Christians Kolumne: Der Irrsinn deutscher Filmtitel

11. Januar 2019, Christian Mester

Eine Kolumne von Christian Mester, der den „Street Fighter“ Van Damme Filme im Kino gesehen hat.

Der neue „Toy Story“ heißt bei uns also „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“. Wer kam bitte auf die Idee, aus „Toy Story“ nun „A Toy Story“ zu machen? Hatte man Angst, Leute zu verschrecken, die die ersten Teile nicht gesehen haben? Ist ja schon eine Weile her – der erste ist von 1995 (Kendall Jenner ist 1995 geboren worden). Mags daran liegen, dass „Toy Story 3“ vor 8 Jahren nur auf Platz 14 der deutschen Kino-Jahrescharts landete (s. Inside Kino)? In den USA wirkte die saubere 3 im Titel anders, da landete der Film glatt auf Platz 1 der Jahrescharts (s. Box Office Mojo). Aber wieso dann „A Toy Story“? Klar war „Rogue One – A Star Wars Story“ 2016 der erfolgreichste Film in Deutschland, aber „Solo – A Star Wars Story“ landete 2018 nur auf einem jämmerlichen Platz 17. Und wer lässt sich wirklich davon reinlegen, dass „A Toy Story“ nicht doch ein untergeschobenes „Toy Story“ ist? Ist ja nicht so, als hätten Woody und Buzz plötzlich ein anderes Design.

Beim nächsten Teil der X-Men Saga läufts indes umgekehrt. In den USA heißt der Film „Dark Phoenix“, bei uns „X-Men: Dark Phoenix“. Was aber komisch ist: 2019 kommt noch ein zweiter X-Men Film: „The New Mutants“, über Mutanten, die in einem Labor eingesperrt sind. Der wurd bei uns aber nicht um das „X-Men“ ergänzt… komischerweise. Mags an Gerüchten liegen, dass der nicht gut geworden ist und man die X-Men Marke davor bewahren will?

Geschämt hat man sich wohl bei Disneys „Ralph reichts“. Da musste eine komplette Neulackierung her, weswegen der zweite Teil bei uns „Webcrasher: Chaos im Netz“ heißt. Bloß keinen Ralf mehr im Titel!

Was ist mit der Jack Sparrow Reihe? Der erste wurde als „Fluch der Karibik“ veröffentlicht. 2 heißt „Pirates of the Caribbean: Fluch der Karibik 2“ und die beiden weiteren „Pirates of the Caribbean: Untertitel“. Da hat man ab Teil 2 gemerkt, dass die Reihe eigentlich anders gelabelt werden sollte. So wars auch bei Rambo. Der erste hieß in den USA „First Blood“ (Erstes Blut), nach der Romanvorlage von David Morrell. Bei uns „Rambo“. In den USA hieß der zweite „Rambo: First Blood 2“, bei uns „Rambo 2: Der Auftrag“. Drei hieß drüben wie hier „Rambo 3“, obwohl es, wenn wir genau sind, eigentlich „First Blood 3“ sein müsste, da die Zahl ja bei First Blood stand. Und dann wurde der vierte in den USA „Rambo“ genannt, wie bei uns der erste. Also wurde bei uns ein „John Rambo“ draus (weil Stallone kurz davor auch „Rocky Balboa“ veröffentlicht hatte. Also hat Sly die Filme „Rocky“, „Rocky Balboa“, „Rambo“ und „John Rambo“. Super.).

Im letzten Herbst lief „Halloween“ an, die Fortsetzung von „Halloween“ aus dem Jahr 1978. Ok, genau genommen heißt das Original hierzulande „Halloween: Die Nacht des Grauens“, aber drüben in den Staaten heißen beide Teile gleich, so wie das Prequel von „The Thing“ auch „The Thing“ heißt (bei Netflix ist der komischerweise als „La cosa del otro mundo“ eingetragen).

Wenn man gleichmäßige Titel mag, muss man bei den Thor Filmen von Marvel eine Augenklappe kriegen. Der erste heißt „Thor“, immerhin. Der zweite in den USA „Thor: The Dark World“, bei uns aber „Thor: The Dark Kingdom“. Warum? War World ein zu schwieriges Wort? Die totale Krise darf man dann beim dritten Teil kriegen, der im Original „Thor: Ragnarok“, nach der Apokalypse aus der nordischen Mythologie, bei uns allerdings „Thor – Tag der Entscheidung“ heißt. Das heißt, wir haben in der gleichen Filmreihe einen deutschen und einen englischen Untertitel.

Selbiges passierte bei Transformers:
„Transformers“
„Transformers: Revenge of the Fallen“ („Transformers: Die Rache“)
„Transformers: Dark of the Moon“ („Transformers 3“)
„Transformers: Age of Extinction” („Transformers: Ära des Untergangs“)
„Transformers: The Last Knight“
Was denn nun? Hätte man nach 2 nicht Untertitel beibehalten können? Oder nach 3 reine Nummerierungen? Oder nach 4 zumindest deutsche Untertitel? The Last Knight ist ja kein Charaktername oder so, sondern bezieht sich auf den letzten Ritter der Transformers-Tafelrunde.

Die Lisbeth Salander Reihe hat stets 3 Titel pro Geschichte. So heißt das erste Buch beispielsweise in der Heimat „Män som hatar kvinnor“, wörtliche Übersetzung: „Männer, die Frauen hassen“. International kennt man den Film als „The Girl with the Dragon Tattoo“ (Das Mädchen mit der Drachentätowierung). Bei uns aber heißt der Film wie der Roman „Verblendung“.

Der dritte Alien heißt „Alien³“. Yep, „Alien³, nicht „Alien 3“. Also Alien hoch drei. Alien mal Alien mal Alien? Und wieso wurde die Fortsetzung von „Alien vs Predator“ „Aliens vs. Predator: Requiem“ genannt (man beachte das zusätzliche s)? Die Predator Reihe machts nicht viel besser. Im Original heißen 3 der 5 Filme „Predator“, „Predators“ und „The Predator“. Mega einfallsreich!

Der Terence Hill Filmtitel „Mein Name ist Somebody: Zwei Fäuste kehren zurück“ hat natürlich nichts mit dessen Originaltitel zu tun – und auch nicht mit seinen Klassikerfilmen wie „Mein Name ist Nobody“ oder „Vier Fäuste gegen Rio“. Es war ein Versuch, an die alten Erfolge anzuschließen, wohlwissend, dass der neue Hill tatsächlich ein kleines, herzliches Drama und keine Fun-Klopper-Blödelkomödie vom alten Schlag ist.

Schon gemerkt? Die letzten beiden Star Wars Episoden haben kein „Episode“ mehr im Titel. Ok, faktisch hatte der erste „Star Wars“ anfangs auch kein „Episode IV: Eine neue Hoffnung“ im Titel, das kam erst später. George Lucas merkte erst danach, dass er eine mehrteilige Reihe erzählen wollte, in der der erste Film Kapitel 4 von 9 sein sollte.

Ist „Blade Runner 2049“ die zweitausendachtundvierzigste Fortsetzung zu „Blade Runner“?

Besonders birnig wirkt es, wenn für englische Titel andere englische Titel gewählt werden. So etwa geschehen bei dem Joaquin Phoenix Film „You Were Never Really Here“, der bei uns „A Beautiful Day“ heißt. Der Tom Cruise Drogenkurierfilm „American Made“ hieß bei uns „Barry Seal: Only in America“, die Musikergeschichte „Begin Again“ mit Keira Knightley „Can A Song Save Your Life?“.

In Europa kennt man die „Avengers“ auch anders, denn die alte Kultserie „Mit Schirm, Charme und Melone“ hieß ebenso. Daher wurde der erste Teil der Heldenreihe überall zu „Marvel’s The Avengers“. Nicht, dass jemand entrüstet den Saal verlässt, weil Scarlett Johansson trotz schwarzen Leders nicht Emma Peel ist.

Manchmal sind es Begrifflichkeiten, die nur örtlich Sinn machen. „Stirb Langsam“ ist so eine Sache. In den USA heißt die Filmreihe „Die Hard“, was nicht „Stirb hart“ bedeutet. Es ist eine Redewendung für Sturheit. Ein die hard fan ist ein sturköpfiger Enthusiast, der sich von nichts abbringen lässt. So bezieht sich „Die Hard“ natürlich auf Sturkopf McClane, der sich trotz mehrfacher Bequasselversuche nicht zum Aufgeben bringen lässt. „Die Hard With A Vengeance“, Teil 3, bezieht sich indes auf Bösewicht Simon, da er der Sturkopf ist, der sich wegen des Mordes an seinem Bruder aus Teil 1 an McClane rächen will. „Live Free or Die Hard“ (Originaltitel von „Stirb Langsam 4.0“) meint das amerikanische Motto „Live Free or Die“, was sich darauf bezieht, dass man ohne Freiheit lieber sterben will. Da ist die deutsche Variante natürlich weit cleverer und aussagekräftiger, da sie den Hackerbezug schon im Titel hat.

ALSO WARUM?

Stellt sich also die Frage, wieso das gemacht wird. Wieso werden manche Filme so komisch übersetzt? Wieso bleibt man nicht konsequent bei 2, 3, 4, 5 etc? Wieso nehmen sie mal englische, mal deutsche Titel? Hier ein paar mögliche Antworten:

– viele Titel werden in Umfragen getestet, nach dem Motto, welchen Film würden sie eher sehen? Wenn die meisten „A Toy Story“ einem „Toy Story 4“ vorziehen, tendiert es eher dazu

– manchmal liegt es an wechselnden Marketingabteilungen. Lief Film 1 nicht so pralle, übernimmt womöglich eine andere Werbeagentur, die es anders macht, schon allein, weil man es nicht so machen will wie die vorherige (weil fuck die vorherige)

– manchmal gibt es schon einen eingedeutschten Titel für die Buchvorlage

– manche Titel werden nicht eingedeutscht, weil es eine internationale Werbeaktion mit einem großen Partner wie beispielsweise Cola gibt und die weltweit die gleiche Bezeichnung wollen, wie Godzilla z.B. der Werbung für Dr. Pepper und Nike gemacht hat

– Titelrechte sind in jedem Land unterschiedlich geregelt. Gut möglich, dass ein neuer gefunden werden muss, weil der schon einem Besitzer gehört und der keine Erlaubnis gibt

– manchmal ist es so, dass ein erster Film erscheint (sagen wir fiktiv, He-Man) und eine Privatperson oder Konkurrenzfirma rasch alle Domains mit den Folgetiteln kauft (also z.B. he-man2.de, he-man3.de usw.). In der Hoffnung, das Studio kaufe diese Domains für teures Geld ab. Anfang der 2000er wurde das sogar noch gemacht, mittlerweile geben sie aber lieber auf und suchen andere Titel

– so blöd es klingen mag, aber einige Filmtitel werden auch danach entschieden, was in dem Land die besten Google Suchbegriffe sind

EPILOG

Sollte es uns nicht eigentlich egal sein, wie die Titel am Ende ausfallen? Letzten Endes ist ja alles im Film selbst wichtig, nicht, wie er heißt, wie das Poster oder Cover aussieht, oder von welchem Studio er kommt. Wir hören hierzulande ja auch komplett eingedeutschte Texte mit den Stimmen anderer Sprecher, da kann man doch auch mit einem lokalisierten Titel leben.

Für Sammler wärs natürlich toll, gäb es in Reihen stets klare Nummerierungen. Zwar mögen wir selten die ordentlichsten sein, doch irgendwie hat es doch was Erfüllendes, klaren Linien zu folgen. Wer will schon bloß Teil 1, 2 und 4 im Regal stehen haben?

Als Cineast hat man derweil eher selten das Gefühl, dass Titelveränderungen zu mehr Einspiel führen. Als wenn ein „Transformers: irgendwas“ weniger Geld eingespielt hätte als ein „Transformers 3“. Hilft es Woody und Buzz denn wirklich, das „A“ vor den Titel zu stellen? Hilft es Woody und Buzz nicht viel mehr, vielversprechende Trailer und Kritikerempfehlungen zu kriegen?

Bei Reihen können sich Marketingteams letztendlich noch so sehr anstellen, egal in welcher Stilisierung oder Sprache ein neuer Teil kommt, wir ordnen das selbst ein. „Das Erwachen der Macht“ ist bei uns Episode 7, basta, auch wenns da nicht stehen mag. Streiten kann man eher darüber, ob „XXX: Die Rückkehr des Xander Cage“ nun Teil 2 oder 3 ist, oder ob „Freddy vs Jason“ oder „Alien vs Predator“ mit zu den jeweiligen Reihen gezählt werden sollten (ja? Oder ist „Prometheus“ „Alien 5“? Wenn nicht der, dann „Alien: Covenant“?).

In diesem Sinne, frohes Filme schauen!

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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