Alternative Streaming Tipps: Sooner und die „besser als nix“ Streaming-Alternativen

29. Juli 2020, Christian Westhus

Mit SOONER ist ganz frisch eine europäische Streaming-Alternative am Markt erschienen, die den etablierten Platzhirschen um Netflix, Prime und Co. Paroli bieten will, indem man alternatives Angebot präsentiert.

© Sooner/ContentScope

Ganz frisch ist Sooner in Deutschland, Österreich und der Schweiz erschienen, um neue Streaming-Kunden zu gewinnen. Man wolle „den interessierten Usern eine Alternative zu den etablierten Streamingdiensten bieten“, sagt Andreas Wildfang von ContentScope, der deutsch-französische Firma, die Sooner betreibt. (Quelle) Daher liegt der Fokus bei Sooner insbesondere beim europäischen Film, bei internationalen Film, im Independent und Arthouse Kino, bei preisgekrönten Dokus und Erstausstrahlungen von Serien abseits des Mainstreams.
Wie bei der großen Konkurrenz kann man auch Sooner 14 Tage lang kostenlos testen und dann für 7,95€ monatlich (oder rund 60€ im Jahr) abonnieren. Auch ohne Abo kann man einzelne Filme auch leihen.

Beim ersten Stöbern fallen dann auch direkt ein paar sehenswerte Titel auf:

Da gibt es zum Beispiel etwas populärere Indie- und Euro-Toptitel wie Jim Jarmushs Vampirmeisterwerk „Only Lovers Left Alive“, das großartige Sozialdrama „Short Term 12“ (in gewisser Weise der amerikanische „Systemsprenger“), das bedrückende Familiendrama „The Broken Circle“ und das Denis Villeneuve Frühwerk „Die Frau die singt“.

Dafür, dass man sich insbesondere europäisches Kino auf die Fahne geschrieben hat, gibt es erstaunlich viele asiatische Perlen zu entdecken, darunter die kultverdächtigen Gangsterballaden von Seijun Suzuki „Branded to Kill“ und „Tokyo Drifter“, die einzigartigen Filme von Sion Sono („Guilty of Romance“, „Cold Fish“), „Still Walking“ und „Unsere Kleine Schwester“ des humanistischen Meisters Hirokazu Kore-eda, das kuriose Kino des Thailänders Apichatpong Weerasethakul in „Friedhof der Könige“, und der kunstvoll-sexuelle Kult-Anime „Belladonna of Sadness“.

Es gibt spannende deutsche und österreichische Titel wie Filmpreisgewinner „Gundermann“, das starke Krimidrama „Revanche“, Michael Hanekes „Die Klavierspielerin“, „Schrotten“, „ZWei Leben“, „Als wir träumten“, der eindringliche „Halt auf freier Strecke“ oder die französisch-schweizerische Koproduktion „Winterdieb“ mit Bond-Girl Léa Seydoux.

Für ganz neugierige gibt es hier auch die Möglichkeit, den indischen Film „Makkhi – Die Rache der Fliege“ zu sehen, in der ein Mann von einem Gangster getötet wird und als Hausfliege zurückkehrt, um tödliche Rache zu üben. Oder so.

Selber entdecken auf Sooner.de und weitere Tipps entdecken und austauschen im Forum.

Aber…
Aber ein paar kritische Worte müssen erlaubt sein. Wer ohnehin schon häufiger mal über den Streaming-Tellerrand schaut und auf der immerwährenden Suche ist, wird rasch feststellen, dass auch Sooner nach dem Prinzip Masse statt Klasse agiert. In den 500+ Filmen mag sich zweifellos das eine oder andere Indie- oder Low Budget Highlight verstecken, von dem man bisher noch nie etwas gehört hat. Doch ähnlich wie bei Netflix ist man auch bei Sooner sich selbst überlassen beim Stöbern. Das mag seinen eigenen Reiz haben und ist doch irgendwann müßig, wenn man nur nach vagen und oft widersprüchlichen Kategorien und Genres selektieren kann. Kuratiert wird die vielleicht feine Film- und Serienauswahl jedenfalls kaum.

Zudem fällt auf, dass Sooner und z.B. realeyz – inzwischen als Amazon Channel eingegliedert – ein frappierend ähnliches Angebot haben. Fast alle der erwähnten Tipps gibt es aktuell auf beiden Plattformen. Das ist an sich nicht weiter schlimm, jedoch bedauerlich, wenn sich ein neuer Streamingdienst als echte Alternative präsentiert. So ein paar Indie- und Arthousetitel findet man auch bei den Großen immer wieder. Abseits der ein-, zwei-, vielleicht dreihundert bekanntere Titel findet man bei Sooner zudem Titel (oder Titelbilder), die man in den tiefsten Prime-Untiefen, bei TVNow oder beim kostenlosen Anbieter Netzkino ebenfalls finden kann. Nur, ganz im Sinne des eigenen Anspruchs, nicht ganz so trashig und Genre-lastig wie z.B. Letzterer.

Dies führt zur unangenehmen und doch unvermeidbaren Frage, warum diese Streaming-Neulinge immer „nur“ halb gut sind, warum eben auch diese vermeintlichen Alternativen nur in vagen Ansätzen (wenn überhaupt) die Lücken schließen können, die bei Netflix, Prime und Co. offen bleiben. Disney+ mit seiner hauseigenen Auswahl und den eigenen Image-Grenzen mal außen vor gelassen, lautet der größte Kritikpunkt von Filmfans in Richtung Netflix und Prime doch seit Jahren: mehr alte Filme/Klassiker! Und mehr Internationales! Netflix hat einen ganzen Haufen Anime und karrt mittlerweile eifrig koreanische Serien herüber, doch es gibt noch so viel mehr außerhalb von Deutschland, Europa und den USA zu entdecken! Filme, die älter sind als 30 Jahre, kann bei Netflix an zwei Händen abzählen. (Mehr oder weniger.) Hier müsste eine Alternative in die Bresche springen und aushelfen. Nicht (nur) mit günstig abzugrabenen No-Budget Titeln, die selbst Festivalbesucher oftmals schon lange vergessen haben, sondern in der Art von „Turner Classic Movies“ oder des elitären „Criterion Channels“, den es in den USA gibt. Warum können sich nicht europäische DVD-Firmen wie Arrow und Arthaus zusammentun, um eben eine wirkliche Alternative für Geschmäcker und Interessen außerhalb des Netflix/Prime Mainstreams zu bieten? Die Antworten darauf (u.a. Geld und Rechte/Lizenzen) sind schnell gefunden und nicht zuletzt das Schicksal von „realeyz“ zeigt, dass auch ehrenwerte Projekte ihre Unterstützer in Form von Zuschauern brauchen. Und doch ist jeder neue Streamingdienst wie Sooner, der viel richtig zu machen scheint, aber auch eine Menge liegen lässt, ein neuer Grund, so eine Streaming-Utopie herbeizusehnen. Vielleicht wird sie irgendwann Wirklichkeit.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung