BG Kritik: „Die Nacht vor der Hochzeit“ (Treasure Monday)

6. August 2019, Christian Westhus

Ein Klassiker der Screwball Comedy: Upperclass-Diva Tracy Lord (Katharine Hepburn) will zum zweiten Mal heiraten. Eingeladen ist auch ihr Ex-Ehemann Dexter (Cary Grant), der zwei Boulevard Reporter (u.a. James Stewart) inkognito zum Fest einlädt, um mit Berichten über die Prominentenhochzeit Geld zu machen. Chaos ist vorprogrammiert.

Die Nacht vor der Hochzeit
(Originaltitel: The Philadelphia Story | USA 1940)
Regie: George Cukor
Darsteller: Cary Grant, Katharine Hepburn, James Stewart
Kinostart Deutschland: 07. Februar 1950 (Westdeutschland)

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday, ursprünglich veröffentlicht im Mai 2015.)

Was im Laufe der Jahrzehnte zu so banalen wie durchschaubaren romantischen Komödien degradiert wurde, gehörte insbesondere in den 1930er und 40er Jahren zu den erfolgreichsten und beliebtesten Filmgenres in Hollywood. Getreu dem Motto „was sich neckt, das liebt sich“ wurden Männlein und Weiblein aufeinander angesetzt, dazu verdammt sich humorvoll zu hassen und irgendwann Hals über Kopf in einander zu verlieben. Und wie das im Kino dieser Zeit fast immer so war, entpuppte sich der Liebesschwur als gleichbedeutend mit einem Heiratsantrag. Schauen wir heute zurück auf die Irrungen und Wirrungen der häufig schrill wirkenden Liebeleien, erscheint es wie ein Zerrspiegel einer Vergangenheit, die es in dieser Form nie gab. Die Art, wie in diesen Filmen regelmäßig Dreiecksbeziehungen bis weit über den Gipfel der Glaubwürdigkeit hinaus heraufbeschworen wurden, wie große, bedeutungsvolle Entscheidungen innerhalb von Minuten getroffen und innerhalb von Sekunden wieder revidiert wurden, ist Hollywood pur. Und genau dort liegt der Reiz, vorausgesetzt, die Verantwortlichen vor und hinter der Kamera wissen und verstehen, was sie zu tun haben.

Mit Cary Grant, Katharine Hepburn und James Stewart sind drei der größten Darsteller dieser Generation vereint. Auf drei Köpfe verteilt verfügt Regisseur George Cukor damit in etwa über das damalige Prominenz-Pendant der „Ocean’s Eleven“ Filme, zumindest aus heutiger Sicht. Sie waren Charakterköpfe, die überwiegend als markante, charmante und beliebte Typen bekannt waren, nicht immer in erster Instanz als Charaktermimen. Für Grant und Stewart, die in den Folgejahren im steten Wechsel in einigen Alfred Hitchcock Klassiker spielten, war „Die Nacht vor der Hochzeit“ der einzige gemeinsame Film. Doch es ist Hepburn, die diesen Film belebt und überhaupt erst ins Leben gebracht hat.

© Warner Bros

„Leoparden küsst man nicht“, in dem Cary Grant und Katharine Hepburn ein charakterlich vollkommen anderes, letztendlich aber ähnliches Leinwandpaar spielten, war damals ein Flop an den Kinokassen und drohte Hepburns Karriere den Todesstoß zu versetzen. Über einen Broadway Umweg geriet sie an die Bühnenvorlage zu diesem Film und sah darin eine Chance, ihre Kinokarriere zu retten. Heute gilt Hepburn als einer der größten Stars, die Hollywood je hervorgebracht hat und an ihrem Rekord mit vier Oscars als beste Hauptdarstellerin beißt sich selbst eine Meryl Streep die Zähne aus. Die goldenen Statuetten gewann Hepburn für dramatische Rollen, doch ihr größeres Talent lag eigentlich im Komödiantischen. Hepburn hatte einen ganz besonderen Ton, eine ganz eigene, unverkennbare Art zu sprechen, die Laute genüsslich zu zerkauen und einzigartig effektiv widerzugeben, ihren Blick und kleine Körpergesten dem gesprochenen Wort perfekt anzupassen. Genau das macht sie auch in „Die Nacht vor der Hochzeit“.

Bühnenvorlage und Filmdrehbuch bieten sämtlichen Hauptdarstellern, insbesondere den großen Drei, unzählige Momente im Spotlight. Es sind wunderbar geschliffene, anspielungsreiche und gewitzte Dialoge, die insbesondere durch die bühnentypisch komprimierte Handlung an Tempo und Durchschlagskraft gewinnen. Kaum 24 Stunden umspannt die Handlung des Films, kaum andere Schauplätze als Tracys Anwesen spielen eine Rolle. Dadurch agieren und quasseln sich die Starschauspieler in einen wunderbar unterhaltsamen Rausch, der diese überlebensgroße Plakatwand-Romantik des alten Hollywoods heraufbeschwört. Den Oscar gewann damals James Stewart, was nur auf den ersten Blick überrascht. Sein Mike Connor ist ein wunderbarer Kontrastpunkt zur schrillen Tracy und zu Grants gewohnt überheblichem C.K. Dexter Haven. Statt ins ulkig Absurde abzudriften, wie beim (großartigen) „Leoparden küsst man nicht“, zieht „Die Nacht vor der Hochzeit“ eine gewisse Ernsthaftigkeit und ganz leicht spürbare Schwere mit sich, die den Film nicht unbedingt zu einem realistischen Drama macht, die den gepfefferten Dialogen und halsbrecherischen Emotionsverrenkungen jedoch die notwendige Standhaftigkeit verleihen. So sind es nicht nur die Stars, für die wir uns auch noch heute an diesen Film erinnern.

Fazit:
Herrlich unterhaltsamer, wunderbar energiegeladen verkörperter Screwball Comedy Spaß. Ein Klassiker und das zu Recht.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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