Boyhood Regisseur dreht nächsten Film 20 Jahre lang

31. August 2019, Christian Westhus


Über zwölf (in Zahlen: 12) Jahre hinweg drehte Richard Linklater, Regisseur hinter der „Before“ Trilogie, seinen gefeierten Film Boyhood, der 2014 veröffentlich wurde. Natürlich wurde nicht zwölf Jahre lang am Stück gedreht, doch die erste Klappe der Dreharbeiten fiel im Frühjahr 2002, die letzte im Spätsommer 2013. Die Darsteller, darunter Ethan Hawke und Patricia Arquette, wurden vor unseren Augen älter, aus Kinderdarstellern wurden junge Erwachsene. Nun plant Linklater erneut einen Drehprozess dieser Art.

Linklater will zusammen mit Blumhouse Pictures, die überwiegend im Horrorgenre unterwegs sind, das von Stephen Sondheim entwickelte Musical „Merrily we roll along“ adaptieren, welches gleichzeitig eine Variation des gleichnamigen Theaterstücks von George S. Kaufman und Moss Hart. Sondheim ist eine Legende der Musicalgeschichte, schrieb als Musiker und Texer u.a. für „West Side Story“, entwickelte „A Little Night Music“, „Sweeney Todd“ und „Into the Woods“.
Die 20 Jahre gehören zur Handlung von „Merrily we roll along“, denn dort geht es um Franklin Shepard, einem ehemaligen Broadway Komponisten, der irgendwann alles abbricht, hinter sich lässt und sich nach Los Angeles aufmacht, um Filmproduzent zu werden. Auf dem Höhepunkt seines Hollywoodschaffens erinnert sich Shepard zurück an sein Leben und an den Weg, der ihn hierher führte. Für diese Filversion der Bühnenstory sollen laut Collider.com Ben Platt (Pitch Perfect) und Beanie Feldstein (Lady Bird, Booksmart) zentrale Rollen übernehmen, Platt vermutlich dann als Hauptfigur Shepard.

„Boyhood“ war enorm ambitioniert und darin so besonders, dass man lange Zeit mehr über den Entstehungsprozess sprechen konnte und wollte, als über den eigentlichen Film. „Merrily we roll along“ nun erneut in quasi-Echtzeit zu drehen, um einen natürlichen Alterungsprozess zu haben, ist ein enormes Wagnis. Bei „Boyhood“ war es insbesondere das Leben eines Kindes, welches wie erwähnt vor unseren Augen erwachsen wird. Dass man einen derartigen Prozess nicht mit Maske, Computern und mehreren Darstellern umsetzen wollte, erscheint noch sinnvoll. Doch „Merrily“ behandelt innerhalb der 20-Jahre Zeitlinie die Leben von jungen Erwachsenen und älteren Erwachsenen. Martin Scorsese drehte u.a. mit „Goodfellas“ und „Wolf of Wall Street“ mehrere Filme, die einen größeren zeitlichen Rahmen abdecken, aber in der Regel innerhalb eines Jahres gedreht wurden. Nun greift Scorsese für „The Irishman“ zu teurer Digitaltechnik, um seine Darsteller zu verjüngern, während Linklater mit seinen Darstellern altern will. Und offensichtlich geht der Regisseur davon aus, dass es in 20 Jahren noch eine Filmindustrie gibt, dass seine Darsteller noch Lust haben und dass die Welt noch existiert. Optimistischer Kerl, dieser Richard Linklater. Wir sehen uns dann im Jahr 2040.

(C) IFC Productions, Universal Pictures International

Verrückt, absurd oder einfach nur genau richtig, für eine solche Geschichte? Was denkst du?

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung