BG Kritik: „Chroniken der Unterwelt“

13. September 2013, Christian Mester

Ständig seltsame Runensymbole in der Weltgeschichte zu sehen ist eine Sache, aber als Clarys (Collins, Tochter von Phil Collins) in einer Disco erlebt, wie ein in Lederklotten gekleideter Robert Pattinson Verschnitt eine Frau abmurkst und kurz darauf auch noch ein Resident Evil Hund ihre Wohnung verwüstet, ist Ende Gelände mit lustig. Sie tut sich mit R-Pattz light zusammen und gerät in einen Jahrhunderte andauernden Krieg zwischen Werwölfen und Vampiren Dämonen und Engelskriegern (in dem Werwölfe und Vampire mithelfen)…

THE MORTAL INSTRUMENTS: CITY OF BONES (2013)
Regisseur: Harald Zwart
Cast: Lilly Collins, Jamie Campbell Bower, Jonathan Rhys Meyers

Kritik:
Werden Fan-Fiction-Verfilmungen das nächste feste neue Genre nach Found-Footage? Chroniken der Unterwelt ist nach Shades of Grey bereits die zweite große Bestsellerreihe, die ursprünglich mal Fan-Fiction war – sie begann als Harry Potter Fanfiction über Draco Malfoy. Während die Spankromanze aber noch mit Bedacht gecastet werden muss, ziehen die Chroniken schon mal voraus ins Kino, hoffend, den (aktuell) geendeten Twilight Fackelzug wieder aufnehmen zu können, also, das nächste Twilight zu werden. Was ja in Buchform schon gelang. Und es ist eigentlich alles da, was Mädels Frauen Hausfrauen über 40 an Twilight mögen: das hübsche, unscheinbare Mädchen als Hauptfigur, das Verlassen eines langweiligen Alltags, ein Liebesdreieck mit einem „lieben“ (mit Sixpack) und einem „badass“ (mit Sixpack) Typen (der gute trägt natürlich eine Brille, der böse hat Tattoos), die sich nicht ausstehen können, Vorbestimmungen, coole neue Freundeskreise und dicke Familienbindungen. Beautiful Creatures versuchte das gleiche schon mal dies Jahr, und versagte daran, also was will dieser mehr bieten?

Da Chroniken mehr als Twilight sein will, gibt es von vielem mehr. So gibt es Blutsauger und Werwölfe, aber zusätzlich auch noch verschiedene Dämonen. Erwähnenswert ist, dass Harald Zwart, der zuvor das Karate Kid Remake gedreht hat, nicht bloß Twilight kopieren mag, sondern visuell auch noch offensichtlich Einflüsse von Underworld, Resident Evil und Fürsten der Finsternis mit einbaut. Was wie Stoff für zehnjährige Mädchen klingt, wird daher in der Filmfassung oftmals überraschend horrorlastig. Manche der Kreaturen sind nicht übel und es kommt zuweilen sogar Gruselstimmung auf, die man dem Film nicht zutrauen würde. Auch sind die Charaktere, so unglaubwürdig es erscheinen mag, besser gespielt als in vielen anderen Teenagerfilmen. Die jüngeren Männer aus dem Film sehen zwar alle aus wie aus Boybands, haben aber nachvoll-ziehbare, dreidimensionale Figuren. Lily Collins ist ungefähr 17tausend Mal besser als Kristen Stewart in den Twilight Filmen, und nie hat man das Gefühl, sie lesen ihre Dialoge stockend vom Teleprompter ab.

Selbst von der Love Story lässt man die Pfoten der verwunderlichen Abweichungen nicht. Cassandra Clare, so der (erfundene) Name der Autorin, lässt ihr Madl zwar zwischen zwei Jungs pendeln, kompliziert das ganze aber noch, in dem noch ein Junge mehr hinzu gedichtet wird. Der, hola, nicht auch als dritter noch um sie buhlt, sondern um einen der anderen Jungs. Und weil das noch nicht Zündstoff genug wäre, gibt es auch noch einen gehörigen Schuss Inzest, der in Richtung Daddy ebenso awkward wird wie in Richtung Brüderle.

Also ist der Film trotz aller Klischees (man ist ja sicher, genau das gleiche schon hundertmal gesehen zu haben) irgendwie gut? Sagen wir so, fast. Cast, Regie, Musik sind in voller Bereitschaft und es gibt sogar Actionszenen, die nicht peinlich sind. Das Problem, was mehr Enthusiasmus verhindert, ist die Kerngrundlage dieser ganzen Brand: die Story. Vielleicht ist es in geschriebener Form besser gelöst, aber im Film fehlen lange die genauen Beweggründe. Anfangs verschwindet Clarys Mutter (Lena Heady) und Clary will sie suchen, aber dann hält man sich zwanzig Stunden in der Festung der Engelskrieger auf und Clary hat Zeit sich zu verlieben, laufend trifft man auf Dämonen, und irgendwelche Runen haben Bedeutungen für sie und mit dem einzigen Mann, der über vieles Bescheid weiß (Jared Harris aus Mad Men) wird kaum gesprochen, und dann gibt es noch ein Stargate, aus dem König Henry der VIII von den „Tudors“ (d.h. Johnathan Rhys Myers) kommen kann, der irgendetwas vorhat, und dann werden Dämonen mit einem Pentagramm gerufen und es wird ein Kelch gesucht, den die Bösen suchen und Clary tätowiert sich andauernd und ein alter Freund entpuppt sich als Werwolf und Menschen verwandeln sich in CGI-Zombies ähnlich derer aus Legion und hach, all sowas. Die Handlung ist nie komplex, aber reichlich konfus erzählt.

Zwarts Regie ist brauchbar, aber dass das Budget der Verfilmung eher begrenzt war, ist nicht zu übersehen. Bis auf die Monsterangriffe, die oft in Dunkelheiten erfolgen und rasant geschnitten werden, gibt es für diese Fantasygeschichte relativ wenig Fantasy. Fast die Hälfte des Films spielt in der Skyscraper-hohen Kathedrale der Engelskrieger, die zwar alt und burgig ausschaut, aber visuell nichts Neues bietet. Daher und da die Figuren meist in Lederklotten herumlaufen und Schwerter tragen, fühlt man sich des Öfteren an Highlander und Underworld Sequels erinnert. Seine besten Momente hat der Film in seinen ungewöhnlichen Stellen, etwa wenn ein Zombiemädchen von einem Werwolf gefressen wird oder die Mutti wie Schneewittchen daliegt.. nur halt in der Luft schwebend, oder wenn lustige Situationscomedy aufkommt (einer macht einen Gozer Ghostbuster Witz, oder es wird verlautet, dass Johann Sebastian Bach ein badassiger Krieger war). Seine schwächsten, wenn er in Klischees verkommt und beispielsweise Mädchen und Schwarm in einen Garten geleitet werden, in denen die Avatar/John Carter Glühwürmchen herumfliegen und es beim obligatorischen Kuss neben einsetzender Schmachtmusik auch noch anfängt zu regnen.

Fazit:
Chroniken der Unterwelt ist kein leicht abzustempelnder Twilight Murks, macht es einem aber nicht gerade leicht, in die Mythologie hineinzukommen. Fragezeichen werden viele bleiben, aber wer wohl mehr als einen Underworld oder Highlander mag und Action nicht so wichtig nimmt, dürfte sich hier wohl zurecht finden. Und Lily Collins ist als Phil Collins Produktion mindestens genau so gut wie Sussudio oder Jesus he knows me.

5 / 10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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