Cannes Filmfestival präsentiert Filmaufgebot

18. April 2019, Christian Westhus

Das Cannes Filmfestival hat sein diesjähriges Aufgebot bekannt gegeben, wenn Mitte Mai wieder die internationale Crème de la Crème des Weltkinos um die Goldene Palme konkurriert. Festivalfilme sind für den gewöhnlichen Filmgucker und Kinogänger eine schwierige, wenn auch reizvolle Angelegenheit. Wer nicht gerade in den europäischen oder nordamerikanischen Epizentren (Berlin, Cannes, Venedig, Toronto, New York) lebt, kann nur aus der Ferne zuschauen, wie zig Filme von mal mehr mal weniger bekannten Filmemachern auf quasi einen Schlag veröffentlicht werden, um dann oftmals noch Monate und Jahre zu brauchen, ehe man als Außenstehender eine Chance zur Sichtung hat.

Am 12. Mai beginnt in Cannes das 72. Filmfestival dort. Noch immer gilt die Zusammenkunft an der Côte d’Azur als prestigeträchtiger Höhepunkt des Jahres in Sachen internationales Kino und Autorenfilm. Eine mehrköpfige, aber jedes Jahr neu aufgestellte Jury entscheidet am Ende über die besten Wettbewerbsbeiträge, die besten Darsteller und das beste Script. Präsident der Jury ist dieses Jahr Alejandro González Iñárritu, dessen Partner zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestimmt sind.

(C) Reiner Bajo

(C) Reiner Bajo

Im Vorfeld wartete alles auf Quentin Tarantino, dessen Gewinn der Goldenen Palme damals für „Pulp Fiction“ bis heute einen kontroversen Stand in der Geschichte des Festivals hat – je nach dem, wen man fragt. Tarantinos „Once upon a Time in Hollywood“ wurde als heißester Kandidat des Hauptwettebewerbs gehandelt; auch Festivalchef Thierry Frémaux machte kein Geheimnis daraus, dem Film einen Platz im Wettbewerb zu geben. Vorausgesetzt, „Once upon a Time in Hollywood“ wird rechtzeitig fertig – was zum aktuellen Zeitpunkt noch offen ist.
Sicher dabei im Hauptwettbewerb sind stattdessen Größen wie Spaniens Regielegende Pedro Almodóvar, der mit „Dolor y Gloria“ die semi-autobiographische Geschichte eines gealterten Filmregisseurs erzählt. Bong Joon-ho, der koreanische Kultregisseur von „The Host“ und „Snowpiercer“, ist mit dem tragikomischen Horrordrama „Parasite“ dabei, und in eine ähnliche und doch gänzlich andere Kerbe schlägt Jim Jarmusch mit der Zombiekomödie „The Dead don’t Die“. Cannes Dauergäste wie die belgischen Brüder Dardenne, der Brite Ken Loach und Frankreichs Arnaud Desplechin sind mit neuen Werken dabei, während Jungstars wie Xavier Dolan (mit „Matthias et Maxime“) und Céline Sciamma (mit „Portrait of a Lady on Fire“) nach Anfängen in den Nebenbereichen des Festivals nun in den Hauptwettbewerb aufgestiegen sind.

Das größte Interesse vorab (ehe Tarantino evtl. noch hinzustößt) gilt jedoch Terrence Malick. Sein Film „A Hidden Life“ (ehemals „Radegund“) soll eine Rückkehr zu einer klare(re)n Erzählform für den berühmten Regisseur sein, der zuletzt mit „Knight of Cups“ und „Song to Song“ selbst hartgesottene Fans irritierte. Die deutsch-amerikanische Koproduktion „A Hidden Life“ erzählt die wahre Geschichte des österreichischen Kriegsdienstverweigerers aus Gewissensgründen Franz Jägerstätter, den August Diehl spielt. Seit 2016 abgedreht, wartet die geneigte Filmwelt schon seit drei Jahren auf den Malick, auf das erwartete und erhoffte Qualitäts-Comeback des Regisseur solcher Meisterwerke wie „Badlands“, „In der Glut des Südens“ und „Der schmale Grat“.

Für den geneigten Filmfan ist Cannes wieder eine Gelegenheit, den persönlichen Notizzettel zu füllen, die Augen nach spannenden und interessanten Filmen offen zu halten, bis sie dann irgendwann auch außerhalb des Festivals zu sehen sein werden.

Der Hauptwettbewerb:
“The Dead don’t Die,” Jim Jarmusch (auch Eröffnungsfilm)
“Dolor y Gloria,” Pedro Almodovar
“The Traitor,” Marco Bellocchio
“The Wild Goose Lake,” Diao Yinan
“Parasite,” Bong Joon-ho
“Le jeune Ahmed,” Jean-Pierre Dardenne & Luc Dardenne
“Roubaix, une lumière,” Arnaud Desplechin
“Atlantique,” Mati Diop
“Matthias et Maxime,” Xavier Dolan
“Little Joe,” Jessica Hausner
“Sorry We Missed You,” Ken Loach
“Les Miserables,” Ladj Ly
“A Hidden Life,” Terrence Malick
“Bacurau,” Kleber Mendonça Filho & Juliano Dornelles
“La Gomera,” Corneliu Porumboiu
“Frankie,” Ira Sachs
“Portrait of a Lady on Fire,” Céline Sciamma
“It Must Be Heaven,” Elia Suleiman
“Sibyl,” Justine Triet

Un Certain Regard – Nebenwettbewerb:
“Invisible Life,” Karim Aïnouz
“Beanpole,” Kantemir Balagov
“The Swallows of Kabul,” Zabou Breitman & Eléa Gobé Mévellec
“A Brother’s Life,” Monia Chokri
“The Climb,” Michael Covino
“Joan of Arc,” Bruno Dumont
“A Sun That Never Sets,” Olivier Laxe
“Room 212,” Christophe Honoré
“Port Authority,” Danielle Lessovitz
“Papicha,” Mounia Meddour
“Adam,” Maryam Touzani
“Zhuo Ren Mi Mi,” Midi Z
“Liberte,” Albert Serra
“Bull,” Annie Silverstein
“Summer of Changsha,” Zu Feng
“Evge,” Nariman Aliev

 

Festival de Cannes

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung