„Gotham“: Kritik zur Episode „Lovecraft“ (S01E10)
Mit der Folge „Lovecraft“ verabschiedet sich die US-Serie „Gotham“ in die Winterpause. Attentäter haben es auf Selina Kyle (Camren Bicondova) abgesehen und überfallen das Wayne Manor. Während Bruce (David Mazouz) und Selina auf der Flucht sind, versucht Alfred (Sean Pertwee) im Team mit Harvey Bullock (Donal Logue) die Kids vor Copperhead (Lesley-Ann Brandt) wiederzufinden. Jim Gordon (Ben McKenzie) ist derweil den Auftraggebern auf der Spur.
Vorweg: Dieser Artikel enthält Spoiler zum Handlungsverlauf der Episode.
Bruce und Selina
Es ist schon interessant, dass die Serie mit wenigen Folgen den Fokus nun auf Bruce Wayne und Selina Kyle gelegt hat und deren Verhältnis genauer unter die Lupe nimmt. Sah es letzte Woche noch relativ mau bei den beiden aus, funktioniert das Zusammenspiel diese Woche deutlich besser. Die knappe Flucht vor den Attentätern, die das Wayne Manor angegriffen haben, führt die beiden Heranwachsenden in die Stadt, wo es an Selina ist, die Führung zu übernehmen.
Willkommen in Gotham, Bruce! Durch Selina bekommt unser junger Milliardär zu sehen, wie es um das Leben der Straßenkinder bestellt ist und das funktioniert größtenteils auch besser als ihm beim heimischen Training zuzuschauen. Die Dialoge reichen dabei zwar von lächerlich bis bedeutungsvoll, aber mit Blick auf seine Zukunft als Batman wurde es höchste Zeit, dass er einmal die dunkleren Ecken von Gotham zu sehen bekommt. Darauf lässt sich besser aufbauen, was seine Entwicklung zum beliebten Superhelden angeht.
Schade war jedoch, dass sich sein bisheriges Training noch nicht auszahlen durfte. Er setzt sich zwar an einer Stelle gegen Copperhead zur Wehr, aber mit Blick auf „The Mask“, wo er Tommy (Cole Vallis) verprügelte oder auch die ganzen anderen Dinge, die er geübt hat, wie Luft anhalten, balancieren, etc., hätte es sich angeboten, ihn ein paar der Eigenschaften auch anwenden zu lassen. Gleiches gilt für Selina, die in der zweiten Episode noch einem Handlanger der Kindesentführer die Augen ausgekratzt hat und im Vergleich dazu diese Woche relativ zahm rüberkommt.
Erwähnenswert ist auch der kurze Auftritt von Ivy Pepper (Clare Foley), die inzwischen auf der Straße lebt (da haben wir wohl was verpasst). Glücklicherweise wurde hier auf die üblichen Anspielungen verzichtet – keine Pflanzen weit und breit zu sehen – so dass es lediglich zu einem kurzen Vorstellungsmoment zwischen Bruce und Ivy kommt, der aber schon aufzeigt, dass mit dem Mädchen etwas nicht stimmt. „Scary“ trifft es schon ganz gut.
Alfred und Harvey Bullock
Der eigentliche Star dieser Episode ist Alfred, der auch mit Bullock besser harmoniert als Jim es anfangs getan hat. Der Butler entpuppt sich hier als kleines Multitalent, weiß sowohl mit ein paar Kampfkünsten wie auch in den Dialogen zu überzeugen – egal, ob er kurz Butch (Drew Powell) aufs Kreuz legt, jemanden besticht oder Fish Mooney (Jada Pinkett Smith) mit einem Satz wichtige Informationen entlockt. Motiviert durch die Suche nach Bruce kennt Alfred keine Grenzen und es macht Spaß, ihm dabei zuzuschauen, auch wenn man teilweise ähnlich überrascht wie Harvey aus der Wäsche schaut.
Die Spurensuche gestaltet sich wie gewohnt recht einfach. Es geht von A über B nach C und echten Widerstand gibt es erst zum Schluss. In diesem Fall war das aber nicht weiter wild, denn Alfreds Anwesenheit lässt darüber hinwegsehen, dass unser Team selbstverständlich Bruce genau dort vorfindet, wo sie ihn vermuten – bei Selinas Dealer Clyde (Devin Harjes).
Der Abschluss dieses Handlungsstrangs, bei dem Bruce und Alfred sich in die Arme fallen und Selina dem jungen Milliardär noch einen Abschiedsbesuch inklusive Kuss verpasst, fühlte sich ziemlich rund an und war entsprechend stimmig für ein Midseason-Finale. Womit wir nun auch gleich zu den weniger tollen Momenten kommen.
Jim Gordon und Harvey Dent
Während Bullock mit der Suche nach Bruce beauftragt wird, macht Jim sich daran herauszufinden, woher die Attentäter überhaupt ihre Informationen hatten. Als potenzieller Drahtzieher liegt die Vermutung nahe, dass Dick Lovecraft (Al Sapienza) die Killer um Copperhead beauftragt hat. In diesem Zusammenhang darf zunächst Harvey Dent durch Inkompetenz glänzen, denn der war so frei, zu viele Informationen durch seine Kanäle an diverse Gangster weiterzugeben (Faceplam-Moment) – was überhaupt erst zu den Ereignissen dieser Woche geführt hat.
Dent macht die gesamte Episode über bei seinen Auftritten keinen guten Eindruck. Er bügelt seinen Fehler zwar zunächst wieder glatt und hat einige Vermutungen, wo Jim Dick Lovecraft finden kann (wieder einmal führt der Weg von A über B nach C). Aber am Ende ist noch nichts vom bissigen Anwalt zu erkennen, der dem Verbrechen den Kampf ansagt. Dent ist vielmehr ein Schosshündchen des Bürgermeisters (Richard Kind) und bietet diesem entsprechend nicht die Stirn sondern ordnet sich unter. Mit Blick darauf, dass Lovecraft sich außerdem nicht als Drahtzieher hinter den Auftragsmorden entpuppt, lag Dent zudem falsch mit seiner Vermutung, dass Dick etwas mit den Wayne-Morden zu tun haben könnte – ein weiteres Indiz, was gegen Dent als findigen Anwalt spricht.
Ein leichtes Stöhnen ließ sich auch nicht vermeiden, als Jim ganz alleine bei Lovecraft aufschlägt. Sicher, von seinen Kollegen um Captain Essen (Zabryna Guevara) kann er kaum auf Unterstützung hoffen, da der Wayne-Fall offiziell geschlossen wurde. Dennoch hätte er zumindest bei Bullock mal nachfragen können, ob der ihm nicht den Rücken deckt. So aber wurde Jim alleine von Copperhead und ihrem verbliebenen Gefolgsmann bei Dick überrascht und zeigt diesmal auch weniger Durchsetzungsvermögen im Kampf als noch zwei Episoden zuvor in „The Mask“. Das Ende vom Lied: Dick tot in der Badewanne, erschossen mit Jims Dienstwaffe.
Der wahre Drahtzieher bleibt somit weiterhin im Dunkeln und eine Rückkehr von Copperhead ist wahrscheinlich. Dass Lovecraft sich als Finte für den Zuschauer entpuppt, war eine eher angenehme Überraschung, zumal wir ihn auch nie wirklich kennen gelernt haben. Typisch Gotham bietet der Titel der Episode wieder nur wenige Szenen mit der besagten Figur. Diese Tradition wird also fortgesetzt.
Was das Ende und die Versetzung von Jim zum Arkham Asylum angeht, kann man wieder nur mit dem Kopf schütteln. Bei anderen Fällen wird alles schnell unter den Teppich gekehrt, aber beim „Selbstmord“ eines bekannten Gangsters muss natürlich Bürgermeister James Konsequenzen austeilen. Interessant übrigens, dass er Polizisten ohne weiteres zum Wachdienst in eine Irrenanstalt verfrachten kann. Wo ist dann die nächste Station? Als Müllmann auf der Deponie? Sinniger wäre wohl eher gewesen, Gordon für eine bestimmte Zeit an den Schreibtisch zu setzen und nicht mehr auf Streife zu lassen. Aber gut, somit kann uns nach der Winterpause zumindest Arkham vorgestellt werden.
Mob
Von Oswald Cobblepot (Robin Lord Taylor) gibt es diese Woche nicht viel zu sehen. Er wird von Falcone (John Doman) zum Überfall auf dessen Geldreserven befragt, braucht seinen Trumpf mit dem Wissen über Liza (Makenzie Leigh) aber noch nicht ausspielen. Es gelingt ihm auch so, Carmine zu überzeugen, dass ihm aus den eigenen Reihen zugesetzt wird, worauf die Nummer eins von Gothams Mob zur Abwechslung einmal nicht den großväterlichen Lehrer raushängen lässt, sondern zeigen kann, weshalb er an der Spitze der Organisation steht. Die Szenen beim gemeinsamen Essen konnten selbst Fish Mooney beeindrucken, auch wenn es dort unter der Oberfläche sicher weiter brodelt.
Somit bleibt bei diesem Handlungsstrang noch einiges offen und wir können uns darauf freuen, wie der Machtkampf um die Spitze nach der Winterpause weitergeht und wie es Oswald gelingen wird – oder nicht? – sich weiterhin durch die Reihen durchzumogeln und alle gegeneinander auszuspielen.
Sonstiges
Edward Nygmas (Corey Michael Smith) kleiner Auftritt war mal wieder „weird“. Barbaras (Erin Richards) Abwesenheit fiel positiv auf – das ist ohnehin momentan der Handlungsstrang, der gerne unter den Teppich gekehrt werden könnte.
Eindruck nach der ersten Staffelhälfte: Im Großen und Ganzen bleibt die Serie bislang noch sehr oberflächlich, bedient sich hauptsächlich bei Anspielungen auf Figuren, die es vermutlich nie (im Kostüm) zu sehen geben wird und hat noch einiges an Luft nach oben. Da muss sich nach der Winterpause auf jeden Fall noch was tun, denn bislang gab es mit „Penguin’s Umbrella“ gerade mal ein Highlight – und das bei zehn ausgestrahlten Folgen. Grundsätzlich sind die Episoden zwar in Ordnung, aber die meisten Figuren haben noch nicht viel Fleisch auf den Knochen, da fällt es entsprechend schwer, mit ihnen mitzufiebern oder Sympathien zu entwickeln (beziehungsweise im anderen Fall die Figuren zu hassen).
Fazit: „Lovecraft“ liefert zwar dank einiger merkwürdiger Entwicklungen in Sachen Jim Gordon und Harvey Dent keine herausragende Episode ab, hat dafür aber mit den Strängen um Alfred und Bullock sowie Selina und Bruce zumindest das Zeug dazu, eine der besseren Folgen zu sein. Für ein Midseason-Finale hätte sich allerdings etwas mehr erwarten lassen.
7/10 Leichen am Tisch
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