BG Kritik: „Army of the Dead“

22. Mai 2021, Christian Westhus

Zack Snyders Zombie-Actioner bei Netflix: Eine Gruppe unter der Leitung von Dave Bautista will ein Casino in Las Vegas ausrauben. Das Problem? Die Glücksspielmetropole ist ein abgeriegeltes Notstandsgebiet, welches kurz vor der nuklearen Auslöschung steht, da sich hinter notdürftig errichteten Mauern unzählige hungrige Zombies befinden.

Army of the Dead
(USA 2021)
Regie: Zack Snyder
Darsteller: Dave Bautista, Ana de la Reguera, Ella Purnell, Matthias Schweighöfer, Omari Hardwick, Nora Arnezeder, u.a.
Veröffentlichung Deutschland: 21. Mai 2021

Zombies, ein (pardon) nicht tot zu kriegendes Untergenre. Seit George A. Romero mit „Nacht der lebenden Toten“ 1968 das Horrorgenre und amerikanische Indie-Kino revolutioniert hatte und die bis heute gängige Version des Zombies (ohne dieses Wort je zu gebrauchen) durch einen Copyright-Fehler in die Welt brachte, sind die lebenden Toten zu einem so beliebten wie lukrativen Dauertrend geworden. Ein Trend, auf dem Zack Snyder 2004 seine Kinokarriere startete und zu dem er nach Jahren unter Superhelden nun zurückkehrt. Nach „Sucker Punch“ (2011) ist „Army of the Dead“ der erst zweite Film des Regisseurs ohne Vorlage, entstanden als originale Script-Idee. Obwohl diese Idee nach offiziellen Angaben schon rund zehn Jahre alt sein soll, lässt es sich fast nicht vermeiden, diesen Film im Kontext externer Einflüsse zu betrachten. Am Horizont erkennbar das „Justice League“ Chaos, der Bruch mit Heimatstudio Warner Bros., das Ende der Superhelden-Ära und natürlich der tragische private Hintergrund, steht hier doch eine komplizierte Vater-Tochter-Beziehung im Vordergrund. Es ist nicht die einzige externe „Schlagzeile“, die auffallen könnte. Weiß man, dass Darstellerin Tig Notaro erst nachträglich und zumeist digital in den Film integriert wurde, fallen ihre Szenen stärker auf.

All dies kann man wissen, muss man aber nicht. „Army of the Dead“ bettelt keineswegs darum, aus Meta-Blickwinkeln durchleuchtet zu werden. Nach einem irgendwie erwartungsgemäßen Intro präsentiert sich die Titelsequenz als blutig-vergnügter Zombie-Metzelspaß mit Augenzwinkern und Humor. Schrille Kostüme, Fallschirm-Lieferando und wüste Bluteffekte geben einen Vorgeschmack auf das, was da kommen könnte. Snyder, auf den die Story zurückgeht und der das Script selbst mitgeschrieben hat, erzählt aufs Wesentliche heruntergebrochen jedoch eine recht klassische Zombiegeschichte. So klassisch, dass es schon klischeehaft wird. „Army oft he Dead“ hat exakt zwei mehr oder weniger neue Ideen: den abgeriegelten Schauplatz Las Vegas und die intelligenten/organisierten Zombies. Zwei Ideen, von denen eine reine Äußerlichkeit ist, denn eine wirklich tiefergehende Auseinandersetzung mit Geld, Glücksspiel und der Scheinwelt Las Vegas findet im Prinzip nicht statt, und die andere Idee maximal oberflächlich verfolgt wird. Von diesen zwei Aspekten abgesehen tischt uns dieser Film wirklich alles noch einmal auf, was rund 50 Jahre Zombiekino vorgemacht haben. Klassisch Aufgewärmtes aus der Mottenkiste des Zwischenmenschlichen, abgetragene Ideen böser Geschäftsmänner, fieser Verräter und engstirniger Alleingänger, altbekannte Stolperfallen, plumpe Actionszenen und durchschaubare Tode.

© Netflix

Dabei ist dieses Vehikel, welches man auch Hommage nennen könnte, wäre es denn wahlweise clever oder emotional glaubwürdig, auch noch auf rund zweieinhalb Stunden gestreckt. Zack „SnyderCut“ Snyder hat offenbar jedes Maß verloren, denn nennenswert viel zu sagen hat er in diesen zahlreichen Minuten nicht. Die dennoch erstaunlich häufigen Drama-Momente, die Szenen des Zwischenmenschlichen und Emotionalen, finden fast immer zwischen Dave Bautista und stetig wechselnden Gesprächspartnern statt, kommen aber leider mit einer rhetorischen und emotionalen Eleganz daher, als wäre das Script spontan an einem Wochenende durchgeschrieben worden. Diese bis zuletzt oberflächlich entworfenen Figuren müssen sich durch teils empörend flache oder dämliche Dialoge quälen, getragen von einer Ernsthaftigkeit, die weder Film noch Regie wirklich zu wollen scheinen, aber irgendwie aufbringen müssen.

Das wäre alles nur halb so wild, wäre der Film in seinen Actionszenen wirklich groß und mitreißend. Snyder kann so was. Von allem implizierten und erzählerischen Beiwerk befreit, ist „300“ ein rauschhaft inszenierter, choreographierter und stilisierter Trip, der in seinem zelebrierten Sterben ungemein fesselnd und mitreißend sein kann. Ungefähr das hätte „Army of the Dead“ auch sein können. Es dauert ausgesprochen lange, bis unser kleiner Trupp unter der Leitung von Dave Bautista der Einladung eines zwielichtigen Geschäftsmannes/Gangsters (Hiroyuki Sanada) gefolgt ist und Las Vegas erreicht hat. Wie es vollbracht wurde, die Zombieapokalypse auf Las Vegas zu beschränken, spielt keine Rolle. Ein Casino soll ausgeraubt werden, ein so simpler wie tödlicher Auftrag. Die ersten Minuten in Las Vegas sind gelungen, stellen uns die neuen hierarchisch agierenden Untoten vor, entzücken mit effektiver Ausstattung, einer schnittig choreographierten Actionszene auf engstem Raum und einem gut getricksten Zombie-Tiger. Was will man mehr?

© Netflix

Leider bleibt es bei diesen bescheidenen Höhepunkten und verflacht zusehends. Action und Spannung passen sich der klassisch bis klischeehaften Art des Dramas an, schon zufrieden damit, einfach nur da zu sein. In Detailszenen veranstaltet Snyder die große Splatter-Orgie, lässt Körper platzen und zerfetzen. Es sind augenscheinlich krasse Momente, die jedoch kaum schocken und wohl auch nicht schocken sollen. Es ist vielmehr ein greller Effekt, der mit etwas mehr Entschlossenheit zu einem gelungenen humoristischen Stilmittel hätte werden können, tatsächlich aber nur ein, zwei erhellende Momente kreiert und ansonsten wie unzeitgemäßes Gepose wirkt. Auffälliger vielmehr, wie der Film gewisse Figuren, seien sie Zombie oder Teil des Teams, ableben lässt. Todesszenen tragen zuweilen eine süffisante moralische Note, die augenzwinkernd daherkommt, immer aber auch einen latent konservativen Zynismus in sich trägt, der Snyder seit seinem Debütfilm „Dawn of the Dead“ (2004) begleitet.

Snyder und Netflix wollen mit diesem Film einen kleinen neuen Franchise eröffnen, Prequels, Spin-Offs und Serien nachschieben. Von einer Zombie-Mythologie wird gesprochen. Bis auf erste Ansätze in diese Richtung ist davon noch nicht viel zu spüren. Muss auch gar nicht. Das Hauptaugenmerk liegt im Vorhaben der Crew, in der „Rein und wieder raus“ Mission unter erschwerten Rahmenbedingungen. Denn letztendlich, so scheint es, sucht Snyder in diesem Film nur die simplen Freuden, bewaffnete Charaktere auf Zombies treffen zu lassen, um mit diesen Elementen im Sandkasten zu zündeln. Keine subversiven Botschaften, keine große Metapher, kein multidimensionales Drama, nur der enthemmte Spaß am blutigen Gesuppe. Warum Snyder diese Elemente, die es im Trümmerberg namens „Army of the Dead“ fraglos gibt, dann mit so viel Plunder und Kram zuschmeißt, bleibt vorerst sein Geheimnis.

Fazit:
Zack Snyder ist kein Amateur. In Einzelmomenten erkennt man einen erprobten Regisseur und Stilisten, der einfach nur „spielen“ will und den Zuschauer daran teilhaben lässt. Doch in seiner überlangen Gesamtheit ist „Army of the Dead“ schlicht zu bieder, zu flach, zu lang und leider auch zu langweilig.

4,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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