„Gotham“: Kritik zum Auftakt (S01E01)

24. September 2014, Christian Schäfer

Im Piloten der US-Serie „Gotham“ lernen wir die zahlreichen Figuren kennen, die sich in der Prä-Batman-Ära in Gotham City rumtreiben. Mit der Ermordung von Thomas (Grayson McCouch) und Martha (Brette Taylor) Wayne beginnt für die Detectives James „Jim“ Gordon (Ben McKenzie) und Harvey Bullock (Donal Logue) ein neuer Fall und führt das ungleiche Ermittler-Duo quer durch die Stadt, in der kriminelle Machenschaften bereits zum Alltag gehören.

© Fox

© Fox

Vorweg: Dieser Artikel enthält Spoiler zum Handlungsverlauf der Auftaktfolge.

Somebody takes a cop’s gun, you shoot him. That’s basic.
Die beiden Hauptfiguren der Serie sind – wie bereits im Vorfeld bekannt gemacht wurde – unsere Ermittler Jim Gordon und Harvey Bullock. Jim ist noch relativ neu im Gotham City Police Department, während Harvey den routinierten Cop mit langjähriger Erfahrung mimt. Und Harvey ist über seinen neuen Partner nicht gerade glücklich, wie bereits anfangs deutlich gemacht wird als er von seiner Vorgesetzten Captain Sarah Essen (Zabryna Guevara) einen anderen Ermittlungspartner haben will – was Jim auch mitbekommt.
Jim ist der durch und durch aufrechte Polizist, der den Fall nicht nur für Bruce Wayne (David Mazouz) lösen will, sondern auch darauf achten muss, nicht vom rechten Weg abzukommen. Denn die Versuchung, dabei Harveys fragwürdige moralische Vorstellungen von Gerechtigkeit anzunehmen, ist groß und wird im Verlauf des Piloten immer wieder getestet. Anhand des Falles und seiner Verstrickungen kommen wir zusammen mit Jim immer mehr dahinter, wie tief das Geschwür des organisierten Verbrechens bereits in Gotham sitzt und wie weit die Obrigkeiten da mit drinstecken. Obermobster Carmine Falcone (John Doman) scheint da das Ende der Fahnenstange zu sein und erklärt die Lage in Gotham recht eindeutig: „You can’t have organized crime without law and order.“
Harvey Bullock ist längst mit diesem System vertraut. Er setzt bei den Ermittlungen auf Kooperation mit zwielichtigen Gestalten wie Fish Mooney (Jada Pinkett Smith), zu der er bereits seit Jahren gute Beziehungen hat. Er folgt den gegebenen Hinweisen, ohne weiter nachzufragen und ist mit der scheinbaren Auflösung des Falles zufrieden, warnt Jim sogar als neue Hinweise auftauchen, der Sache nicht weiter nachzugehen. Dennoch schlummert eine gute Seite in Harvey, denn als es für Jim brenzlig wird, eilt er zur Rettung und riskiert mitunter auch sein eigenes Leben für den neuen Partner. Er glaubt an ein „greater good“, für das man eben auch ab und an in Kauf nehmen muss, vom rechten Weg abzuweichen.

Gotham City
Die Stadt selbst fungiert als dritter Hauptdarsteller und wir bekommen so einige Ecken von Gotham zu sehen. Insgesamt könnte sie vielleicht ein wenig düsterer sein, aber an sich sorgen die zahlreichen Sets – vom Polizeirevier bis hin zu Fish Mooneys Club oder dem Schlachthaus – schon für eine passende Atmosphäre. Da ist das saubere und gepflegte Wayne Manor ein großer Gegensatz zu.
Im Laufe der Ermittlungen unserer beiden Protagonisten bekommen wir zudem viele Einwohner der Stadt zu Gesicht. Da wäre Selina Kyle (Camren Bicondova), die schon jetzt einen Hang zu Katzen hat und sich verstärkt für Bruce Wayne interessiert. Dialoge bekommt sie keine und weshalb sie nun den jungen Bruce im Auge behält, bleibt noch unklar. Sie hat den Mord an seinen Eltern beobachtet, könnte somit Hinweise zum wahren Täter haben. Etwas mehr Informationen gibt es bestimmt in der nächsten Folge, die nach der Figur benannt wurde.
Kurz zu sehen bekommen wir Edward Nygma (Cory Michael Smith), der die Polizei in Sachen Ballistik zu unterstützen scheint. Seine Angewohnheit, Informationen nur in Fragen bzw. Rätsel preis zu geben, wird auch gleich zur Schau gestellt. Wie bei vielen anderen Figuren auch, ist sein Kurzauftritt stimmig in die Geschichte hinein geflochten und wirkt weder aufgesetzt noch überflüssig. Gleiches gilt für die kleine Ivy Pepper (Clare Foley), die nur kurz am Rande der Geschichte vorkommt, weil ihr Vater Mario (Daniel Stewart Sherman) als Sündenbock für das Verbrechen an den Waynes herhalten muss – was er mit dem Leben bezahlt. Ivy wirkt in den kurzen Szenen, die wir sie zu sehen bekommen, recht verstört und seltsam. Eine andere Randfigur, die noch erwähnt werden sollte, ist der unbekannte Komiker (Jon Beavers), der im Club von Fish Mooney einen Probeauftritt gibt. Das war natürlich ein Wink in Richtung Joker und Fish schien recht angetan von seiner Darbietung zu sein (auch wenn der Witz nicht originell war).

Bruce Wayne
Nach dem Trailer-Material und dem Handlungsort Gotham City sollte klar gewesen sein, dass „Gotham“ eine Prequel-Reihe zur beliebten Comic-Figur Batman ist. Als solche wird ein junger Bruce Wayne und der Mord an seinen Eltern auch als Aufhänger benutzt und die Auflösung des Verbrechens ein wesentlicher Bestandteil der Handlungen sein. In erster Linie ist „Gotham“ damit ein Crime-Drama und wird auch als solches in Szene gesetzt.
David Mazouz spielt hier eine der wichtigen (Neben-)Figuren und das bekommt der junge Darsteller sehr überzeugend hin. Sein Aufschrei nach der Ermordung seiner Eltern durch den unbekannten Täter ging durch Mark und Bein (jedenfalls bei mir). Der Pilot lässt es sich auch nicht nehmen, bereits jetzt die Figur in die entsprechende Richtung zu entwickeln. Vielleicht passiert das alles schon ein wenig zu schnell, denn es ist bereits jetzt klar, weshalb Jim Gordon für den späteren Batman eine so wichtige Rolle spielen wird. Angefangen vom gut Zureden nach dem Mord, um dem Jungen Hinweise über den Täter zu entlocken, bis hin zum Versprechen, weiter nach dem Täter zu suchen, obwohl der Fall offiziell (mit einer Scheinlösung) geklärt wurde. Zudem weist die kurze Diskussion über das Thema Angst und wie man mit ihr umgehen sollte bereits in die Zukunft von Bruce.
Alfred Pennyworth (Sean Pertwee) ist selbstredend bei diesen Szenen anwesend und wird in kommenden Folgen vermutlich dazu beitragen, dass wir mehr von der Entwicklung des Bruce Wayne zu sehen bekommen – immerhin ist er jetzt für die Erziehung des Jungen zuständig. Pertwee passt dabei gut in die Rolle des Butlers, auch wenn es bislang noch nicht sehr viel von ihm zu sehen gibt.

© Fox

© Fox

Fishy Stuff
Auf der Seite der Bösewichte bekommen wir vor allem von Fish Mooney und Oswald Cobblepot (Robin Lord Taylor) viel zu sehen. Oswald gehört dabei zu Mooneys Gang, wird von seinen Kollegen aber nicht so richtig ernst genommen. Den Spitznamen „Pinguin“ hört er gar nicht gerne, es wird aber im Verlauf der Episode klar, weshalb er diesen Namen beibehalten wird. Oswald ist dabei das untere Glied einer Kette, die sich über Fish Mooney bis hin zu Carmine Falcone zieht. Während Falcone als Kopf der Bande ganz oben steht, streben seine Untergebenen den Aufstieg an. Oswald hat es auf die Position von Fish abgesehen und die wiederum ist auf die Position von Falcone scharf. Das bietet natürlich jede Menge Konfliktpotenzial innerhalb der eigenen verbrecherischen Reihen und wird bereits im Piloten in Angriff genommen.
Ohne Oswalds Verrat an Mooney wäre der Fall schließlich abgeschlossen gewesen und Jim hätte keinen Anlass gehabt, der Sache weiter nachzugehen. Unser angehender Pinguin schaufelt sich damit auch gleich das eigene Grab und kann dem Sensenmann nur knapp von der Klinge springen. Zudem ist sein Schicksal eng mit dem von Gordon verbunden, denn sollte er lebend in Gotham gesichtet werden, wird jedem der Beteiligten klar sein, dass Jim ihn nicht wie gefordert ins Jenseits befördert hat. In jedem Fall liefert Taylor aber eine grandiose Vorstellung und verleiht seinem Oswald genau die richtige Persönlichkeit für einen angehenden „Pinguin“.
Auch Smith macht ihre Sache gut. Fish Mooney fackelt nicht lange, wenn etwas nicht nach ihrer Nase läuft. Im einen Moment ist sie freundlich und hört sich seelenruhig Harveys Argumente für die Freilassung von Gordon an, im nächsten weist sie ihren Untergebenen Butch Gilzean (Drew Powell) an, beide Polizisten zu beseitigen. Ohne Falcone wären die beiden Cops da womöglich in der Wurst gelandet. Und der wird sicher auf der Hut sein und ein Auge auf Fish werfen – nicht nur, um seine Position zu halten, sondern auch, damit in Gotham alles weiter seinen „normalen Weg“ läuft.

Sonstiges
Auf Seiten der Polizei treten außerdem noch Crispus Allen (Andrew Stewart-Jones) und Renee Montoya (Victoria Cartagena) auf, die zur Major-Crimes-Abteilung gehören und Harvey scheinbar schon länger auf dem Kieker haben. Sie sind es auch, an die Oswald sich mit seinen Informationen wendet, wodurch der vermeintlich abgeschlossene Fall letztlich von Gordon neu aufgerollt wird. Es scheint also durchaus Polizisten in Gotham zu geben, die daran interessiert sind, ihren korrupten Kollegen das Handwerk zu legen – wozu ihnen bislang die Beweise fehlen. Hier könnten sich für Gordon Verbündete ergeben und etwas Unterstützung wird ihm sicher nicht schaden, denn so ganz allein steht er doch recht chancenlos dar.
Gordons Verlobte Barbara Kean (Erin Richards) spielt ebenfalls eine kleinere Rolle und scheint selbst ein Geheimnis vor ihrem Verlobten zu haben. Zumindest wird das aus dem Gespräch zwischen ihr und Montoya deutlich. Für Jim ist Barbara eine Art Stütze, die aber auch kritisch sein kann und Montoyas Vermutung über seine Involvierung im korrupten Polizeigeschäft gleich zur Sprache bringt.

© Fox

© Fox

Fazit: Es gibt sehr viel Stoff im knapp 50 Minuten umfassenden Piloten, der größtenteils sinnvoll verstrickt dem Zuschauer näher gebracht wird. Es dauert nicht lange bis man mitten im Geschehen steckt und sich zusammen mit Jim Gordon auf eine Erkundungstour von Gotham City und seinen Figuren begibt. Darstellerisch gibt es nichts auszusetzen, die Atmosphäre ist gut und optisch wird auch einiges geboten. Das Vorwissen um den Werdegang einiger Figuren bringt eine gewisse Vorhersehbarkeit mit, was aber nicht großartig stört. Mit Blick auf diverse andere Comic-Serien bietet „Gotham“ bereits mit der Auftaktfolge mehr als die Kollegen (in ihren jeweiligen Piloten), wirkt reifer, ernster und hat einen hohen qualitativen Standard.

8,5/10

Autor: Christian Schäfer

Der Serienjunkie der Redaktion. Geboren in einer kleinen Stadt im Bielefelder Raum, aufgewachsen mit Filmen und Serien, die auch während des Studiums und der anschließenden Promotion (Chemie) nicht vernachlässigt wurden. Zwei Jahre in Frankreich und vier Jahre in Italien konnten das nicht ändern. Heute trifft man "Clive" regelmäßig beim BG Kultkino oder virtuell auf BG im Forum - oft in der Serienecke, wenngleich da noch andere Rubriken sind, die er sehr aufmerksam verfolgt.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung