BG Kritik: „ParaNorman“

8. Dezember 2012, Christian Mester

Weil er behauptet, Geister sehen zu können, wird der junge Norman unnachgiebig von Familie, Mitschülern und sogar den Nachbarn gehänselt. Als aber eines Abend der Fluch einer alten Hexenlegende ausgelöst wird und sich dadurch wahrhaftige Zombies aus ihren Gräbern erheben, ist der vermeintliche Freak die einzige Rettung…

PARANORMAN (2012)
Regie: Chris Butler, Sam Fell
Cast: –

Kritik:
Braaaaaainns!? Der erste Shot des Films ist der eines angebissenen Hirns auf dem Fußboden, gefolgt von einer Szene, in der ein Zombie… eine kreischende Frau vernascht. Yep, und das in einem animierten 3D-Film, der sich hauptsächlich an Kinder richtet. ParaNorman will folglich früh verdeutlichen, dass er kein üblicher Disney-/Pixar-/-Dreamworks-Animationsfilm, bzw. in diesem Fall, Stop-Motion-Film ist. Weiteres darüber hinaus offenbart, dass einige im Animations-Team Laikas große Horrorfans sein mögen: so hat eine Figur John Carpenters Halloween Theme als Handy-Klingelton; erscheint eine andere mit Jasons Hockeymaske, werden Titel wie Frankenstein, Return of the Living Dead und A Nightmare on Elm Street referenziert, ja klingt sogar der Score mitunter, als habe ihn der 80er Jahre John Carpenter zumindest inspiriert. Wer als Horrorfan allerdings unweigerlich leuchtende Augen in Vorstellung eines neuen, vollends knuddeligen Stop-Motion-Meisterwerks ala Nightmare Before Christmas, bloß noch horrorlastiger, kriegen mag, dem sei gesagt, dass das Ungewöhnliche unverständlicherweise nur verknappt vorkommt und der Rest blutleerer und gewöhnlicher als das meiste gewöhnliche Übrige ist.

Kaum dass Norman, seine Gabe und die Resonanz seiner Umwelt auf diese etabliert ist, verfällt der Film in eine zweite Hälfte, von der er sich nicht mehr erholt. Fast gänzlich linear wird sich der Weg zur Hexe gebahnt, ohne weitere interessante Nebengeschichte, ohne Tiefe, Action oder bemerkenswerten Witz. Norman tritt lange Zeit in den Hintergrund und überlässt den Großteil der Szenen seiner klamaukenden Stereotypenbegleiter: der natürlich hormongesteuerten Schwester, ihrem muskelbepackten Schwarm, Normans dickem besten Freund und den selbstredend schusseligen Untoten, die ihnen konstant auf der Pelle sind… was fast ausschließlich daraus besteht, dass die Schwester herumzickt, die beiden niedriger belichteten Compadres in Fettnäpfchen treten und Norman als der einzige mit echtem Hirn immer wieder eiligste Problemlösung pocht. Die schlurfenden Zombies? Ohne größeres, nicht einmal wabbeliges Rückgrat: sie sind weder die neuen Madagascar-Pinguine, noch Scrat. Vertan.

In Sachen reiner Unterhaltung schlägt ParaNorman nie Wurzeln, da treffende Gags Seltenheit haben. Oftmals bleibt der Spaß sehr vereinfacht, sodass am ehesten Kleinkinder drüber lachen könnten – für die der Film jedoch schon thematisch nicht intendiert ist. Die Action beschränkt sich auf konstantem Weglaufen, bzw. einer Verfolgungsjagd mit dem Auto, die jedoch wenig aufregend ausfällt. Das hatte der Vorgängerfilm Coraline gewiss auch nicht, doch der bestach durch sehr sorgsame Charakterisierungen, starke Metaphern, gut untergebrachten Späßchen für Ältere, gewiefte zynische und sehr erwachsene Züge. Obgleich ParaNorman mit seinem Horrorszenario und einem durchaus gewagten Gag gegen Filmende vereinzelt mutig in ungeahnte Gewässer tritt, bleibt es im Ganzen eine oberflächliche Geschichte, deren Message sinnvoll, aber langweilig wie eh und je ist: bist du etwas anders als deine Mitmenschen, ist es in Ordnung. Leider versteht sich ParaNorman nicht darin, dies toll im Rahmen der Geschichte unterzubringen oder es gar durch Aktionen oder Motive stiller zu kommunizieren; plump wird es gleich mehrfach ohne große Umschreibung genau so ausgesprochen.

Dass der Film inhaltlich demnach nicht viel zu bieten hat, ist Wehmut hinsichtlich der technischen Umsetzung. Obgleich von der Motivwahl nicht immer so beeindruckend schön wie Coraline, ist auch ParaNorman handwerklich so aufwendig und detailreich umgesetzt, dass man es kaum glauben mag, dass es kein computeranimierter Film ist. Die dafür aufgewandte Arbeit ist schier immens und ergibt diesbezüglich eine wundervolle Arbeit – schade, dass sie keine gute Geschichte erzählt.

Fazit:

Ein zuweilen carpenteresker Score und wenige Winks auf bekannte Horrorklassiker genügen leider nicht, um ParaNorman in Coralines gelobte Spuren folgen zu lassen. Laikas neuer Film ergibt sich vor allem inhaltlich als plump und zu austauschbar, um näher in Erinnerung zu bleiben, und er ist auch nicht die liebevolle Genrehommage, die er sein könnte.

6 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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