BG Kritik: „30 über Nacht“ (Treasure Monday)

1. Juni 2015, Christian Westhus

Darum geht’s: Frustriert mit den Tücken des Teenagerlebens wünscht sich Jenna an ihrem 13. Geburtstag, endlich erwachsen, erfolgreich und selbstbewusst zu sein. Plötzlich erwacht der Teenager als 30-jährige und erfolgreiche Designerin eines Mode- und Jugendmagazins. Doch auch als Erwachsene hat Jenna einige Hürden zu meistern.

30 über Nacht
(Originaltitel: 13 going on 30 | USA 2004)
Regie: Gary Winick
Darsteller: Jennifer Garner, Mark Ruffalo, Judy Greer, Andy Serkis
Kinostart Deutschland: 09. September 2004

(Diese Kritik erschien im Rahmen der Kritikenreihe Treasure Monday.)

Wie man ein altbekanntes und ausgetretenes Grundkonzept erfolgreich neu auflegt.

So genannte Body Switch (dt. Körpertausch) Komödien bringt das Hollywoodkino in unregelmäßigen Abständen hervor. Das Original und Remake von „Freaky Friday“, „Big“ mit Tom Hanks“, oder Zac Efrons „17 Again“ lassen per vage begründeter Magie zwei Personen den Körper tauschen, beziehungsweise den Protagonisten in die eine oder andere Richtung sein Alter um mehrere Jahre verändern. So lernen die sich eigentlich streitenden Generationen, dass sie doch mehr gemeinsam haben, als zunächst angenommen, und lernen mit ihrem Dasein Unzufriedene, dass der simple Wunsch nach Veränderung nicht zwangsläufig der richtige Schlüssel ist. Die Moral dieser Filme ist fast immer ein wenig altmodisch, jedoch auch immer ein gutes Stück wahr. Es ist geraten sich an die eigene Nase zu fassen, ehe man über Andere urteilt, nicht zu vergessen, wo man herkam, und sich nicht zu sehr an eine noch weit entfernte Zukunft zu klammern, wenn man das halbe Leben zwischen jetzt und dieser Zukunft noch vor sich hat.

Streng genommen switcht, also tauscht die 13-jährige Jenna hier nicht ihren Körper, sie reist in ihre eigene Zukunft, in eine Möglichkeit ihrer Zukunft, in der sich all ihre Wünsche, die sie als um Anerkennung, Akzeptanz und Selbsterfüllung lechzende Jugendliche hatte, wahr geworden sind. Mit der Persönlichkeit einer 13-Jährigen erwacht Jenna Anfang des neuen Jahrtausends im Körper ihres 30-jährigen Ichs. Das allein ist schon verwirrend genug, doch da Jenna aus den späten 80er Jahren ins neue Millennium kommt, wird die Zeitreise mit dem Generationssprung und dem Kulturclash verknüpft. Doch mit amüsanten Verwunderung, wie es denn möglich ist, dass ein Telefonklingeln aus einer kleinen Handtasche kommt, hält sich der Film nicht groß auf. „30 über Nacht“ zeigte eine jung-alte Heldin, die sich mal direkt, mal indirekt beibringen muss, dass – wie so oft – die goldene Mitte nicht ohne Grund als „golden“ bezeichnet wird. Die Weisheit des Alters könnte etwas von der jugendlich-unbekümmerten Naivität vertragen – und umgekehrt genauso.

© Columbia TriStar / Sony Pictures

Man kann sich denken, wo das hinführt und auch zu wem, sobald das Personal in Vergangenheit und Zukunft vorgestellt ist. Doch wie so oft ist der Weg zum altbekannten Ziel wichtiger und unterhaltsamer, als das Ziel selbst. Es hilft, wenn man eine Jennifer Garner dabei hat. Damals mit „Alias“ im TV erfolgreich, im mittelmäßig erfolgreichen Blockbuster „Daredevil“ eine erfolgreiche Erscheinung, avancierte „30 über Nacht“ zum vielleicht größten Kino-Hauptrollenerfolg für Jennifer Garner. Zumindest in Sachen Qualität. Denn Garner ist absolut hinreißend in der Rolle, lebt die innere 13-Jährige so sympathisch, gewitzt und mitreißend aus, dass jeder Moment eine Freude ist. Vom Moment des Erwachens, wenn sie ihren neuen Körper, ihre Wohnung und ihren männlichen „Mitbewohner“ mit großen Augen und offenem Mund erkennt, bis zum ambitionierten Kampf um die Neugestaltung des Jugendmagazins ist Garner der komödiantisch hocheffiziente Hauptgrund, warum wir diesen Film schauen sollten.

Doch auch Jennas mentale Reifung im erwachsenen Körper ist gleichermaßen unterhaltsam wie anschaulich. „30 über Nacht“ mag mit seiner Wandlung per magischem Ereignis nicht die Humor- und Drama-Höhen des vergleichbaren Meisterwerks „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erreichen, doch weit zurück ist man hier nicht. So durchschaubar das alles sein mag, so ist es doch spannend und witzig, wie Jenna ihre neue-alte Freundin und Kollegin Lucy (wie immer toll, wie immer aber auch zu kurz im Film: Judy Greer) neu betrachtet, wie sich die 13-jährige 30-Jährige mit Teenagern aus der Nachbarschaft anfreundet, wie sie ihre Karriere mit ihren Idealen unter einen Hut bringt, und ganz besonders wie sie ihr erwachsenes Liebesleben arrangiert. Dabei umkurvt der Film geschickt das Thema „Sex“ und fokussiert sich auf Liebe, die im ständigen Konflikt mit Freundschaft und der erhofften Anerkennung Dritter steht. Eine Tanzszene zu Michael Jacksons „Thriller“ etwa zur Halbzeit ist ein solcher Spaß, dass wir über den unwahrscheinlichen Ablauf gar nicht nachdenken wollen. Und im jugendlichen Elan zur Selbst- und Neuerfindung gibt es nichts, bei dem ein wenig Pat Benatar nicht helfen würde. We are young, Heartache to Heartache, Love is a Battlefield.

Fazit:
Simple, aber effektive und super unterhaltsame Body Switch Komödie mit einer hinreißenden Jennifer Garner in der Hauptrolle.

7/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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