BG Kritik: „Abraham Lincoln: Vampirjäger“

10. März 2019, Christian Westhus

Verrückte Idee oder clevere Fusion? Nachdem der junge Abraham Lincoln (Benjamin Walker) als Kind mit ansehen musste, wie seine Mutter am Vampirvirus starb, ist er von Rache getrieben. Als junger Mann gerät er an einen Mann namens Henry Sturges (Dominic Cooper), der ihm beibringt, wie man die blutsaugenden Untoten besiegt. Diese Untoten haben sich mit ihrem mächtigen Anführer Adam (Rufus Sewell) insbesondere im Süden der USA angesiedelt und während Lincolns politische Ambitionen Früchte tragen, spaltet sich das Land zum Vampirbürgerkrieg…

Abraham Lincoln: Vampirjäger
(Originaltitel: Abraham Lincoln: Vampire Hunter | USA, Russland 2012)
Regie: Timur Bekmambetov
Darsteller: Benjamin Walker, Dominic Cooper, Mary Elizabeth Winstead, Anthony Mackie, Rufus Sewell
Kinostart Deutschland: 03. Oktober 2012

(Diese Kritik erschien ursprünglich zum Kinostart des Films im Oktober 2012.)

Die Popkultur übergibt sich in unregelmäßigen Abständen mit neuen Trends und so genannten „Ideen“, wie man bereits bekannte Geschichten und Figuren neu inszeniert. Die neumodischen ‚Mash-Ups‘ (Vermischungen) ließen schon Zombies in einen Jane Austen Roman einfallen oder machten Schneewittchen (unüblicherweise ohne Buchvorlage) zur Schwert schwingenden Kriegerprinzessin in Fantasy-Umgebung. Ein Konzept wie „Abraham Lincoln: Vampirjäger“ klingt nach der humorösen Ausgeburt jugendlicher Alkoholexzesse und ist dann auch für ein Minütchen oder so ein wahrer Schenkelklopfer, wenn man sich ausmalt, wie Honest Abe die untoten Blutsauger plättet. Danach zeigt der Einfall sein wahres, inhaltsleeres Gesicht als bedeutungsloser Rohrkrepierer. Da ist es dann fast nachvollziehbar, dass Timur Bekmambetovs („Wanted“) Verfilmung von Seth Grahame-Smiths (der auch das Drehbuch schrieb) „Roman“ beinahe gänzlich auf Humor verzichtet. Abgesehen von zwei, drei lichten Momenten ist dieser Film, der eigentlich ein einziges Augenzwinkern sein müsste, ein absolut unangebracht ernstes Unterfangen.

Mit aller Macht, insbesondere mit dutzendfach wiederholten Phrasen von Freiheit („Solange nicht alle Menschen frei sind, sind wir alle Sklaven.“) und den amerikanischen Tugenden, werden Lincoln’sche Ideen und Ideale bemüht, bis die Schwarte kracht. Mit dem Dampfhammer versucht man das amerikanische Dilemma der Sklaverei mit der vampirischen Epidemie zu verbinden. Sogar den Genozid an den amerikanischen Ureinwohnern schiebt man den Vampiren quasi alleine in die Schuhe, denn amerikanische Menschen glauben an wahre Freiheit für alle. Institutionalisierter Rassismus präsentiert als Vampir-Metapher? Mit viel Pathos wird dieser allegorische Vergleich bemüht, doch am Ende schafft der Film kaum mehr, als den sklaventreibenden Süden als böses Vampirland darzustellen, das es zu besiegen gilt. Die Vampire wollen ihre ganz eigene Freiheit. Bei Gettysburg entscheidet sich nicht nur das Schicksal der USA, sondern auch der Welt.

© 20th Century Studios

Bis es so weit ist, hat unser Freund Lincoln schon einige Untote mit seiner treuen Silberaxt geschnetzelt, was Bekmambetov zu seinen obligatorischen Sperenzchen aus Computerblut und Zeitlupenexzessen hinreißen lässt. Zwei Kindheitserlebnisse prägen Abe nicht nur in seiner Sicht auf die Sklaverei, sondern etablieren auch seine Rachegedanken gegen Blutsauger. Ein Lehrmeister bringt dem jung erwachsenen Lincoln jedoch bei, dass persönliche Rache nie das entscheidende Motiv sein darf. In einer leider nur unfreiwillig komischen Trainingssequenz macht Dominic Cooper aus dem langen Schlacks Lincoln einen Axt wirbelnden Superkämpfer, von dem auch Buffy noch was lernen könnte. Coopers Rolle ist dabei von jedem halbwegs denkbereiten Zuschauer sofort durchschaubar, wird vom Film jedoch als großes Mysterium inszeniert. Der junge Benjamin Walker ist in der Hauptrolle sogar einigermaßen akzeptabel (wenn auch ähnlich frei von Ironie wie der Film), zumindest solange man ihn nicht mit falschen Bärten und Altersmakeup zuschmiert. Drei männliche Vertraute verschiedener Bauart schleppt Abe mit sich, ehe er auf eine gewisse Mary Todd trifft, die auch im hohen Alter noch so „Hollywood“ aussieht, dass man sie fast für einen Vampir halten könnte. Mary Elizabeth Winstead kann dieser Rolle aber auch nicht wirklich Leben einhauchen. Blöderweise sind es ausgerechnet die Beziehungsszenen, das Kennenlernen und Verlieben von Abraham und Mary, die der Film ganz bewusst humoristisch anlegt. Da, wo diesem zumeist bierernsten Film ein menschliches Herz gegeben werden könnte, macht er aus Lincoln einen halb trotteligen Burschen, der eher albern und zufällig, dank des Zutuns seiner energischen Zukünftigen, in eine Beziehung stolpert.

Zwischen Lincolns Jugendjahren und der entscheidenden Phase des Bürgerkriegs liegen jedoch gut und gerne fünfzehn, ja fast zwanzig Jahre, die auch der Film übernimmt, der irgendwie versucht, den beknackten Vampir-Zusatz relativ direkt an die reale Lincoln-Biographie anzupassen. Nach diesem Zeitsprung schwimmt der Film auf dem Trockenen. Voll ausgebremst kann sich die Handlung erst zum ohnehin nur mittelprächtigen Finale von dieser auch logisch fragwürdigen Inhaltspause erholen. Zum Showdown rumst es zwar gewaltig, mit großen Computereffekten in insgesamt eher schwachem 3D, doch so wirklich mitreißend wird es nicht. Ein kleineres Scharmützel zum Mittelteil des Films, angesiedelt in einem stattlichen Landhaus, macht noch am ehesten Spaß. Ansonsten ermüdet Bekmambetovs verzweifelt cooler Stil mit all seinen Tricks und Effekten. Die Zeitlupe sprengt jeden Rhythmus, die Künstlichkeit der Computereffekte schafft eine Distanz und auch das Personal ist nicht gut bzw. nicht interessant genug, um die überstilisierten Actionszenen wirklich zu einem Erlebnis zu machen. Rufus Sewell ist als Oberschurke zumindest eine sinistre Erscheinung, doch seine persönlichen Motive sind schlicht zu banal, um Adam zu einem guten Schurken zu machen. Die Vampire selbst sind farblose „Daywalker“ mit Revolvergebiss. Fatal auch, dass Hauptheld Lincoln nur mit nicht-personalen großen Problemen beschäftigt ist, während die wesentlich interessanteren persönlichen Schicksale bei Mentor Henry und bei Mary Todd zu finden sind. Spätestens auf den Schlussmetern kommt „Abraham Lincoln: Vampirjäger“ endgültig zu Fall, da er sich in seiner ernsthaften Art selbst ein Bein stellt, statt bewusst ironischer oder gar alberner Action-Spaß zu sein.

Fazit:
„Wanted“ Regisseur Timur Bekmambetov schmiert seine üblichen Computer- und Zeitlupentricks um eine erschreckend – und störend – ernst gedachte Vermischung aus Lincoln-Bio und Vampirjäger-Action. „Abraham Lincoln: Vampirjäger“ macht zu selten wirklich Spaß, um über die fragmentarische Handlung und die blassen Figuren hinweg sehen zu lassen.

3,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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