Die 100 besten Filme der Dekade

31. Dezember 2019, Christian Westhus

Plätze 100 bis 86: (alphabetisch)


Anna Karenina (2012) | R: Joe Wright
Joe Wright geht „beyond Luhrman“ bei seiner Adaption von Tolstois „Anna Karenina“. Wie der „Moulin Rouge!“ Regisseur agiert auch Wright mit Pomp, Protz und gezielter Künstlichkeit. Anders kann man sich einem x-fach verfilmten und grundsätzlich überhaupt nicht fürs Kino gedachten Roman wie diesem wohl auch nicht nähern. Wright, Drehbuchautor Tom Stoppard und das Designteam um (u.a.) Sarah Greenwood und Jacqueline Durran präsentieren die russische High Society des ausklingenden 19. Jahrhunderts als interaktive Theaterbühne. Man muss es gesehen haben, um es zu glauben. Allein die wilde Einstiegsmontage mit diversen Fokusfiguren, den sich verschiebenen Sets und den Musical-artig choreographierten Bewegungen gibt, ähnlich wie der irrsinnige Einstieg bei „Moulin Rouge!“, einen ersten Vorgeschmack. Eine Gruppentanzszene zu Dario Marianellis Musik ist schon von sich aus eine Sensation. Und Keira „Ich spiele nur in Historienfilmen mit“ Knightley trägt sagenhafte Kleider und sieht darin umwerfend wie nie aus. Und sie spielt famos. Doch das alles wäre vergebens, würden Wright und Stoppard samt Team nicht den Kern des Romans und der Figuren treffen. Natürlich ist es kondensiert und simplifiziert, doch auch das macht dieses lebendige Theater deutlich. Der kritische Blick auf religiös motivierte bürgerliche Moral und auf das ungleiche Machtgefälle innerhalb dieser Kreise, in der Sitte und Anstand so wichtig sind wie Titel, sitzt. Und auch die Figuren, allen voran Anna, Wronskij und „Uhrwerk“ Karenin, sind lebendiger, als man das von einer derart verspielten Inszenierung erwarten könnte. Der Film ersetzt nicht den Roman, doch in dieser Version ist er eine grandiose Ergänzung.


Auslöschung – Annihilation (2018) | R: Alex Garland
Dieser Platz gehört nicht zuletzt Alex Garland als Person, der nach Jahren als Roman- und Drehbuchautor (u.a. „28 Days Later“) nun seinen Durchbruch als Regisseur feiern konnte. „Ex Machina“ könnte hier ebenso gut stehen. Doch „Annihilation“ ist der spannendere, schwierigere, mutigere Film. So sehr, dass er beinahe ein „Brazil“/„Blade Runner“ Schicksal erfahren hätte. Der Plot? Eine fremde, vermutlich außerirdische „Energie“ trifft auf die Erde und breitet sich als „Schimmer“ genanntes Areal langsam, aber stetig aus. Missionen, die sich ins Innere des Schimmers begaben, kamen bisher nicht zurück. Nun wagt sich ein Trupp Wissenschaftler (u.a. Tessa Thompson, Jennifer Jason Leigh und ganz zentral Natalie Portman) in die fremde Welt vor. Was augenscheinlich ein etwas ungewöhnlicher Invasionsfilm sein könnte, ist eher ein metaphorisches Persönlichkeitsdrama. Die surrealen und teils gleichermaßen (und gleichzeitig) verstörenden und betörenden Bildwelten im Schimmer unterstreichen nur das eigentliche Ziel des Films. Zellen, DNA und menschliche Identität als „Schiff des Theseus“. Eine Auseinandersetzung mit Schmerz, Verlust und Trauer, mit den verschiedenen Formen, sich diesen zu stellen. Ruhig erzählt, aber spannend, emotional und mit einem erstklassigen Score unterlegt.


The Avengers (2012) | R: Joss Whedon
Ganz unabhängig der Qualität sicherlich der definitive Superheldenfilm dieser Dekade. Daran führt auch für reine DC-Fans eigentlich kein Weg vorbei, ob man „definitive“ nun positiv auffasst oder nicht. Die Anfangsminuten sind etwas unrund und es darf angemerkt werden, dass manch Dialogszene etwas stiefmütterlich eingefangen (und/oder ausgeleuchtet) ist. Akzeptiert. Doch das alles verblasst angesichts der Dynamik zwischen den Figuren, der schon bald unaufhaltsam rollenden Handlung und dem sensationellen Finale in New York. Von „Shakespeare im Park“, Galaga und Elektroschocks gegen Bruce Banner, bis hin zu „Mickriger Gott“ („Puny god“) ist so ziemlich jeder kleine Moment zwischen zwei oder mehr Helden (oder Schurken) ein Genuss. Und dazwischen Action- und Spektakelszenen, die nicht nur grandios aussehen, sondern auch eine Dringlichkeit und emotionale Dramatik besitzen, die es in zeitgenössischen Superheldenfilmen (und auch im MCU) nur sehr selten gibt. Allein der Angriff auf den Helicarrier, die damit verbundene „Reparatur“ und der Wutanfall des Hulks sind genau das, was wir (zumeist) von diesen ollen Filmen wollen. Und das Finale toppt die Sache noch. Bis heute rennt das MCU dem ikonischen Kreis-Shot und der fliegenden Kamerafahrt durch den Big Apple hinterher.


Black Swan (2010/11) | R: Darren Aronofsky
„Black Swan“ ist Darren Aronofskys Partnerfilm zu „The Wrestler“ über Sportler/Künstler auf der Suche nach Perfektion, hat dabei aber ähnlich viel Berührungsfläche mit „Requiem for a Dream“ als (alb-)traumhafter Psychothriller über Perfektionsdrang, der zur Selbstzerstörung wird. Aronofsky posaunt manche Bilder und Ideen sehr laut und direkt heraus, doch wenn dabei ein solch intensiver und gnadenlos gut inszenierter Tanz-, Sex- und Pycho-Rausch herauskommt, kann man das kaum übel nehmen.


Feuerwerk am helllichten Tage – Bai ri yan huo (白日焰火) (2014) | R: Yi’nan Diao
Ein chinesischer Neo-Noir, wenn man so will, der zuerst an Koreas „Memories of Murder“ erinnert und dann in ganz eigene und pechschwarze Richtungen abdriftet. Ein Minenarbeiter findet Überreste einer Leiche und zwei Polizisten sehen sich mit einem gescheiterten Fall aus der Vergangenheit konfrontiert. Höchst ästhetisch fotografiert und schleichend atmosphärisch, kombiniert Yi’nan diaos Film Arthouse Einflüsse mit einem Krimi- und Thrillerplot, gewürzt mit kuriosen Einfällen und eben geschildert durch fernöstliche Prägung. „Ferwerk am helllichten Tage“ ist somit auch ein Ausdruck, dass das gegenwärtige chinesische Kino – trotz aller berechtigten Kritik an Zensur und Beeinflussung durch den Staat – facettenreich, spannend und komplex sein kann. Vielleicht nicht so explizit „politisch“ wie Jia Zhang-kes Filme, dafür spannender, unterhaltsamer, emotional greifbarer und nicht minder interessant. Im Gegenteil.


Fish Tank (2009. Deutschlandstart 09/2010) | R: Andrea Arnold
Vielleicht hat jemand die zweite Staffel von „Big Little Lies“ gesehen und sich gefragt, warum manche Leute (*räusper) noch höhere Erwartungen an diese hatten als an Staffel 1. Andrea Arnold war der Grund, die bei BLL ihr Talent und ihr Können nur leider nicht so recht ausspielen konnte. Oder durfte. Dass sie es besitzt beweist nicht zuletzt dieses raue britische Coming of Age Drama mit Michael Fassbender. Dieser tritt als neuer Mann an der Seite ihrer Mutter in das Leben der 15-jährigen Mia (Katie Jarvis) und bringt einiges durcheinander. Arnolds direkte Bildsprache und ihr Talent für naturalistische Figuren und Dialoge bringen neues Leben ins Subgenre des Britischen „Kitchen Sink“ Dramas.


Get Out (2017) | R: Jordan Peele
Jordan Peele war lange Zeit als eine Hälfte des Comedy Duos „Key & Peele“ bekannt. Auch dortige Sketch Klassiker wie der „Substitute Teacher“ oder die legendäre Persiflage kurioser Footballer Namen tragen immer eine sehr spezifische kulturelle Eigenheit mit sich. So ist es auch bei Peeles Debüt als Regisseur und Drehbuchautor, „Get Out“. Denn natürlich ist dies nicht einfach nur ein Horrorthriller, irgendwo zwischen „Home Invasion“, „Backwoods Horror“ und „Entführung und Folter“ Facetten, auch wenn der Film zweifellos als solcher funktioniert. So mögen manche Details dem durchschnittlichen deutschen Zuschauer schwer übersetzbar bleiben, doch Peeles Bildsprache ist zu effektiv, zu direkt und schlicht zu gut, als dass jemand „Get Out“ für einen austauschbaren Grusler fürs erste Date halten könnte. Der im Film so gespenstisch gut inszenierte „Sunken Place“ ist schon jetzt zu einem kulturellen Schlagwort außerhalb der Grenzen des Films geworden. Und Peeles filmisches Ende wartet womöglich mit dem deutlichsten und effektivsten Symboltwist überhaupt auf.


Haus der Sünde – L’Apollonide: Souvenirs de la maison close (2011) | R: Bertrand Bonello
Halbnarrative Skizzen und „Slice of Life“ Vignetten aus einem französischen Edelbordell am Ende des 19. Jahrhunderts. Es ist das Fin de Siècle, das Ende einer Ära, und wir beobachten eine Gruppe junger Frauen zwischen vager Hoffnung, pragmatischer Neutralität und nackter Existenzangst in ihrem Käfig, der gleichermaßen golden und doch auch pechschwarz ist. Bertrand Bonello dreht keinen simplen „Feel Bad“ Film über Prostitution, ist mindestens gleichwertig an der intensiven Gruppendynamik unter den Frauen interessiert, bleibt aber unmissverständlich, wenn er diverse Spiel- und Machtformen der vermeintlichen „Gentlemen“ beschreibt, die zu den Kunden im Etablissement gehören. Ein Ausflug der Frauen an einen See, der eine Moment „draußen“, in vermeintlicher Freiheit, ist das Kernstück des Films, das zentrale Kontrastelement. Um dieses lässt er seine facettenreichen Frauenfiguren zu anachronistischer Musik tanzen, allen voran das zentrale Symbol erfahrener Gewalt, die uns vielleicht nur zufällig an einen gewissen Superheldenschurken erinnern lässt. Ein faszinierend ungewöhnliches Werk, kaum erotisch, oft schockierend, aber durchweg von einer gewaltigen Empathie getragen.


Höhere Gewalt – Force Majeure (2014) | R: Ruben Östlund
Wie aus dem Nichts, so schien es, kam Ruben Östlunds grotesk und zuweilen überaus schwarzhumorig anmutendes Beziehungsdrama. Eine gutsituierte Familie verbringt einen Skiurlaub in den Schweizer Alpen, als eine Notsituation das dünne Ehe- und Familienband aus Vertrauen, Zugehörigkeit und Ehrlichkeit ins Wanken bringt. Mit Wonne durchleuchtet Östlunds Script Mechanismen der Familie, der Ehe, der Liebe, aber insbesondere seziert er Ideen von Männlichkeit und Maskulinität. Der schwer zu beschreibende und schwer zu greifende Ton des exzellent gespielten Films ist der ausschlaggebende Punkt. Schaut man den Film mit dem Partner, dürften anschließende Gespräche vorprogrammiert sein. Und hey, Tormund Giantsbane („Riesentod“) ist auch dabei!


Jenseits der Hügel – Dupa Dealuri | R: Cristian Mungiu
Als Filmemacher hinter „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“, also dem Begründer der rumänischen Neuen Welle, ist Cristian Mungiu in einer glücklichen und doch auch komplizierten Position. Sein Name bringt einen Film nun weit über Rumäniens Grenzen hinaus, doch mit diesem Vorteil sind nicht zuletzt auch gestiegene Erwartungen vorprogrammiert. Das erklärt vielleicht, warum satte fünf Jahre zwischen „4 Monate“ und „Jenseits der Hügel“ liegen. Mungiu bleibt sich und seinen zeitgenössischen Kollegen treu, erforscht in radikaler Nüchternheit soziale, politische und institutionelle Missstände im Land. Nun blicken wir hinter die Kulissen eines jungen Klosters auf den Hügeln hinter einer Kleinstadt. Dort besucht Alina (stark: Cristina Flutur) ihre Freundin Voichita (Cosmina Stratan), mit der sie einige Jahre im Waisenhaus verbracht hat. Alina arbeitete zuletzt in Deutschland, kehrt nun durch Einsamkeit und Isolation aber zurück zur einzigen Person, der sie sich noch anvertrauen kann und will. Doch Voichita hat sich als Ordensschwester dem Dienst an Gott verschrieben; persönlicher Besitz und private Kontakte soll sie eigentlich hinter sich lassen. Aus diesem Dilemma konstruiert Mungiu ein forderndes, anstrengendes, aber unendlich faszinierendes Spiel, das zum weiträumigen Nachdenken einlädt.


The Lego Movie (2014) | R: Phil Lord, Chris Miller
Was haben alle gelästert, als dieser Film angekündigt wurde. Ich auch. Wie soll denn ein Lego Film bitteschön aussehen? Das kann doch nur so billiger Lizenz-Unsinn sein, wie es ihn auf VHS/DVD schon hin und wieder gab. Und warum sollte es mehr sein als ein überlanger Werbespot? Und dann kam alles ganz anders. Natürlich erfüllt „The Lego Movie“ auch einen Zweck als Werbung und die anti-kapitalistische „Freies Spielen“ Message sollte man vielleicht nicht zu hoch bewerten, doch „The Lego Movie“ ist ein kleines Wunder und zementierte Lord/Miller als Meister darin, zum Scheitern verurteilte Konzepte zu retten. Der Umgang mit der Auserwählten-Geschichte ist clever, das gesamte Abenteuer wunderbar konstruiert, oft umwerfend witzig und so energetisch inszeniert, als würden Edgar Wright und Michael Bay gemeinsam einen draufmachen. Und ganz davon ab ist der Animationsstil ein Meisterstück; detailverliebt, lebendig und „realistisch“ im Umgang mit der Lego Idee, wie sich Figuren bewegen und Objekte aussehen können.


Lore (2012) | R: Cate Shortland
Man wirft dem deutschen Kino gerne mal vor, nur drei verschiedene Felder zu beackern, nur Geschichten aus drei verschiedenen Genres anzubieten, darunter natürlich der historische Film mit der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit des 20. Jahrhunderts. „Lore“ ist gleichzeitig der Beweis, dass derartige Filme nicht automatisch schlecht sind, unterstreicht aber gleichzeitig, dass die eigentlichen Probleme des deutschen Films (häufig) grundlegenderer Natur sind. Denn „Lore“ ist der beste deutschsprachige (!) Film über die NS-Zeit der Dekade. „Lore“ ist außerdem eine (in erster Linie) australische Produktion unter der Regie der Australierin Cate Shortland. Der Krieg ist vorbei, das Deutsche Reich ist untergegangen und die junge Hannelore (Saskia Rosendahl), Tochter eines hohen SS-Manns, steht vor den Trümmern dessen, was sie ihr Leben lang als Realität wahrgenommen hatte. Das Script verwebt Coming-of-Age Versatzstücke in eine Fluchtsituation, wenn Lore als Älteste ihre Geschwister zur erweiterten Familie in den Norden führen soll, dabei aber mehr und mehr hinter die Lügengebilde ihrer Eltern und ihrer Heimat blicken muss. Spannend, komplex, überzeugend gespielt und einfach so viel mehr als nur ein Film über deutsche Geschichte.


Moana – Vaiana (2016) | R: Ron Clements, John Musker
An schlechten Tagen weiß ich, dass dieser Film wohl eigentlich nicht hierher gehört. Ich kann die Schwächen des Films sogar „nüchtern“ aufzählen, zumindest manche: die Kokosnusswesen sind unterhaltsam, aber wirken wie Fremdkörper; zeitgemäße Witze wie „tweeting“ stören; Mauis Erklärung, warum Vaiana nun doch eine Prinzessin ist, lässt mit den Augen rollen; Mauis aggressives Singverbot in Richtung Vaiana stört enorm. – Die weitere Dekadenliste wird den Eindruck erwecken, diese Auswahl sei überwiegend geistig und intellektuell („intellektüll“) getätigt worden. Und das mag nicht total falsch sein, aber ich bin ohne Zweifel (auch) ein Gefühlsmensch – wenn man so etwas über sich selbst sagen darf. Und „Vaiana“ hat mir einfach nahezu „alle“ Gefühle gegeben. „All the feels“, wie die Jugend inzwischen vermutlich gar nicht mehr sagt. Also darf in diesem Fall auch mal das Gefühl über das Rationale siegen. Trotz der etwas konfusen Synchro- und Namenswechselsituation in Europa ist „Vaiana“ ein großartig konstruiertes Disney Abenteuer. In groben Zügen irgendwie klassisch und doch erfrischend anders, nicht zuletzt da die Selbstsuche dieser Disney Heldin entscheidende neue Nuancen enthält. Anders als Arielle, Belle oder auch Elsa muss Vaiana ihr wahres Ich nicht erst suchen und akzeptieren, sondern sucht einen Weg, um das (wieder) zu finden, was sie von Beginn an in sich spürt, ohne genau zu wissen was es ist. Oh und „How far I’ll go“ (inklusive „I am Moana/Vaiana“) ist der beste Disney Song seit „Der ewige Kreis“ („Circle of Life“) bzw. seit „I’ll make a man out of you“ (Mulan). #DealWithIt


Phoenix (2014) | R: Christian Petzold
Was wäre der Deutsche Film ohne Christian Petzold? Mindestens deutlich langweiliger. Doch dies ist nicht der Ort, um über den Zustand der hiesigen Filmwelt zu sprechen. Petzolds „Vertigo“ Variation besitzt eine gnadenlos spannende Ausgangslage: Nach dem Ende des 2. Weltkriegs kehrt Nelly (Nina Hoss) innerlich und äußerlich gebrochen dorthin zurück, wo einst ihr Zuhause war. Nach einer Operation ist sie innerlich und äußerlich noch nicht geheilt und so erkennt sie ihr Mann nicht wieder, hält sie für eine Fremde, die er zu einer Nelly verwandeln kann, um an ihr Erbe zu kommen. Petzold lädt diese Identitätsscharade im Kleinen und im Großen (Mikro und Makro) mit Bedeutung und emotionaler Intensität auf, die sich spätestens in der grandiosen Schlussszene entlädt.


Roma (2018) | R: Alfonso Cuarón
Verglichen mit der vorherigen Dekade, in der Alfonso Cuarón mit „Y tu máma tambien“ und „Children of Men“ gleich zwei Meisterwerke und ganz nebenbei auch den besten „Harry Potter“ Film abgeliefert hatte, mutet diese Dekade vergleichsweise bescheiden an. Und doch war Cuarón erfolg- und einflussreich wie fast kein anderer Filmemacher dieser Jahre. Die technologische Meisterleistung von „Gravity“ gab der VFX Industrie neue Impulse. Und mit „Roma“ unterstrich Cuarón, dass Netflix in einer schwieriger und mutloser gewordenen Kinolandschaft eine echte Alternative für die großen „Autorenfilmer“ sein kann. „Roma“ ist die autobiographisch gefärbte Geschichte einer Familie in Mexiko Stadt, genauer gesagt die Geschichte der Haushälterin dieser Geschichte, die als Hilfskraft, Putzfrau und Teilzeitmutter einen festen Platz im Netzwerk der Familie besitzt und doch nicht weiß, ob sie wirklich dazugehört. Nach Jahren mit Kamera-Genie Emmanuel Lubezki agiert Cuarón hier erstmalig als sein eigener Kameramann und serviert Sequenzen zum Niederknien, gestärkt von einer grandios authentischen Ausstattung und dem naturalistischen Spiel der Darsteller. Der große emotionale Ertrag kommt langsam, kommt schleichend, doch wenn er kommt ist er unfassbar groß.

Einleitung | Plätze 100 bis 86 | 85 bis 71 | 70 bis 56 | 55 bis 41 | 40 bis 26 | 25 bis 11 | Top 10

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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