BG Kritik: „Nine Perfect Strangers“ (Prime Miniserie)

25. September 2021, Christian Mester

Ein halbes Dutzend unterschiedlicher Schicksale wird eingeladen, eine Erholungswoche im hochmodernen Wellness-Anwesen Tranquillum zu erleben. Versprochen wird, dass alle tiefsitzenden Probleme gelöst werden können, und das anders, als irgendwo sonst. Es dauert nicht lange, bis überraschende Wahrheiten ans Licht kommen…

Buchverfilmung nach Liane Moriarty
Regie: Jonathan Levine
Cast: Nicole Kidman, Melissa McCarthy, Samara Weaving

Kennt man die Buchvorlage „Neun Fremde“ per se nicht, so ist die neue Amazon Prime Exklusivserie „Nine Perfect Strangers“ nach der Pilotfolge erstmal eines: eine große Mysterybox. Die Neugier ist direkt groß: wer hat was zu verbergen, wer ist nicht das, was er zu sein vorgibt, was hat die enigmatische Herrin (Kidman ist klasse) heimlich im Sinn und bleibt Tranquillum wirklich so ruhig, wie es der Name andeuten sollte? Ein kleiner Überblick über die Figuren:

Nicole Kidman spielt die russische Masha, die geheimnisvolle Leiterin des Resorts, die nach eigenen Angaben eine finstere Vergangenheit hinter sich hat. Fragen weicht sie in der Regel aus, und es bleibt erst einmal mysteriös, ob Sie mehr als nur Wellness beabsichtigt. Neben ihr arbeiten noch drei dharma-eske Helfer vor Ort, die zwar nur kleine Rollen haben, mit ihren Entscheidungen aber für große Änderungen sorgen.

Melissa McCarthy spielt eine Autorin, die oberflächlich von ihrem ständigem Pech genervt scheint, insgeheim aber ebenso depressiv ist wie der ehemalige Footballstar Tony (Bobby Cannavale), der nach einer Verletzung alles verlor und seitdem süchtig nach Schmerzmitteln ist. Die zottelige Hausfrau Carmel (Regina King) indes wurde von ihrem Mann verlassen und leidet an ständigen Aggressionsproblemen, rastet immer wieder nach Triggern aus. Lars (Luke Evans) hält sich eher bedeckt, trauert aber seinem Mann hinterher. Die ganz jungen Jessica (Samara Weaving) und Melvin haben im Lotto gewonnen und sind Lamborghini fahrende Influencer, finden aber trotzdem keine Zufriedenheit. Dann wär da noch die Familie Marconi (Vater gespielt von Michael Shannon), deren Sohn vor einiger Zeit Selbstmord begangen hat, was die drei längst noch nicht verarbeitet haben.

In den 8 Folgen würfelt Levine diese Figuren immer wieder durcheinander und pusht sie dahin, überfällige Entwicklungen zu erleben, während sie Spaziergänge unternehmen, Erholungsbäder machen, Mutproben bestehen und weitere typische Spa-Aktivitäten in der immer idyllisch aussehenden Anlage durchlaufen.

Wer nun glaubt/hofft, dass „Lost“-ähnliche Elemente auftauchen, wie geheime Experimente, unerklärliche Phänomene, Kräfte und Wesen etc, liegt leider falsch. Es gibt einige Offenbarungen und Twists und immer wieder bleibt Teaserei für mehr, allerdings bleibt letztendlich alles bodenständig und realistisch; wenn wir schon mit „Lost“ vergleichen, dann müssen eher die Flashbackszenen herhalten, in denen die Figuren beleuchtet und entlarvt wurden. Zum Teil ist das durchaus sehenswert, in erster Linie wegen Darsteller wie Kidman, Evans oder Grace van Patten, die Shannons Tochter spielt. Auffällig ist vor allem Michael Shannon selbst, der sonst immer nur fiese Schurken wie „Man of Steel“ Bösewicht Zod spielt, hier aber mal als freundlicher, einfacher Dad-Charakter in Erscheinung tritt, während McCarthy keinerlei Comedy mitbringt.

Leider bleibt das Gesamtwerk insgesamt eher flach, die Krisenbewältigung banal. Viele der Konflikte mit absehbarer Auflösung werden über zu viele Folgen behandelt, die emotionalen Momente sind stets brauchbar, aber nie schauspielerisch mitreißend, und die Serie tut sich gewiss keinen Gefallen damit, immer mal wieder anzudeuten, dass vielleicht mehr hinter allem stecken könnte. Die anfangs aufgebaute Spannung verpufft somit rasch und kann keineswegs mit gelungeneren Miniserien wie etwa „Big Little Lies“ oder „Little Fires Everywhere“ mithalten, bis das Ende mit einer Mischung aus Fragezeichen und Schulterzucken abschließt.

Fazit:
Besser… nicht zu viel erwarten, denn „Nine Perfect Strangers“ ist eine wirklich seichte Brise ohne größeren Thrill, ohne fesselnde Dramatik oder Genreeinflüsse. Zum Abschalten fraglos gut, zumal die Serie durchweg klasse ausschaut und Tranquillum von 5-Sterne-Spa Träumen lässt, aber inhaltlich und wirkungstechnisch nichts, was sonderlich fesselt oder lang in Erinnerung bleiben dürfte.

5/10

https://www.youtube.com/watch?v=pDzjirwoDHAech

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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