BG Kritik: „Bolt – Ein Hund für alle Fälle“

30. Juli 2017, Christian Westhus

Handlung: Bolt heißt der Hund der jungen Penny. Und Bolt ist ein Superhund, der Laserstrahlen verschießen und durch ein einziges Brüllen ganze Landstriche verwüsten kann. Das jedenfalls glaubt Bolt, der Star einer großen TV-Serie. Für ihn ist diese TV-Welt echt, was zu Problemen führt, als er zufällig in die reale Außenwelt gerät und Penny entführt glaubt. Ohne tatsächliche Superkräfte, aber in Begleitung einer Katze und eines euphorisierten Hamsters will Bolt seiner Penny helfen.

Bolt: Ein Hund für alle Fälle
(Originaltitel: Bolt | USA 2008)
Regie: Chris Williams, Byron Howard
US-Sprecher: John Travolta, Miley Cyrus, Susie Essman, Mark Walton, Malcolm McDowell u.a.
D-Sprecher: Christian Tramitz, Luisa Wietzorek, Vera Teltz, Axel Stein
Kinostart Deutschland: 22. Januar 2009

Disney kann’s auch ohne Pixar. In der neuen Ära der Computeranimation brauchte Disney lange die Hilfe und Unterstützung von Pixar, die als Innovatoren und lange Zeit praktisch unfehlbare Geschichtenerzähler diese Form beherrschten. Erst „Die Eiskönigin“ brachte Solo-Disney den gewaltigen Durchbruch bei den Zuschauern, doch qualitativ gab es auch schon davor Lichtblicke, die es zu entdecken lohnt.

Pixar Chef John Lasseter ist hier, den Regularien der Disney/Pixar Kollaboration entsprechend, als ausführender Produzent dabei. Vielleicht erklärt und rechtfertigt das die thematischen Parallelen zwischen „Bolt“ und „Toy Story“. Hier ist es die Geschichte eines Hundes, der als vielleicht größter Method Actor des Planeten in seiner „Trudog Show“-artigen Filmwelt lebt und diese als Realität annimmt. So, wie Buzz Lightyear zunächst einen Erstickungsanfall erleidet, als er in Andys Kinderzimmer den Helm öffnet, ist auch Bolt irritiert, dass er in der realen Außenwelt Schmerzen verspürt, nicht 300 Meter weit springen und keine Stahlstangen verbiegen kann. Bolt trifft auf eine Katze, die weiß, wie der Hase läuft. Katze Mittens erfüllt die Rolle von Woody, muss Bolts weltfremden Reaktionen kommentieren und ihm irgendwann erklären, dass er nicht der 6-Millionen-Dollar Superhund ist, der er glaubte zu sein.

Die Parallelen, auch im Kampf um die Zuneigung zum kindlichen Besitzer, sind nicht zu übersehen, doch „Bolt“ ist eigenständig, clever und grundsätzlich gut genug, um den Vergleich weder knieschlotternd fürchten zu müssen, noch entscheidet dieser Vergleich über Funktion und Scheitern des Films. Mit einem doppelbödigen Blick auf die Traum- und Scheinwelt Hollywoods und perfekt entwickelten Nebenfiguren hat „Bolt“ ausreichend eigene Ideen, um zu bestehen. Da wäre u.a. der gewitzte Einstieg, nachdem die junge Penny Bolt im Tierheim auswählt, da er etwas anders ist, als die übrigen Hunde. Wir springen ein paar Jahre in die Zukunft und befinden uns ohne Vorwarnung in einer halsbrecherischen James Bond Actionsequenz, wenn Penny und Bolt vor den Schergen des bösen Dr. Calico flüchten, der Pennys Vater, einen Superwissenschaftler, entführt hat. Superhund Bolt zieht Penny auf ihrem Tretroller über die Autobahn, befreit einen Tanklaster von einer Haftmiene und plättet eine Armada aus Panzern und Kampfhubschraubern mit einem gewaltigen Bellen. Für uns und die menschlichen Darsteller lüftet sich der Vorhang, wenn Kamera- und Tonteams aus ihren Verstecken hervorkommen und wir in die Sendezentrale schneiden, wo diese enorm aufwändige Serie quasi als Live Event mit allen Tricks aufgezogen wird, damit Bolt seine wahren Emotionen, seine authentischen Beschützerinstinkte gegenüber Penny ausspielen kann. Doch der Quotendruck sitzt dem ambitionierten Regisseur im Nacken.

© Walt Disney Studios

„Bolt“ ist mal wieder so ein Fall, der als genrefremder Film wesentlich bessere und interessantere Ideen zum Thema Heldenreise und Heldentum bietet, als viele der so genannten Superheldenfilme. Nachdem Bolt durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in New York landet, ist er dort erstmalig mit der Realität konfrontiert. So findet er in Styroporflocken quasi sein Kryptonit, eine tückische Erfindung Calicos, um Bolts Kräfte zu schwächen. Wie sonst ist zu erklären, dass er nicht Kopf voraus durch einen schnöden Maschendrahtzaun springen kann? Und als wäre dieser Illusionsbruch noch nicht genug, ist die Realität natürlich vollgestopft mit kuriosen Nebenfiguren. Zunächst treffen wir auf Katze Mittens, die von den Tauben, die ihr Territorium frequentieren, als Mafia Mieze Schutzgeld in Form von Nahrung erpresst. Mittens, mit der obligatorisch traurigen Vergangenheit als Hauskatze, wird wider Willen zum Begleiter des eigenartigen Hundes. Sie muss ihm beibringen, dass Hunde auch ganz ohne Superkräfte die Königsspezies des Planeten sind, denn ein einfacher trauriger Blick und einem Hund wird nahezu jeder Wunsch erfüllt. So muss Bolt lernen, wie man ein richtiger Hund ist, wie man Stöckchen holt, Knochen verbuddelt und andere Hunde am Gesäß schnüffeln lässt.

Der zweite Begleiter ist Hamster Dino (im Original Rhino), der aus seiner Hamsterkugel heraus pausenlos TV schaut und Bolt als eben Super-Bolt erkennt. Für ihn gibt es keinen Unterschied zwischen TV und Realität. Der magische Kasten zeigt ihm einfach Dinge, die an anderen Orten der Welt tatsächlich passieren. Dino ist eine weitere, andere Ebene dieses Blicks auf Zwischenwelten von Realität und Fiktion. Dino ist es, der, vielleicht ohne es wirklich zu wissen, Bolts Selbstakzeptanz ohne Superkräfte einleitet und den Vierbeiner motiviert, trotzdem ein Held zu sein. Der Weg des Trios von New York zurück nach Los Angeles führt über bekannte, dramaturgische Wege. Mal spannend (Tierfänger), mal dramatisch (der obligatorische Zwist kurz vorm Finale) ist schnell klar, was hier passiert und wo die Reise hinführt. Dennoch ist „Bolt“ auf dieser Reise enorm unterhaltsam, witzig und hat eben einen cleveren Grundansatz, den z.B. keiner der drei im Ansatz durchaus vergleichbaren „Madagascar“ Filme bisher wirklich konkret zu nutzen wusste. Es gibt Filme, die sind edler animiert und bei Computeranimation merkt man den technologischen Fortschritt weniger Jahre schneller, doch „Bolt“ erstrahlt in tollen Farben, ist enorm dynamisch und überzeugt mit wunderbaren Hintergründen. Es wird nie langweilig und auch wenn es mitunter zuckersüß und vorhersehbar wird, ist immer ein cleveres Element dabei. Wir wissen, dass am Ende eine von Bolts Superfähigkeit zentral ins Spiel kommt. Als es dann passiert, sitzen wir dort nicht mit Checkliste, sondern sind komplett involviert und mitgerissen. So, wie es sein sollte mit einer bekannten, aber gut erzählten Geschichte.

Fazit:
Der pfiffige Grundplot ist nach bekannten Strickmustern erzählt, dabei aber äußerst witzig, unterhaltsam und warmherzig, mit einer guten Prise cleverer Ideen.

7/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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