BG Kritik: „Tron: Legacy“

26. Februar 2019, Christian Mester

Sam Flynn (Garrett Hedlund) könnte das sorgenfreie Leben eines Millionärs leben. Der Sohn des brillanten Software-Entwicklers Kevin Flynn (Jeff Bridges) schert sich jedoch nicht um sein Erbe und lebt bescheiden und ziellos in den Tag hinein, noch immer verbittert, dass sein Vater vor zwanzig Jahren spurlos verschwand. Eines Tages bekommt er ein Zeichen, das ihn zu einem versteckten alten Computer führt, dem Tron-System seines Vaters. Bevor er sich versehen kann, wird er digitalisiert und ins Programm entführt. Dort angekommen, stellt er fest, dass es eine lebende Welt ist, in der eine unheimliche Kopie seines Vaters namens CLU die Herrschaft inne hat. Sams Ankunft hat eine besondere Bedeutung für die Zukunft von CLUs Welt, weswegen sich der digitale Imperator sogleich daran macht, Sam inmitten gladiatoresker Spiele töten zu wollen…

(C) Walt Disney Pictures

TRON LEGACY (2011)
Regie: Joseph Kosinski
Cast: Jeff Bridges, Garrett Hedlund, Olivia Wilde

Kritik:
Als „Tron“ 1982 in die Kinos kam und eine äußerst originelle Fantasy-Geschichte in den damals noch relativ unbekannten Gefilden von Computer-Software erzählte, floppte das Resultat. Trotz aufwendigster Technik und innovativer Ideen konnte der Film nur wenige Zuschauer erreichen, galt er doch als sperrig und zu fremdartig für ein Mainstream-Publikum. Ein herber Schlag für die Disney Studios, die sich den Beginn eines neuen Franchise erhofft hatten. Im Verlaufe der Jahre gewann der verschmähte Kinotitel jedoch über Verleih und TV-Ausstrahlungen an Ansehen und wurde über Kurz oder Lang zu einem Kultfilm, der als revolutionär und seiner Zeit voraus bezeichnet wurde.

Anfang der 2000er plante man erstmals ein Revival des Themas, doch als das vorgeschickte Computerspiel „Tron 2.0“ 2003 alles andere als erfolgreich lief, zogen sich die Geldgeber für einen zweiten Film skeptisch zurück. Eine Skepsis, die nur wenige Jahre anhalten sollte, bis Joseph Kosinski an Bord kam. Der junge Regie-Debütant hatte zuvor einige Werbespots gedreht und dem Studio daraufhin eine Vision von „Tron: Legacy“ in 3-D präsentiert, die alle Beteiligten restlos überzeugte und dazu brachte, die Produktion offiziell in die Gänge zu bringen. Ein erstes Teaser-Video auf der San Francisco Comic Convention 2008, das die Optik und Jeff Bridges‘ Rückkehr vorstellte, entfachte Jubel und Vorfreude von Filmfans auf der ganzen Welt, sodass die späte Fortsetzung endgültig offiziell gestartet wurde. Wieder sind die Erwartungen groß. Pläne für ein Sequel sind so hoffnungsvoll gelegt, dass es bereits einen geheimen Trailer für einen dritten Teil gibt, den es auf der DVD zu sehen geben wird; ein neues Computerspiel namens „Tron: Evolution“ soll schaffen, was „Tron 2.0″ misslang“, „Tron: Uprising“ ist eine kommende Fernsehserie, die die Wartezeit bis zum dritten Teil überbrücken soll. Doch ob „Tron: Legacy“ überhaupt das Zeug dazu hat, einen dritten Teil zu rechtfertigen?

(C) Walt Disney Pictures

Es mag zwar erst Januar sein – in den Vereinigten Staaten lief der Film übrigens bereits als festlicher Weihnachtsfilm an, während man uns zeitgleich lediglich mit dem dritten Teil der Fockers abspeiste – doch „Tron: Legacy“ stellt jetzt schon einen der markantesten, größten und unterhaltsamten Event-Filme des Jahres dar. Alleine die Optik des Films ist den Kinobesuch wert. Nach guten zwanzig Minuten Einführung in der realen Welt taucht man mit Sam Flynn in die digitale hinab, deren Anblick schier beeindruckend ist. Die Tron-Welt ist ein futuristischer Ort, der fremdartiger als manch Alien-Planeten anderer Filme ausfällt. Die Interpretation des lebenden Computerinhalts erschlägt mit einer kühlen, äußerst kontraststarken Schwarzlicht- & Neonoptik, die fasziniert. Die an den Stil von Luigi Colani und das Videospiel „MDK“ erinnernde kühle Welt mit ihren eigensinnigen Outfits, Waffen, Fahrzeugen und Gebäuden erstrahlt in einer Pracht, die ihresgleichen sucht. Es fällt nicht schwer, sich sich in die absurde, aber überaus lebendig anmutende Welt hinein versetzen zu können.

Absurd ist vor allem die Handlung, die schon im Vorfeld eine Warnung für falsche Erwartungen darstellen sollte. Trotz der prägnanten Computer- und Zukunfts-Thematiken ist „Tron: Legacy“ kein gewöhnlicher Science-Fiction-Film, dessen Motive man auf die reale Welt oder auf mögliche Zukunft übertragen kann. Es ist ein Fantasy-Film, der bei näherer Betrachtung inhaltlich oftmals wenig Sinn ergibt, selbst im Rahmen seiner selbst auferlegten Regeln. Wer sich also durchdachtes, intelligentes, ernstes Genre-Kino ala „Inception“ erwartet, droht maßgeblich enttäuscht zu werden. Eine komplexere Handlung benötigt der Film nicht, um gut zu sein, da er zwar simpel, aber nicht oberflächlich gehalten ist. So gibt es auch keine störende Teenie-Romanze, keine gezwungen witzigen Szenen und keine Übertreibungen; stattdessen ist es eine relativ lineare und einfache Action-Geschichte, die jedoch links und rechts immer mal Freiraum für mögliche religiöse, politische und soziale Gedanken lässt – sofern man sich darauf einlassen will. So ist Clu ein Diktator, der mit faschistischer Uniformierung andere assimilieren will, so ist Flynn ein Gott seiner Welt, ein Schöpfer, dessen Schöpfung sich gegen ihn auflehnt etc.. Will man das nicht, ist es ein reibungslos aufregender Action-Streifen, der es neben seiner fulminanten Optik vor allem in den dynamischeren Szenen drauf hat.

(C) Walt Disney Pictures

Im Vergleich zum achtundzwanzig Jahre alten Vorgänger ist die Action generalüberholt; so gibt es spektakuläre Kämpfe mit tödlichen Wurfscheiben, die mit Akrobatik und Kung-Fu vermischt werden. Das wahre Highlight sind jedoch sämtliche Action-Szenen mit Vehikeln, denn die Licht-Motorräder und Kampfgleiter sorgen für sensationelle Kampfszenen, die perfekt geschnitten sind und durch ihre wundervoll kontrastreiche Optik immer übersichtlich ausfallen. Schauspielerisch gibt es nicht viel zu tun, doch die flachen Figuren sind durchweg unterhaltsam und gut besetzt. Ein Highlight bildet ein maskierter Kämpfer namens Rinzler, der in seiner Art an Darth Maul erinnert (er leuchtet sithfarbend rot und trägt sogar zwei Discs) und bei jedem seiner Auftritte mit aufregenden Kampfszenen überzeugt. Eine Ausnahme bildet Bösewicht Clu, der im Film gänzlich im Computer gemacht ist und eine verjüngte Fassung von Jeff Bridges darstellt. Ein oftmals unwirklich, surreal und seltsam wirkendes Abbild, das jedoch mit dem Gedanken funktioniert, dass auch die Rolle gänzlich künstlich ist. Kritisch wird das nur in wenigen Szenen, in denen der echte Flynn in junger Version gezeigt wird – und dann ähnlich künstlich aussieht. Stören kann manch einen, dass der Kontrast zwischen Action und den anderen Szenen sehr stark ausfällt; blinzelt man, könnte man meinen, der Film bestehe nur aus Lautsprecher-berstendem Actionepos und starre Unterhaltungen.

Neben der Optik gibt es noch zwei weitere technische Elemente, die den Kinobesuch lohnend machen. Da wäre der 3-D Effekt, der einfach phänomenal ist. Auf Grund des oftmals transparenten und kontrastreichen Stils der Bilder ergibt sich ein großartiger Tiefeneffekt, der sogar den aus „Avatar: Aufbruch nach Pandora“ überbietet und sämtlichen schwächeren Konkurrenz-Werken wie „Alice im Wunderland“ vorbildlich zeigt, was man aus dem Format machen kann: „Tron: Legacy“ ist die neue Referenz für 3-D Filme. Nicht zu vergessen sei die Musik, die mindestens ebenso gut ist wie das Gesehene selbst. Die Elektro-Köche der Erfolgsband Daft Punkt servieren einen pulsierenden und mitreißenden Score, der ins Ohr geht und den Bildern einen verdienten epischen Charakter verleiht. Trotz eines relativ abgeschlossenen Endes bleibt die Möglichkeit für einen dritten Teil; interessant wäre der Gedanke, was wohl passieren würde, bekäme die Tron-Welt Zugang zum Internet.

Fazit:
„Tron: Legacy“ ist ein audiovisuelles Highlight, das man unbedingt in der best möglichen Variante erleben sollte – heißt, in einem Kino mit guter Ausstattung und, sofern man das Format mag, im 3-D Format. Es ist ein mitreißender Event-Film, der zwar nicht allzu anspruchsvoll, dafür aber sehr unterhaltsam ist.

7/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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