BG Kritik: „Moon Knight“ auf Disney+

8. Mai 2022, Christian Mester

Wer bisher der Meinung war, dass die zahlreichen Titel des Marvel Cinematic Universe inszenatorisch alle zu gleich ausfallen und den Machern zu wenig eigenständige Regiehandschrift erlauben, der sollte sich mal in die sandigen Mulbinden der neuesten Disney+ Serie hüllen. Der ungewöhnliche Mumienkrieger ist die bis dato wohl merkwürdigste Schöpfung der Marvel-Reihe.

Steven (Oscar Isaac) arbeitet im Museum und ist schon von Anfang an ein merkwürdiger Vogel. Hibbelig-nervös bangt er sich durch seinen Alltag, nur um sich nachts an seinem Bett festzuketten, da er scheinbar ständig schlafwandelt. Als er feststellt, dass er tatsächlich eine gespaltene Persönlichkeit hat, die in ein globales Abenteuer verstrickt ist, wird er unfreiwillig darin involviert. Nicht nur, dass er von der Gang eines tödlichen Gurus (Ethan Hawke) gejagt wird, lernt er auch noch echte ägyptische Götter wie eine Nilpferdfrau mit Piepsstimme kennen und erhält Superkräfte als legendärer Mumienwächter Moon Knight.

Die Kernprämisse ist gewiss noch relativ konventionell; Typ erhält besondere Mächte und ein schnittiges Kostüm, und muss damit einen Bösewicht davon abhalten, einen bedrohlichen Plan umzusetzen. Hat man schon tausend Mal gesehen. Was den „Moon Knight“ jedoch von den sonstigen Heroen unterscheidet, sind zwei Aspekte. Zum einen ist Stevens Verstand schlichtweg ein Faß ohne Boden. Ständig hat er gewaltige Blackouts und kann sich nur fragmenthaft erinnern, im späteren Verlauf landet er zudem (womöglich) in einer Psychatrie und weiß gar nicht mehr, was er noch glauben kann. Ähnlich wie in „Shutter Island“, „Memento“ oder „Butterfly Effect“ ergibt sich so eine ungemein spannende Inszenierung und Story-Schnitzeljagd, die man im MCU in dieser Tiefe noch nie gesehen hat. In vielen Szenen spricht Oscar Isaac mit seiner anderen Hälfte, und er ist großartig darin, sie unterschiedlich genug wirken zu lassen.

Der zweite Aspekt ist das ägyptische Setting des Ganzen. Es werden Pyramidengräber besucht, die Unterwelt, Monster greifen wie in „Das Relikt“ im Museum an, ägyptische Gottheiten mischen sich als Intriganten ein und es kommt sogar zu einem kaijuhaften Kreaturenduell a la „Assassin’s Creed: Origins“. Hinzu kommt auch, dass der Mulbindenkrieger der wohl sonderbarste Held bisher ist. In zwei verschiedenen Designs, als Art fliegende Mumie mit Cape und Baterangs und im maßgeschneiderten Anzug kloppt er sich ständig durch Handlanger, ist aufgrund von Stevens Unsicherheit aber oft auch völlig schusselig und unsicher.

Trotz der markanten Einzelaspekte hat die sechsteilige Serie jedoch auch einige Schwächen. Das Pacing ist oft durcheinander, wodurch manche Episoden ein wenig langatmig wirken können, darüber hinaus ist die Action nie wirklich spektakulär aufgezogen. Das war in „Hawkeye“ simpler, aber effektiv amüsant aufgezogen, und die „Falcon and the Winter Soldier“ Serie hatte zumindest die bemerkenswerte frühe Luft-Actionszene. Das sollte also besser nicht das Hauptinteresse an der Serie sein, denn cool ist der Moon Knight leider nie. Tonal bringt der häufige Stimmungswechsel auch unweigerlich Probleme mit sich, da oft zwischen Humor und Spannung hin- und her gewechselt wird, und das nicht immer gut harmoniert.

Fazit:

Der staubige Mumien-Tolpatsch „Moon Knight“ wäre für’s Kino so wahrscheinlich viel zu unkommerziell gewesen, von daher schön zu sehen, dass man sich wenigstens auf dem Disney+ Dienst ungewohnte Schritte traut und es dort eine Plattform für Versuche neuer Storyarten und obskurerer Comicfiguren gibt. Dennoch zeigt „Moon Knight“ ebenfalls exzemplarisch, was passieren kann, wenn man sich von der gewohnten Kurzweiligkeitsformel entfernt.

5/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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