BG Kritik: „Saw 9: Spiral“

19. September 2021, Christian Mester

Einige Zeit nach den Ereignissen von „Saw“ 1-8 scheint das blutige Spiel noch immer nicht vorbei zu sein, als ausgerechnet Polizisten eines Reviers nacheinander in typischen Saw-Fallen sterben. Cop Zeke Banks (Chris Rock) krempelt die Ärmel hoch und versucht, dem Vermächtnis John Kramers alias Jigsaw auf die Schliche zu kommen…

© Lionsgate

SAW: SPIRAL
Originaltitel SPIRAL: FROM THE BOOK OF SAW
Regie: Darren Lynn Bousman
Cast: Chris Rock, Samuel L. Jackson

Man durfte schon neugierig auf den neuen „Saw“ sein, hieß es doch, dass Chris Rock (!) selbst mit der Idee zum Studio gekommen sei, mit ehrlichem Fan-Interesse, der kaltgelaufenen Reihe neuen Schwung zu verleihen. Es passiert ja nicht alle Tage, dass ein namhafter Kinostar bei einem derart späten Horrorsequel als Initiator einspringt. Und dann sollte es tatsächlich eine achte Fortsetzung werden, kein einfaches Remake, und trotz‘ Rocks Teilnahme auch keine Comedyvariante. Was mag ihm da in den Sinn gekommen sein?

In Grundzügen kann man erahnen, was Rocks Pitch gewesen sein muss…. allerdings ist es nichts wirklich neues. Der Film tut so, als wäre es etwas Besonderes, dass der (eventuell) neue Jigsaw-Killer mit Vorzug Polizisten im Fadenkreuz hat. Allerdings hat sich die Reihe schon ab dem ersten Sequel genau darauf konzentriert und Beamte regelmäßig in die Handlung eingesponnen, als Haupt- und Nebenfiguren, teils sogar als neue Killer. Gut möglich also, dass Rock doch kein so großer Fan ist und eigentlich nur den ersten Film kannte. Was also hat der neue Saw überhaupt zu bieten – und muss man dafür die anderen Teile gesehen haben?

Wenn man noch keinen „Saw“ gesehen hat
… braucht man für „Saw: Spiral“ kein Vorwissen. Ob der Film losgelöst ist oder doch Bezug zu den alten Teilen hat. wäre für Saw-Kenner logischerweise ein Spoiler, der hier mal nicht verraten wird (kommt Hoffman wohl zurück? Dr. Gordon? Jigsaw selbst? vielleicht?), aber es sei gesagt: so wie es erzählt wird, muss man als Neuling keinen einzigen vorherigen Teil kennen. Das Prinzip der Reihe ist ja schnell verstanden, und während immer mal wieder eine grausige neue Falle zum Einsatz kommt, darf man gemeinsam mit Banks ermitteln und überlegen, wer wohl dahinter stecken mag, wie in tausend anderen Filmen auch. Funktioniert auch ohne die 8 Teile davor. Als solcher ist er ein grundsolide inszenierter Polizeithriller, der nichts wirklich schlecht, leider aber auch nichts wirklich gut macht. Die Ermittlung ist passabel, die Fallen sind immer mal wieder fesselnd, die Auflösung aber nicht sonderlich überraschend, Darsteller, Musik und Sets sind alle in Ordnung, aber nichts ist denkwürdig. Auch dürfte die Durchschnittlichkeit des Ganzen wenig Lust auf die anderen Teile machen – die man aber tunlichst probieren sollte. Zumindest „Saw“ ist ohnehin ein Horrorklassiker und ein Film, der mit einem 20stel des Budgets dieses neuen so viel origineller, spannender und überraschender ist, dass man wahrlich erstaunt sein kann, inwiefern Rock hier neues Leben einhauchen wollte. Rock selbst agiert im Film übrigens durchaus glaubwürdig als ausgebrannter Polizist (er ist gewiss keine Nervensäge wie sein Polizist aus „Lethal Weapon 4“), kann aber keinen charismatischen Charakter stellen, und Bousman konzentriert die Regie auch nicht darauf, Rocks Figur vielschichtig oder mitreißend in Richtung Kritikeranerkennung zu schieben. Samuel L. Jackson, der eigentlich größere Star des Films, langweilt sich indes durch einige belanglose Kurzauftritte und fragt sich sicherlich, wieso „Snakes on a Plane“ noch keine Fortsetzungen bekommen hat.

Wenn man die Saws alle kennt
… ist „hm, geht so“ wohl das Höchste alle Gefühle. Nach 8 (in Buchstaben: acht) Teilen sollte man wirklich was Besseres liefern als diesen recht einfallslose Quark. Zumal viele der Beteiligten die gleichen von früher sind, allen voran Darren Lynn Bousman (Regie: 2-3-4). Schon Teil 8 mit dem Titel „Jigsaw“ versprach hoch und heilig, was neues zu sein, dem Franchise geschärfte Sägeblätter zu verleihen, Potenzial für viele weitere Teile zu säen. Was es da aber gab, war haltlose Teaserei, mäßige Fallenideen und eine wirklich enttäuschende Auflösung. „Saw: Spiral“ hatte nun mal die Chance, neue Akzente zu setzen. Gerade mit der Beteiligung Chris Rock’s, der als Stand-Up-Comedian ein zynischer Betrachter der Gesellschaft ist, hätte man eventuell vermuten können, dass der Film das Thema BlackLivesMatter eigenwillig kommentiert. Aber davon ist nichts zu sehen, der Film hat schlicht null Substanz. Auch für Fans der unterschätzten clever verstrickten Knobelhandlung über nun drei Trilogien gibt es keine nennenswerten neuen Offenbarungen, der Gesamthandlung wird nahezu nichts hinzugefügt und die ansonsten üblichen cleveren Twists fehlen ebenso wie mitreißend-dynamische Regie, oder überhaupt ein neuer Stil. Die Fallen? Nichts Besonderes, und dass statt der Billy-Puppe nun eine Schweinepuppe eingesetzt wird, erfindet das Rad gewiss nicht neu genug. Das hier hätte beispielsweise ein jazzlastiger Noir-Thriller werden können, aber ney. Die größte Farce ist eigentlich, dass der Film schon im Mai 2020 anlaufen sollte, dann aber wegen Corona um ein ganzes Jahr, bei uns sogar noch länger verschoben wurde… dh niemand kann sich hier rausreden, nicht genug Zeit für etwas Besseres gehabt zu haben. Man hätte die Mängel mit Nachdrehs ausbessern müssen. Wenn man schon so wenig Elan aufbringt, hätte man „Saw 9“ eigentlich auch neben „Tremors 7“ direkt im Heimkino veröffentlichen können.

Fazit:
„Saw“ Filme sind eigentlich voller Überraschungen, und die auffälligste dieses neuen Teils ist – TWIST – wie extrem durchschnittlich er ist. Rocks sonderbare Teilnahme verleiht dem Teil keinerlei nennenswerte Eigennote, und nach fast 12 Stunden „Saw“ sind die Ideen ganz offensichtlich ausgegangen, nachdem schon der letzte Teil eher Kopfschütteln und Schulterzucken verursachte. Nichts Schauderliches, aber so kurzweilig, dass man auch in 20 Jahren noch eher über Rocks kleine Rolle in „Lethal Weapon 4“ als über seine Hauptrolle in „Saw 9“ sprechen wird.

4/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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