BG Kritik: „Pam & Tommy“ auf Disney+

18. März 2022, Christian Mester

Wer jünger als 30 ist, dem sind Pamela Anderson, Motley Crue Schlagzeuger Tommy Lee und ihr skandalöses Sextape sicherlich kein Begriff, aber in den 90ern war es tatsächlich der erste große Celebrity Internetskandal. Ausgerechnet auf Disney+ ist jetzt eine Serie dazu gelandet, in der Winter Soldier Sebastian Stan die Hauptrolle spielt und dabei u.a. mit seinem besten Stück spricht. Aber ist die Serie sein bestes Stück?

Besetzung: Lily James, Sebastian Stan, Seth Rogen

© Hulu Trailerscreenshot https://youtu.be/yNbNNacjTDQ

Manch einer mag noch vage im Kopf haben, dass Kim Kardashian ein Sextape hatte, oder davor Paris Hilton. Den Ursprung gabs aber mit der heut recht unbekannten Pamela Anderson, die in den 90ern Dank Playboy und Baywatch zur berüchtigsten Sexbombe avanciert war. Natürlich steckte das Internet damals noch in seiner Anfangszeit und dementsprechend war das ach so infame Material so ein pixeliger Bildschrott, dass man darüber heut nur mit dem Kopf schütteln würde. Dennoch war es damals eine gewaltige Sensation, über die überall berichtet wurde.

Die 8 Folgen lange Miniserie konzentriert sich dabei auf drei verschieden Aspekte. Zunächst stellt sie Pam & Tommy näher vor – sie als ambitionierte, aber auf ihren Körper reduzierte Schauspielerin, ihn als 80er Rocklegende mit arschiger Promi-Arroganz – dann ihren vergeblichen Kampf, den Skandal zu stoppen oder zumindest einzugrenzen, und als Nebenplot geht es noch um den Dieb des Tapes (Seth Rogen), der hofft, leicht viel Geld zu machen, damit aber schnell auf die Klappe fliegt. Ein Video lässt sich halt leider selbst leicht kopieren.

Highlight der Serie ist sicherlich Sebastian Stan, der zum ersten Mal in seiner Karriere gezwungen ist, schauspielerische Qualitäten zu zeigen und hier als Motley Crue Drummer Lee völlig in seiner Rolle verschwindet. Trotz aller tättowierten Mittelfinger lässt er Sympathien finden; aber auch James mausert sich im Verlaufe der Story als fragiles, mitleiderweckendes Rehkitz im Scheinwerferlicht zu einer interessanten Figur und nähert sich der echten Anderson immer weiter an. Gut ist Seth Rogen als kleiner Niemand, der etwas auslöste, das Millionen Menschen erreichte, der davon aber letzten Endes nicht profitieren konnte. Sein Weg vom unbedeutenden Handwerker zum weiterhin unbedeutenden Handwerker mit nun riesigen Problemen, u.a. mit Pornoproduzent Ron Swanson oder Mobster Andrew Dice Clay ist ebenso spannend wie amüsant zu verfolgen.

Aus dem Thema hätte man schnell etwas schlechtes machen können: ein staubtrockenes Gerichtsdrama oder eine gar plumpe Reality Soap artige Celebritystory etwa, die sich bloß mit eingestreuten Nacktszenen über Wasser hält. Die Macher der Serie schaffen es aber geschickt, mit den Erwartungen und Gefühlen zu spielen. Sie fängt das Spektakel der damaligen Zeit ebenso ein wie den Status der beiden heutigen Nobodies, aber auch die Gefühlswelten. Wenn eine schwangere, beschämte Anderson das Tape Szene für Szene mit Anwälten besprechen oder sich rechtfertigen muss, wieso Sie als Nacktmodell Probleme mit unfreiwillig veröffentlichten anderen Intimaufnahmen haben soll, wirft das viele Überlegungen auf.

Überraschend ist, dass die Serie entgegen aller Erwartungen und der Streamingquelle trotzdem nicht vor XXX Halt macht und zu Beginn recht drastisch full frontal Nacktheit und Sexszenen zeigt. Allerdings hat das ganze eine starke Künstlichkeit, denn sowohl James als auch Stan sind mit falschen Genitalien und Brüsten ausgestattet, sodass sie zwar nackt wirken, eigentlich aber doch kostümiert sind. In einer Szene spricht Tommy Lees Schniedel sogar – und trotz aller Deadpool Absurdität schafft es die Serie, mehr als nur oberflächlichster Boulevardblödsinn zu bleiben.

Hervorzuheben ist auch der tolle Score von Matthew Margeson, der immer wieder an die Arbeiten von Trent Reznor & Atticus Ross erinnert.

Fazit:

Muss man die Hintergründe oder die Personen kennen? Nein, nicht wirklich. Selbst wenn man die zwei nicht kennen sollte, ist „Pam & Tommy“ eine sehr zugängliche kleine Serie über einen Promiskandal, der zwar casual, aber vielfältig daher kommt und immer wieder amüsiert oder Mitleid erweckt und als Gesamtpaket keine Minute langweilig ist. Zu loben ist auch eine überdurchschnittliche Regie und ein ausgesprochen cremiger Schnitt.

7/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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