieht den Film, die nur ihre Wirkung entfalten kann, weil auch Schönheit, Glück und Freude zu finden sind. Dixon Steele ist eine Bogart-Figur durch und durch, doch Dix ist gleichzeitig anders als Rick Blaine oder Sam Spade. Dix ist vom Schreiberleben ausgelaugt, gelangweilt, enttäuscht. Nur selten gelingt es ihm, seine innere Zerrissenheit in diese Coolness umzuwandeln, die viele andere Bogart Charaktere so berühmt machte. Erst als Dix auf seine neue Nachbarin trifft, regt sich wieder etwas in ihm. Angesichts von Gloria Grahame auch kein Wunder. Die erste Begegnung zwischen Dix und Laurel – das ist Noir, das ist Anziehungskraft und Leidenschaft, nur durch Blicke, Gesten und Musik. Kurz darauf macht sich erst Dix, dann Laurel einen Spaß mit den ermittelnden Polizisten, die blöde Fragen stellen, auf die sie blöde Antworten erhalten.

© Sony / Columbia

Die Bedrohung des möglichen Scheiterns entwickelt erst eine konkrete Dramatik, wenn wir uns um die betreffenden Figuren sorgen. Dank Laurel blüht Dix auf, ist nicht nur vom Mordverdacht entlastet, kann nun auch wieder frei aufatmen und findet neue Energie für seine Arbeit. Dix und Laurel sind ein Traumpaar, jedoch ständig gefährdet durch die sich anbahnende Explosion. Eine Liebe, die durch eines der treffendsten Liebeszitate überhaupt ausgedrückt wird. Doch Dix ist kein einfacher Mann. Er hat Narben, die nicht mehr verheilen, hat ein Temperament, das er nicht immer kontrollieren kann. Mal drückt er am Steuer eines Autos zu sehr aufs Gas, dann demonstriert der durch Krimi-Drehbücher geschulte Autor etwas zu anschaulich, wie er den Mord begangen hätte. Misstrauen und Skepsis wachsen in Laurel, die selbst ihr Kreuz zu tragen hat.

Bogart und Grahame harmonieren großartig zusammen. Grahame hat eines dieser Gesichter, die das „alte Hollywood“ verkörpern, obwohl sie als Schauspielerin nie den Ruhm erlangte, den ein Meisterwerk wie dieses sonst eigentlich auslöst. Nicholas Ray, damals Grahames Ehemann, war nachvollziehbarerweise besessen von ihrem Gesicht, von ihrer Stärke und Unnahbarkeit, hinter der ein fragiles Selbst schlummert. In wunderbar ausdrucksstarken Schwarzweißbildern fotografiert, gelingt es Ray immer eine Nuance weiter zu gehen. Sein Film trägt nur selten diese leicht befremdliche Theatralik mit sich herum, die Hollywoods Genrekino der 40er und 50er sonst häufig ausmachte. So sitzen die humorvollen Einschübe der ersten Hälfte, sitzen die diversen Nebenfiguren, sitzen die Krimi-Spannung und die Lovestory, bis zu eben diesem legendären Schlussbild. Das ist Kino pur. Kaum Worte, dafür Emotionen, die aus der Leinwand strömen.

Fazit:
Rau, bitter und bis in die letzte Pore emotional. Nicholas Rays Noir-Drama Meisterwerk zeigt Humphrey Bogart in seiner vielleicht besten Rolle.

10/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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