Mesters 2019 Rückblick + Lieblingsfilme

26. Dezember 2019, Christian Mester

Tatsächlich ist wieder eine Dekade vorüber, und die wird man wohl in erster Linie als die Marvel Dekade in Erinnerung behalten. Zwar startete das MCU schon 2008 mit Iron Man und Hulk, aber so wirklich festzementiert hat sich das ganze erst nach dem ersten Avengers Team-up, dass das Zeug wirklich bleibt, immer weiter kommt und nicht aufhören wird. Eigentlich hätte man meinen müssen, dass die Luft dann langsam raus ist und es nach einigen Nachzüglern langsam zuende gehen wird, aber nix da – da kamen sogar drei weitere Avengers Teile und noch etliche Einzelfilme, und sogar – wer hätte das gedacht – mit stets gleichbleibender Kompetenz.

Zweifellos ist es auch die Seriendekade geworden, da wie nie zuvor auf Serien umgeschwenkt worden ist. Liegt das an einer insgesamt höheren Serienqualität? Vermutlich nicht, auch wenn die höhere Popularität dank Prime, Netflix und Sky ohne Frage automatisch zu einem größeren Konkurrenzkampf untereinander und damit auch zu höherer Qualität zur Kundengewinnung geführt haben mag, aber ich vermute, dass es eher an Bequemlichkeit liegt. Jeden Abend ist es eine Challenge, geeignetes Material zu finden. Netflix brachte mit Always Be My Maybe, The Irishman, 6 Underground und Marriage Story verschiedene „größere“ Filme raus – aber bloß alle paar Monate. Funzt eine Serie, ist man direkt für mehrere Tage oder Wochen bedient, also ist das oft naheliegender. Selbst als Filmcineast schaut man meistens gen Serie, da eigentlich kaum ein Basisdienst große Bibliotheken älterer Filme (also vor 1999) zum Stöbern aufweist.

Wie dem auch sein mag, hier sind (unkommentiert) meine 10 Lieblingsfilme des Jahres:

© Balboa Productions

1. Le Mans ’66 – Gegen jede Chance (macht einfach irre gute Laune)
2. Once Upon a Time in Hollywood (QT, wie immer sensationell)
3. Parasite (clever, großartig inszeniert und packend)
4. Joker (als Comicfilm zu kleinkariert, aber als Psychodrama bombe, und Phoenix ist fantastisch)
5. Terminator: Dark Fate (eigentlich überflüssig und mit blödem Anfang, aber nonstop tippi toppi Action und Davis ist spitze)
6. Wir (schaurig und faszinierend)
7. Good Boys (rischtisch sympathisch)
8. Midsommar (originell und fies gruselig)
9. John Wick 3 (wicklich gut)
10. The Report

Sonst noch gut: Alita – Battle Angel, Spider-Man: Far From Home, Captain Marvel, Drachenzähmen leicht gemacht 3, Dumbo, Shazam, Mister Link, Ad Astra, Eighth Grade, Es 2

Nicht gesehen: Marriage Story: Portrait einer Frau in Flammen, Shaun das Schaf 2, After Passion, Recep Ivedik 6

Filme, die noch besser hätten sein können/müssen:

Creed II
Rocky 4 gehört zu den besten Rockys und besten 80er Filmen, für die 80er Musik, die epischen Trainingsmontagen, die Abschlussrede, dem melodramatischen Tod Apollos und der Überstilisierung Dragos als gefühlskarten Kommunismusübermenschen. Creed 2, der im Grunde Rocky 4 Teil 2 ist… ein okayer Boxfilm. Aber er hat all das andere halt nicht, und auch nicht den emotionalen Kern, der Creed zu einem echt guten Einzelfilm gemacht hat. Kommt noch einer? Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.

Rambo 5: Last Blood
Sorry, dass es schon wieder Sly ist, aber selbst ein bluttriefendes Finale mit dem heftigsten Bosskill der letzten Jahre kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Handlung selbst für einen Rambo zu einfallslos ist und – viel schlimmer noch – die Regie billig ausschaut. Rambo gegen ein Drogenkartell schreibt sich eigentlich von selbst, und hätte man Sachen wie Narcos und Sicario gesehen, hätte man gesehen, dass Last Blood so noch nicht wertig genug war. Klingt alles nach einem Kommt noch einer? Nach dem disaströsen Einspiel eher nicht zu erwarten.

The Irishman
Ja, Scorsese + Pesci + Pacino + Gangster + 3,5 Stunden Laufzeit müsste automatisch 9 von 10 bedeuten, aber meiner Meinung nach ist der Ire nicht mit den letzten Scorseses gleichauf. Es gibt einige echt brauchbare Momente, Pacino ist großartig, Pescis Rückkehr tut gut und auch De Niro war schon lange nicht mehr so interessiert an seinem Material, aber für fast 4 Stunden Laufzeit bietet der Ire einfach zu wenig. Konflikt mit Arbeitergewerkschaft wurde schon im Stallone FIST: Ein Mann geht seinen Weg (nicht zu verwechseln mit Bocky: Ein Mann steckt einen weg)(echter Filmtitel und ist echt mit Stallone) ganz ok umgesetzt. Der Regisseur von Goodfellas und The Wolf of Wall Street müsste das weit besser können.

Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers
Mittlerweile hat sich meine anfängliche Fassungslosigkeit zu einem fröhlicherem „whatever“ Lachen entwickelt. Ist ein unterhaltsamer Film mit herrlichem Käse geworden, aber sowohl als Abschluss der neuen Trilogie, wie auch als Abschluss der 9-Filme-Saga war das eindeutig komisch gewählt, gelinde gesagt. Und ja, das Hauptproblem ist nichtmal die Brotkrumenspur von 8, sondern die fahle Tatsache, dass sich vor Veröffentlichung von 7 ganz offensichtlich kein Mensch überlegt hat, wo das storytechnisch mal hinführen soll. Statt eines Films auf dem Niveau eines Die Rückkehr des Königs ist das nun sowas wie Hellboy: Call of Darkness geworden.

Friedhof der Kuscheltiere
Der Mega-Erfolg der Es Neuauflage hätte eigentlich jeder weiteren Kino Verfilmung in den Arsch treten müssen, aber dieser magere Nachzügler hatte bis auf eine niedliche Katze echt gar nichts zu bieten. Das hätte da mal besser verbuddelt bleiben müssen.

Happy Deathday 2U
Der erste Teil war ein schräg charismatischer Slasher- slash Und täglich grüßt das Murmeltiermix, der sich im zweiten leider irgendwie mehr in Richtung Sci-Fi Zeitreisekramsgedöhns verrennt. Hätte zusammen mit dem Kuscheltier-Remake verbuddelt bleiben sollen.

Es: Kapitel 2
Solides, wirklich gut gemachtes und top besetztes Ende, aber an die Atmosphäre und die bemerkenswerte erste Inszenierung von Pennywise kommt es dennoch nicht heran. Es ist somit gefühlt nicht die zweite Hälfte, sondern „bloß“ eine Zugabe, ein DLC Storypack. Ich denke, in Zukunft werde ich jeweils nur das erste Kapitel sehen.

X-Men: Dark Phoenix
Wie man ein Cinematic Universe auch mal völlig gelangweilt gegen die Wand brettern kann, zeigte diese belanglose Dark Phoenix Storyline Wiederholung, die es noch schlechter als der meist zu Unrecht verpönte X-Men 3 zuvor verschleddert hat.

(C) Disney

Die erfolgreichsten Filme des Jahres, laut Boxofficemojo.com zeigen etwas Besonderes:

1, 2, 3, 4, 5, 6 und 8 sind alles Disney Produktionen. (Ok, Spider-Man ist faktisch eine Disney/Sony Ko-Produktion), dennoch ist es schon auffällig, dass 8 von 10 der erfolgreichsten Filme vom gleichen Studio sind. Dass das auf Dauer problematisch ist, muss man wohl nicht erwähnen. Andererseits ist man selbst schuld, wenn man mit Kram wie Men in Black International an den Start geht und meint, damit das große Los ziehen zu können. Löblich ist, dass mit Joker ein kleines R-Rated Psychodrama in die Top 10 gekommen ist, auch wenn er das ohne die Batman-Popularität nie so geschafft hätte.

Filmtitelirrsinn:

Klar, die beiden größten Rätsel dieses Jahr waren ohne Frage die Eindeutschungen von „Toy Story 4“ zu „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ (der Untertitel ist akzeptabler Kokolores. aber wieso zur Knete heißt es jetzt „A“ Toy Story?) und „Dr. Sleep“ zu „Dr. Sleeps Erwachen“ (wieso nicht „Stephen King’s Dr. Sleep“ oder „Shining Kapitel 2: Dr. Sleep“???), aber der dümmste vergebene ist echt ein anderer: „Ready or Not – Auf die Plätze, fertig, tot“. Vielleicht wollte man damit einer möglichen Fugees Verfilmung entgehen, aber das ist mit Abstand das dümmste, was das Kinojahr hervorgebracht hat.

Die besten Filmszenen des Jahres?

– das würdige Finale von Avengers Endgame
– jede (!) Actionszene aus Terminator: Dark Fate
– Brad Pitts letzte Szene mit Tommy Lee Jones in Ad Astra
– die Flerken Katze in Captain Marvel
– die Wohnungsszene und der Talk Show Abend aus Joker
– die Gartenparty in Parasite
– der eine Cameo aus Always Be My Maybe
– Jesse Pinkman hilft Jesse Plemons in El Camino
– jede Al Pacino Meckerszene aus The Irishman
– John Wick, Halle Berry und die Schäferhunde legen los
– Hellboy kloppt sich mit Riesen
– die Hausbelagerung in Wir
– Bruce Lee, Flammenwerfer, und der Einbrecherbesuch aus Once Upon A Time in Hollywood sind alles drei super Szenen, aber ich leg noch Brad Pitts Besuch bei der Manson Family drauf

Ausblick 2020

Worauf ich mich freue? Ist ganz einfach

– 1917
– A Quiet Place 2
– Bill und Ted 3
– Black Widow
– Bloodshot
– Bond: Keine Zeit zu sterben
– Candyman Remake
– Dune
– Fast & Furious 9
– Ghostbusters 3
– Godzilla vs Kong
– Halloween Kills
– Knives Out
– Morbius, The Living Vampire
– Tenet
– The Eternals
– Top Gun 2: Maverick
– Under Water
– West Side Story Remake von Spielberg
– Wonder Woman 1984

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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