BG Noirvember Kritik: „Goldenes Gift“ alias „Out of the Past“ (1947)

7. November 2020, Christian Westhus

Der Noirvember wird schwarz. Über den November verteilt stellen wir euch einige der besten und spannendsten Werke des Film Noir vor. Die Schwarze Serie Hollywoods: Schnüffler, Mörder und Betrüger, Femmes Fatales, dunkle Schatten und Zigarettenqualm. Heute stellen wir „Goldenes Gift“ vor, Jacques Tourneur stilbildenden Klassiker mit dem unsterblichen Robert Mitchum.

Goldenes Gift
(Originaltitel: Out of the Past | USA 1947)
Regie: Jacques Tourneur
Darsteller: Robert Mitchum, Jane Greer, Kirk Douglas
Kinostart Deutschland: 14. Mai 1954

© Warner Bros.

Wie „Frau ohne Gewissen“ bewies, braucht nicht jeder Film Noir einen Ermittler, doch nicht ohne Grund ist gerade diese Figur untrennbar mit dem Genre verbunden. Die Spürnase, der Schnüffler, der Privatdetektiv, mit je einem Fuß auf beiden Seiten des Gesetzes. Und Robert Mitchum ist, vermutlich mehr noch als Humphrey Bogart, der ultimative Inbegriff des Trenchcoat tragenden Film Noir Schnüfflers. Dabei ist Mitchum als Jeff Bailey auf den ersten Blick ein einfacher und simpler Mann, der irgendwo im Nirgendwo eine kleine Tankstelle unterhält und eine aufrichtige Beziehung mit der jungen Ann Miller (Virginia Huston) führt. Dann steht plötzlich ein zwielichtiger Kerl an der Tanke, ein alter Bekannter, mit einem Ruf aus der Vergangenheit, auf den der Originaltitel verweist.

Der ungebetene Besucher will Jeff zu Whit Sterling (Kirk Douglas) bringen, einen vermögenden Gangster, für den Jeff vor einiger Zeit ein paar Geschäfte erledigte. Per klassischem Film Noir Voice-Over-Kommentar erinnert sich Jeff und führt uns zurück in jene Vergangenheit, als er Sterlings Geliebte Kathie (Jane Greer) aufspüren sollte, die sich mit einem Batzen Geld abgesetzt hatte. In Mexiko wurde Jeff fündig, nicht wissend, dass er an eine der fatalsten Femme Fatales der Kinogeschichte geraten ist. Jeff und Kathie verliebten sich ineinander, verfolgten mit dem Geld eigene Pläne, was bedeutete, Sterling zu hintergehen.

War die erste Hälfte ein Blick auf die ihn einholende Vergangenheit, präsentiert uns die zweite Filmhälfte die Konsequenzen dieser Vergangenheit und die Unausweichlichkeit des Scheiterns. „Goldenes Gift“ gehört selbst unter den Filmen der Schwarzen Serie zu den finstersten und pessimistischsten Kandidaten. In den messerscharfen Dialogen steckt immerzu eine fatalistische Spitze, während die sensationelle Schattenkamera von Nicholas Musuraca absolut stilbildend fürs Genre war. Mitchum mit seiner unnachahmlichen Coolness und natürlichen Intensität ringt sich mit dem jungen Method Actor Kirk Douglas einige wunderbare Szenen ab. Doch noch besser ist Mitchum im Schicksalsduett mit Jane Greers Kathie. Diese ist mehr als nur eine Frau, die mindestens einen Mann in den Untergang treibt. Kathie ist in Ansätzen erstaunlich komplex, erhält durch den Charakter Ann ein wunderbar gespiegeltes Gegenstück und ist nicht ohne Grund eine ikonische Figur, die nicht zuletzt auch einen David Lynch inspirierte. Natürlich ist das Hollywoodkino der 1940er aus heutiger Sicht ausnahmslos konservativ, doch es ist nur richtig, die Femme Fatale in ihren besten Fällen als Möglichkeit zu bewerten, Frauenfiguren so zu behandeln wie Männerfiguren, als Menschen, die hin und wieder schlicht böse und verdorben sein dürfen. Der Film Noir hat nicht viele Rollen hervorgebracht, die diese Theorie spannender belegen als Jane Greer als Kathie Moffet.

Regisseur Jacques Tourneur, der mit „Katzenmenschen“ (1942), „Ich folgte einem Zombie“ (1943) und „Der Fluch des Dämonen“ (1957) gleich mehrfach bemerkenswerte und bis heute beachtete Genrefilme ablieferte, kombiniert das geschliffene Drehbuch, die wunderbar vertrackte und pechschwarze Handlung, die fantastischen aus der B-Movie Not geborenen Bilder und seine großartigen Darsteller zu einem fast perfekten Ganzen. In seinem Look, der Erzählstruktur, den Stereotypen und in seiner Stimmung ist „Goldenes Gift“ nicht nur ein Musterbeispiel des Film Noir, sondern auch ein gewaltiges Highlight des Genres.

Und als abschließender Fun Fact: Die Romanvorlage mit dem wunderbar finsteren Titel „Build my Gallows high“ stammt aus der Feder von Geoffrey Homes alias Daniel Mainwaring. Dieser schrieb auch das Drehbuch, sollte für eine zweite Fassung aber prominente Unterstützung erhalten. Es war eine inoffizielle Art des „Bäumchen wechsle dich“ Spiels, denn die Unterstützung kam in Gestalt von James M. Cain, dessen Roman „Double Indemnity“ in seiner Kinofilmversion „Frau ohne Gewissen“ von (u.a.) Raymond Chandler adaptiert wurde.

8,5/10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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