BG Kritik: „Mortal Kombat“ 1995 (Trashtastic Kritik)

19. Februar 2021, Christian Westhus

Gestern erschien der erste große Trailer zum Reboot-Versuch, die Mortal Kombat Spielereihe zu einer erfolgreichen Filmreihe (oder zunächst mal zu einem einzelnen erfolgreichen Film) zu machen. Grund genug also, sich die oft verspottete, teils aber auch vorsichtig gefeierte Erstverfilmung von Regisseur Paul W.S. Anderson aus dem Jahre 1995 genauer anzuschauen. Eurodance Musikthema inklusive. Unsere Trashtastic Kritik.

Mortal Kombat
(USA 1995)
Regie: Paul W. S. Anderson
Darsteller: Christopher Lambert, Robin Shou, Bridgette Wilson-Sampras, Linden Ashby, Cary-Hiroyuki Tagawa, u.a.
Kinostart Deutschland: 18. Januar 1996

Videospielverfilmungen. Als „Mortal Kombat“ 1995 erschien, war die Idee, aus Games Filme zu machen, noch recht neu. Die Videospielkultur generell war noch jung, relativ gesehen. Der legendär verkorkste „Super Mario Bros.“ Film machte 1993 den Anfang, „Double Dragon“ (1994) wird gerne mal vergessen und „Street Fighter“ (1994) steht in doppelter Verwandtschaft zu MK, nicht nur als Verfilmung eines Beat’em Ups, sondern auch, da Hauptdarsteller Jean-Claude van Damme die Wunschbesetzung der Produzenten für Johnny Cage war, also die Figur, deren Spiel-Version er inspiriert haben soll. Viel mehr „Übung“ hatte Hollywood bis dato nicht, aus Spielelizenzen Geld, äh, Filme zu machen.

Der Film beginnt mit der einen großen Hinterlassenschaft, dem Vermächtnis für die Marke Mortal Kombat: das musikalische Hauptthema. Brachial irgendwo zwischen Techno und Eurodance verortet, kleidet sich der Film von Sekunde eins an ganz stilbewusst. Also stilbewusst im Geiste der überzuckerten Rave-90er. „Mortal Kombat“ ist meterdicker 90er Käse und erinnert durch überambitionierte Computereffekte, Outfits, Sprüche, Club-Kultur und eben Musik irgendwie an das, was durch „Matrix“ (1999) formvollendet ins 21. Jahrhundert katapultiert und verabschiedet werden sollte. Dieser Film hingegen hat weder Absicht noch Ideen, seinen Stil und seinen Ton irgendwie zu verfeinern oder zu hinterfragen. Cool ist, was cool wirkt, dachten sich Produzent Lawrence Kasanoff und Regisseur Paul W.S. Anderson, der mit diesem Film seinen Hollywood-Durchbruch feiern konnte und sich nicht zum letzten Mal an Videospieltiteln bediente.

© Warner Bros / New Line Cinema

Es ist erstaunlich, wie oft und regelmäßig Prügelspiele als Grundlage für eine Filmversion herhalten mussten und müssen. Man könnte argumentieren, mit einer simplen A vs. B Konflikthandlung das hätte fortsetzen zu können, was in den 80er Jahren Leute wie Schwarzenegger und Stallone (oder eher Seagal, Dudikoff und eben van Damme) groß gemacht hatte. Doch die wilde Fantasy-Welt von „Mortal Kombat“ übersteigt eigentlich die Grundanforderungen für simples „Hauptsache es knallt“ Kino. Das soll nicht heißen, dass dieser Film nennenswert viel aus seiner Prämisse macht. Cary-Hiroyuki Tagawa ist der wild grimassierende Schurke aus einer finsteren Dimension (oder so), der die Erde unterjochen will und kurz davor steht, dies zu erreichen. Ein Kampfturnier auf Leben und Tod entscheidet über das Schicksal der Welt. Der mysteriöse quasi-Gott Raiden (Christopher Lambert) schart ein paar Kämpfer um sich, ganz zentral Liu Kang, Sonya Blade und Johnny Cage, und dann geht es auch schon los zur idyllischen Insel, wo eifrig gekloppt werden soll.

Die Turnierlogik ist dabei konfus und letztendlich irrelevant. Kämpfe entstehen, wie es gerade passt. Johnny kämpft schon in seiner ersten Runde gegen Scorpion, einen – so darf man jedenfalls denken – von Shang Tsung höchsten Kämpfern, aber kurz darauf pflügt Goro durch ein gutes Dutzend austauschbarer menschlicher Gegner. Gibt es eine Gruppenphase? So etwas wie ein Viertel- oder Halbfinale? Offenkundig nicht von Belang. Damit es auch wirklich schnell Richtung Finale geht, werden nicht nur Raidens Lektionen auf einen einzigen Dialog reduziert, es kommen auch plötzlich Sonderregeln, Challenges und die seltsame Geschichte und Mythologie von Outworld ins Spiel. Das Script entscheidet irgendwann einfach, dass es nun Zeit ist, zum entscheidenden Endkampf überzugehen, auch wenn das wenig bis gar nicht dramatisiert ist.

Das alles ist lückenhaft konstruiert und von kaum relevanter Psychologie in Bewegung gesetzt. Es sind simpelste Motive und Ziele auf der einen Seite oder grundsätzlich Apathie auf der anderen. Keiner der Beteiligten scheint glaubwürdig auf die Umstände dieser Geschichte zu reagieren, doch die drei (vier) Hauptfiguren vermitteln auch nie den Eindruck, irgendetwas Erinnerungswürdiges über sich mitteilen zu wollen oder können. Cool ist, was cool aussieht. Die Schauplätze und Kulissen wecken nicht unbedingt Begeisterung, sind aber auch ganz sicher keine öden Betonlandschaften, wo farblose Figuren grau in grau interagieren. Die Szenerie der Insel, des Schlosses und von Outworld ist garantiert nicht unheimlich, nur bedingt atmosphärisch, aber auch nicht langweilig. Wie sollte es auch bei den so schrillen wie klischeehaften Designs mit den Fratzen, den Zacken und den teils intensiven Farben? Sets und Kostüme wirken dabei in etwa so elegant (und so 90er) wie Robin Shous voluminöse Frisur. Dazu gesellen sich Computereffekte, die schon damals nicht gut waren und in 25 Jahren seitdem nicht besser geworden sind. Im Gegenteil. Man könnte fast sagen, die flachen Figuren und die klischeehafte Bildsprache gingen Hand in Hand, um den geringen Anspruch mit aus der Not geborenen Unterhaltungswerten zu kommunizieren.

© Warner Bros / New Line Cinema

Problematischer ist eher die Action. Die Kampfchoreographie ist gar nicht mal schlecht, nicht zuletzt da man beim Casting Kampfkunsterfahrung zumeist höher bewertete als Schauspielerei. Davon kann man halten was man will, doch auch das amerikanische Blockbusterkino des 21. Jahrhunderts kann nicht immer Besseres liefern als das, was „Mortal Kombat“ Anno 1995 aus einem bescheidenen Budget von rund $18 Millionen zauberte. Störender ist dabei vielmehr, dass der Film ein Kernelement der Spiele bewusst außen vor lässt. Die Idee mag einleuchtend sein und hat sich beim Blick auf die Einspielzahlen ganz offensichtlich gerechnet, doch mit dem Vorhaben, eine Jugendfreigabe zu erhalten (also kein R-Rating in den USA), kastriert sich dieser Film Mal um Mal selbst. Man kann darüber streiten, ob Gewalt einen Sinn erfüllt, ob und wann sie selbstzweckhaft wird und wann schädlich. Doch die Spiele sind bis heute berühmt für diese absurde Gewalttransgression und der Film hat annähernd gar nichts davon. Egal ob Prügel, Stichverletzungen oder das phantastische Werk von Sub-Zero, Scorpion und Reptile, nichts hat Durchschlagskraft.

Und dennoch: irgendwie weiß dieser Film beziehungsweise wissen die Verantwortlichen dieses Films, dass man mit diesem Konzept, diesen Figuren, diesen Effekten und dieser Actionkunst kein gigantisches Epos über den drohenden Untergang der Erde machen kann. Oder sollte. Ist Liu Kang noch der recht straighte und humorarme Held, gibt es insbesondere durch Johnny Cage reihenweise Versuche humorvoller Entspannung und Auflockerung, wenn auch meistens brachial und wenig elegant. Noch besser ist Christopher Lambert, der sich in seinen gar nicht mal so zahlreichen Szenen keinen Moment entgehen lässt, um eine Dialogzeile oder einen Moment, welche zu bedeutungsvoll erscheinen könnten, um eine dusselige Grimasse oder einen absurden Spruch zu erweitern. Das ist nicht unbedingt elegant, aber irgendwie genau richtig. So hält sich der Film in der Spur, wenn Pyjama-tragende Supersamurai oder vierarmige Knautschgesichter die Szenerie betreten. Gleichwohl kennt der Film seine Grenzen, sowohl bildgestalterisch als auch tonal. Augenzwinkern und Gags gerne, so scheint die Maxime, ohne dabei im vollkommen absurden Gaga-Niemandsland eines „Dead or Alive“ zu landen. Oder eines „Mortal Kombat: Annihilation“.

„Mortal Kombat“ 1995 ist daher insgesamt kein guter Film, vermutlich ist es sogar ein schlechter Film, doch er gehört zu der seltenen Sorte von schlechten Filmen, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte irgendwie reifen. „Mortal Kombat“ ist seit damals nicht unbedingt besser, wohl aber auf eine garantiert nicht so geplante Art sehenswerter geworden.

Bewertung:

Guter Käse/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung