BG Kritik: „Halloween Kills“

23. Oktober 2021, Christian Mester

Vonwegen crispy! Wer dachte, dass Michael Myers am Ende des letzten Films „Halloween“ (2018) wie Spareribs gebraten werden würde, lag falsch. Wie es der Zufall will, kommen nichtsahnende Feuerwehrleute noch gerade rechtzeitig, um Haddonfields Liebling aus dem brennenden Keller zu befreien. Während Laurie und ihre Tochter zum Krankenhaus fahren, wetzt Michael also bereits wieder die Küchenmesser und macht sich auf, seine Legende zu vertiefen…

Regie: David Gordon Green
Besetzung: Jamie Lee Curtis, Will Patton, James Jude Courtney

Kurzer Reminder: ja, es gibt 12 „Halloween“ Filme und mehrere mit Jamie Lee Curtis – die gehören aber nicht alle zusammen. „Halloween – Die Nacht des Grauens“ (1978) hat im Grunde zwei verschiedene Timelines. Die erste endete mit Teil 8, „Halloween Resurrection“, in dem Michael Myers es endgültig schaffte, Laurie Strode zu töten. Der 2018er Film mit Jamie Lee Curtis tat dann so, als hätten die Teile 2-8 nie existiert, d.h. „Halloween“ (2018″) wurde zu einem neuen, alternativen Teil 2. „Halloween Kills“ ist dessen Teil 3, 2022 folgt noch „Halloween Ends“ als Teil 4 und Finale dieser Storyline, alle vom gleichen Regisseur David Gordon Green. (BG Kritiken zu allen 12 Filmen, mit erklärtem Kanon)

© Blumhouse – Screenshot aus Trailer https://youtu.be/hL6R3HmQfPc

Kritik:
Also, was für eine Art Fortsetzung ist Kills? Dank des gleichen Teams wirkt er visuell exakt wie sein Vorgänger, und da quasi die zweite Hälfte der gleichen Nacht erzählt wird, kann man beide Filme sicherlich ohne Pause hintereinander schauen und als zweiteiliges Ganzes empfinden (Ends indes wird vier Jahre später spielen). Inhaltlich passiert offen gesagt nicht viel: Myers killt sich durch Unmengen Einwohner, Laurie bleibt wie schon im alten „Halloween II“ die ganze Zeit über im Krankenhaus, und Lauries Tochter Karen kriegt mit, wie sich ein Mob frustrierter Bürger aufmacht, Michael auf eigene Faust zu erledigen.

Für Kenner der Reihe gibt es eine Menge Fanservice. Da wäre einmal ein langer Flashback, der genau zeigt, wie Michael am Ende des allerersten Films fliehen, aber dann doch noch von der Polizei festgenommen werden konnte. Die vemeintlich unnötige Szene wird dafür benutzt, den Polizisten Hawkins hervorzuheben, der schon im letzten Film vorkam und im nächsten eine wichtige Rolle spielen soll. Dann kehren einige altbekannte Figuren und Gesichter zurück, darunter auch eine große Überraschung, die langjährige Fans durchaus schmunzeln lassen müsste.

Wem der letzte Film noch zu zahm war, kriegt hier eine volle Grillplatte serviert. Myers hackt, sticht, würgt und meuchelt sich hier durch unfassbare 25 on-screen Kills, die Kollege Jason ganz wuschig machen dürften. Kurioserweise holt der Film damit im Grunde was nach, denn diese neuen Filme zeigen ein Haddonfield, das auch heut noch, 40 Jahre später, über die Halloween Morde spricht und davon gezeichnet ist. Dabei hat Michael Myers im ersten Film faktisch „nur“ fünf Leute ermordet – seine Schwester im Prolog, off-screen einen Handwerker und on-screen drei Freunde von Laurie. Erst dieser Film macht Myers aber zu dem Serienkiller/Massenmörder, der medienwirksam schon aufgrund seiner Zahlen gewaltig Eindruck hinterlassen würde, dass man da auch Dekaden später drüber reden würde.

Das Austeilen läuft auch nicht einseitig, denn nachdem Michael Myers im letzten Film bereits Finger verlor, angeschossen und im Keller gegrillt worden ist, kriegt er hier ebenfalls mächtig was ab, wahrscheinlich sogar mehr denn je. Green sagt weiterhin nicht, dass Myers in irgendeiner Form übermenschlich sein soll, allerdings nimmt die Dresche derartige Ausmaße ein, dass es wirklich fragwürdig wird, ob ein über 60jähriger mit nur einem funktionieren Auge all das überleben und anrichten könnte. Was „Halloween Kills“ aber von einem tumben, geschmacklosen Gore-Slasher wie die „Hatchet“ Filme unterscheidet, ist die geballte Kompetenz hinter der Kamera. Trotz des erhöhten Body Counts gibt es immer noch viele top inszenierte, spannende Szenen, die Regie ist generell sehr hochwertig und zurückhaltend, und dass der komplett neue Soundtrack von John Carpenter und seinem Team bretzelt, muss man wohl keinem mehr sagen.

Als Slasher funktioniert der Film recht gut und die Verbindungen zu den beiden Vorgängerfilmen sind so gering, dass man die nicht gesehen haben muss, um hier mitzukommen. Überhaupt ist die Handlung, also sprechende und agierende und miteinander agierende Figuren, so dünn gehalten, dass man davon enttäuscht sein kann. Schon der letzte Film hatte diese seltsame Auslegung, dass Laurie seit 40 Jahren paranoid auf Michael Myers wartet, im Glauben, dass er Fluch und Schicksal ihrer Familie sein muss, während er selbst hingegen aber null Motivation oder Interesse zeigte, sich speziell ihr oder ihrer Familie zu widmen. Erst gekünstelte Zufälle führten ihn zum finalen Duell zwischen Laurie und Michael. Im neuen Film wird die Kenntnis der beiden leider nicht relevanter gemacht. Die Familie Strode bleibt für die Handlung so unwichtig, dass man alle ihre Szenen streichen könnte, ohne irgendwas wichtiges zu verlieren. Vor allem von Curtis‘ darf man enttäuscht sein, da sie zwar mehr Szenen hat als in „Halloween Resurrection“, aber genau wie in „Halloween II“ die ganze Zeit über nur im Krankenhaus wartet und gelegentlich mit anderen Figuren spricht. Vielleicht wird das erst mit dem kommenden nächsten Teil nachvollziehbarer, was David Gordon Green da in Absprache mit ihr im Sinn hatte, Michael und Laurie derart zu distanzieren. Noch scheint es überhaupt nicht klar zu sein und lässt „Halloween H20“ noch immer wesentlich besser, runder und dramatischer wirken.

Fazit:
„Halloween Kills“ erfindet das Käserad nicht neu, macht aber gehörig Löcher rein und das genretechnisch sehr ordentlich. Wer gerade die mittleren „Freitag der 13te“ Filme sehr mag, wird sich hier ganz zu hause fühlen. Mit dem Wechsel hin zu mehr Action verlässt der Film zwar das interessante Spannungskino des letzten Teils, verliert dabei andererseits zum Glück aber auch nie das Niveau des Vorgängers. Schade ist hingegen, dass der Kürbis nicht viel Inhalt hat und Jamie Lee Curtis nach hoch gefeierter und beworbener Rückkehr nahezu nichts zu tun bekommt.

5/10

99 Kommentare

 

 

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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