Voraussicht ist 2020: Filmhoffnungen fürs neue Jahr

12. Januar 2020, Christian Westhus

Ein neues Jahr ist angebrochen, ein neues Jahrzehnt sogar. Und natürlich kann man sich selten zu früh auf einen Film freuen. Nicht zuletzt das wollen wir hier schaffen, eine frühe Neugierde auf kommende Filme, um dann mit eben dieser Vorfreude ins Kino zu gehen (oder Netflix einzuschalten) und sich selbst ein Bild zu machen. Die BereitsGesehen Redaktion stellt hier einige der heißesten Tipps für 2020 vor.

Je nach geschmacklichen Vorlieben und je nach Interessensspektrum kann das mit der Vorfreude auch ein frustrierendes Spiel sein, wenn man z.B. mitansieht, wie der Rest der Welt bereits über ein Werk spricht, dieses sehen und darauf reagieren darf, während man noch Monate warten muss. Manchmal steigert sich dadurch aber auch die Intensität der Erwartungen, die Dringlichkeit, einen Film zu sehen. Heiß erwartete Deutsche Januarstarts, die z.B. in den USA noch Dezemberstarts (des vergangenen Jahrzehnts!) waren, sind entweder bereits angelaufen und gesehen (Knives Out) oder starten so bald (Little Women), dass ich sie hier eigentlich nicht erwähnen würde. Andere, wie z.B. ein neuer Film von Paul Thomas Anderson, sind noch so vage, ohne einen wirklich bekannten Inhalt, dass man noch nicht viel darüber sagen kann. Stattdessen möchte ich auf folgende drei Filme aufmerksam machen:
(Christian Westhus)

(C) Warner Bros.

TENET (ab 16. Juli)
Der offensichtlichste Titel zuerst. (Dune will erst noch gelesen werden.) Christopher Nolan gehört zu den wenigen überwiegend zuverlässigen und häufig sogar begeisternden Filmschaffenden, die Filme mit dreistelligem Millionenbudget drehen dürfen. Denn diese Filme sind zu häufig zu schwach und noch häufiger austauschbar mittelmäßig; zu nett und zu berechnend, um irgendjemanden wirklich auf dem falschen Fuß zu erwischen. Das ist bedauerlicher. Nolan, in all seiner auf Film gedreht/Imax Eigensinnigkeit, dreht Filme noch explizit fürs Kino, für die große (größte) Leinwand. Und das sieht man. Noch dazu hat er regelmäßig ungeheuer spannende Ideen. Wie genau diese bei „Tenet“ aussehen, ist auch nach einem Teaser und einem ersten Trailer noch nicht so ganz klar. Irgendwelche Agenten, die einen ominösen 3. Weltkrieg (liest jemand aktuell Nachrichten?) verhindern wollen und dabei offenbar irgendwelche Zeitmanipulationstechniken gebrauchen. Oder so. Es ist bisher nicht ganz klar, doch auch das macht diesen Film nur noch spannender, da zumindest für mich Nolans Spannungserhaltungsgrundsatz bezüglich Werbung und Spoiler deutlich besser funktioniert als z.B. der Mystery Box Erzählstil von JJ Abrams.

(C) Pandora Film Verleih

EIN VERBORGENES LEBEN (ab 30. Januar)
Streng genommen auch zu zeitnah, doch anders als „Little Women“ noch mehr unter dem Radar. Terrence Malick, der eigensinnige und einzigartige Regisseur von „In der Glut des Südens“, „Der schmale Grat“ und „The Tree of Life“, ist nach einer etwas experimentellen, etwas missglückten und ungewohnt produktiven 2010er Phase zurück bei historischen Filmen mit etwas klassischerer Dramaturgie, die er sodann mit seiner unnachahmlichen Art der Inszenierung in Dialog, Schauspiel, Kamera und Musik auflädt und – hoffentlich – zu einem intensiven Filmgenuss steigert. Zumindest lassen das Stimmen aus Übersee vermuten bzw. hoffen, die den Film bereits gesehen haben. Erzählt wird die wahre Geschichte des Österreichers Franz Jägerstätters (August Diehl), der im 2. Weltkrieg den Dienst an der Waffe und den Kriegseinsatz für die Nazis verweigert. Vielleicht hoffe ich auch einfach nur auf eine, sagen wir mal so, „bessere“ Alternative zum Thema als Mel Gibsons „Hacksaw Ridge“. So oder so lassen Trailer, internationale Reaktionen und die Kombination aus Besetzung, Geschichte und Regie einiges erwarten.

[BRAHMS: THE BOY 2
Kleiner Scherz. Doch ich komme einfach nicht darüber hinweg, dass es eine Fortsetzung zum recht öden und schnell vergessenen 0815-Grusler „The Boy“ gibt. Und das bei diesem seltsamen Namen der bedrohlichen Hauptfigur. Ihr hattet Angst vor Annabelle, nun kommt Brahms!]

(C) Svensk Filmindustri, Kinowelt/Arthaus

BERGMAN ISLAND (Noch ohne Termin)
Bei meinem Glück wird dies eher ein Fall für den Februar. 2021 versteht sich. Doch noch wird Mia Hansen-Løves neuer Film überall als theoretischer 2020 Start angegeben, mit der erwarteten Premiere für Cannes im Frühjahr. (Auch das garantiert keinen deutschen Start in diesem Jahr.) Was ist „Bergman Island“ und warum sollte das jemanden jucken? Nun, zunächst ist Frau Hansen-Løve („Eden“, „Alles was kommt“) eine der spannendsten und intelligentesten Filmemacherinnen aktuell, die ihre Geschichten und Figuren nicht nur mit einer selten erlebten psychologischen und auch philosophischen Tragweite erforscht, sondern auch ein Faible für erlebte und/oder vergangene Zeit hat. „Bergman Island“ schickt Mia Wasikowska, Tim Roth und Vicky Krieps (die Besetzung wäre alleine schon Grund genug für einen Kinobesuch) auf Fårö, der berühmten Insel der schwedischen Regieikone Ingmar Bergman. Ein amerikanisches Filmemacherpaar verbringt hier einen Sommer, um Drehbücher für ihre kommenden Filme zu schreiben. Bald scheinen Wahrheit und Fiktion zu verschwimmen, was nichts anderes heißt, als dass wir es mit einer „Persona“ Variation zu tun haben. Und für mich gibt es, nicht zuletzt durch die Regie und die Besetzung, wenig Spannenderes in der Theorie.

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Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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