„Mr. Robot“: Kritik zur ersten Staffel
Ungleich anderer (wöchentlicher) Reviews wird in diesem Artikel nicht (oder nur sehr wenig) gespoilert. Es soll lediglich darum gehen, was die Serie in der ersten Staffel ausmacht und weshalb sie etwas Besonderes zwischen den ganzen Neustarts dieses Jahres darstellt.
Worum geht es überhaupt?
Im Mittelpunkt von „Mr. Robot“ steht Elliot Alderson (Rami Malek), ein junger und sehr fähiger Computerprogrammierer mit Persönlichkeitsstörungen, der eines Tages vom titelgebenden Mr. Robot (Christian Slater) für die anarchistische Hackergruppe fsociety rekrutiert wird. Obwohl Elliot für die Cyber-Sicherheitsfirma Allsafe arbeitet, die zum großen Konglomerat E Corp gehört – eines der Angriffsziele von fsociety – ist Mr. Robots Angebot sehr verlockend für Elliot. Denn das Unternehmen E Corp (in der Serie stets Evil Corp genannt) hält 70 Prozent der globalen Kredite, die digital gespeichert sind. Ein Angriff darauf könnte die größte Kapitalumverteilung der Menschheit bedeuten und käme vor allem dem „kleinen Mann“ zugute, der vor Schulden nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht.
Abgesehen von dieser großen Prämisse folgen wir Elliot auch durch die Höhen und Tiefen seines persönlichen Lebens und bekommen seine Sicht der Dinge durch zahlreiche Voice-Overs erklärt – denn Elliot lebt größtenteils isoliert von der Außenwelt, redet nicht viel, hat neben seiner Kollegin und Freundin aus Kindheitstagen Angela Moss (Porita Doubleday) kaum soziale Kontakte, leidet unter Angstzuständen, die er mit Morphium zu verdrängen sucht und überwacht in seiner Freizeit Menschen, um sie vor Bedrohungen zu schützen oder aber, um sie zu ruinieren, sollten sie in seinen Augen eine Bedrohung für andere darstellen.
Wissenswertes
„Mr. Robot“ wurde ursprünglich als Film konzipiert und von dem ägyptischstämmigen Sam Esmail geschaffen, der bislang noch keine große Filmographie vorweisen kann – der einzige bedeutsame Eintrag dürfte der Film „Comet“ von 2014 sein, bei dem Esmail das Drehbuch schrieb und auch Regie führte. Für die erste Staffel von „Mr. Robot“ schrieb Esmail insgesamt fünf Episoden (1×01-1×03 sowie 1×09 und das Staffelfinale 1×10) und führte bei drei Folgen Regie (1×01, 1×07 und 1×10). Als Inspiration zur Serie dienten Esmail in Teilen sowohl die Hackerkultur als auch der Arabische Frühling.
Der Auftakt kam bei den Kritikern sehr gut an und wurde vor allem für die Darsteller, die Cinematographie und die technische Korrektheit (in Bezug auf die gezeigten Computer-Aktionen) gelobt. Bei rottentomatoes.com steht die erste Staffel momentan bei 98% und einem Durchschnittswert von 8,1 von 10 Punkten. Es heißt, „Mr. Robot“ sei „ein spannender Cyber-Thriller mit aktuellen Geschichten und einer faszinierenden, provokanten Prämisse.“
Was macht die Serie so besonders?
An erster Stelle muss man hier Rami Malek nennen, der uns als Elliot von Anfang an in seinen Bann und seine Welt hineinzieht. Elliots Freizeitaktivitäten, bei denen er Leute durch ihre Internetaktivitäten bloßstellt (wie im Auftakt zum Beispiel den Betreiber eines Kinderpornographie-Portals), haben etwas von einem modernen Robin Hood, dessen Sherwood Forest das World Wide Web darstellt. Aber die Figur hat dabei nicht nur positive Seiten. Elliots Drogensucht und mangelnde soziale Fähigkeiten sorgen immer wieder dafür, dass es für den Zuschauer neben den angenehmen auch unangenehme Überraschungen gibt und die uns vor die Frage stellen, ob wir tatsächlich mit ihm und seinen Handlungen sympathisieren. Vielschichtigkeit, ein Held mit ernsthaften Problemen und einer ganz besonderen Sichtweise auf sein Umfeld definieren die zentrale Figur.
Elliot fungiert außerdem als derjenige, der uns durch zahlreiche Voice-Overs seine Geschichte erzählt. So ziemlich jede Handlung, jede Figur und jedes Umfeld bekommen wir aus seiner Sicht präsentiert, was nicht selten für ein verzerrtes Bild der Serienrealität sorgt und viel Raum für Interpretationen lässt. So wird beispielsweise E Corp nicht nur von Elliot, sondern auch von allen anderen Figuren als „Evil Corp“ bezeichnet – obwohl die Mitarbeiter und Konzernbosse wohl kaum diesen Ausdruck gebrauchen würden. Mit anderen Worten: Wir können uns nicht darauf verlassen, ob wir bei den verschiedenen Handlungen und Dialogen tatsächlich das zu sehen und zu hören bekommen, was gerade passiert oder ob wir lediglich den Gedankengängen der Hauptfigur folgen.
Aber auch die anderen (Haupt-)Figuren sind nicht minder interessant. Nennenswert sind hier neben Slaters Mr Robot die Hackerin Darlene (Carly Chaikin), Angela Moss und Tyrell Wellick (Martin Wallström), der gerne an die Spitze von E Corp gelangen würde. Diese vier Figuren sind es auch, die am häufigsten und bedeutsamsten Kontakt mit Elliot haben und allesamt ihre eigenen kleineren und größeren Handlungsbögen zur Geschichte beisteuern.
Während Wellicks Ambitionen und Aktionen stark an einen gewissen Patrick Bateman aus „American Psycho“ (2000) erinnern – wobei dessen Frau Joanna (Stephanie Corneliussen) nicht minder ehrgeizig ist – entpuppen sich Mr Robot und Darlene im Serienverlauf auf viel intensivere Weise mit Elliot verbunden als es sich zunächst erahnen lässt. In Bezug auf die beiden werden in den letzten Episoden der Staffel geradezu atemberaubende Enthüllungen gemacht, die den Zuschauer mit einem großen WTF? im Kopf zurücklassen.
Ganz ohne negative Kritik geht es an dieser Stelle allerdings auch nicht. So sind beispielsweise die Nebenfiguren, die ebenfalls zur fsociety gehören und eine kleinere Bedeutung als Mr. Robot und Darlene haben, eher klischeehafte Abziehbilder als eigenständige Figuren. Wir sehen ihnen auch kaum dabei zu, wie sie ihren illegalen Computeraktivitäten nachgehen, die sie angeblich so gut beherrschen sollen. Mit Blick auf die zuvor genannten Charaktere lässt sich dieses Manko aber leicht verschmerzen.
Hackerkultur
Serien oder auch Filme, die sich mit Computermanipulationen und Hacking beschäftigen, lassen den halbwegs computerversierten Zuschauer häufig mit den Augen rollen. Da wird auf dem Keyboard herumgehackt, wilde Zahlenkolonnen fliegen über den Bildschirm, die Figuren reden etwas Technik-Kauderwelsch und plötzlich ist eine fast unmögliche Aufgabe auf wundersame Weise gelöst worden. Wer sich schon mal eine Serie wie „CSI: Cyber“ oder „Scorpion“ angesehen hat, weiß sicher, wovon ich rede.
In „Mr. Robot“ läuft die Sache anders. Hier sind die Bildschirme nicht blank, wenn die Darsteller davorsitzen und die Zahlenkolonnen werden nicht in der Postproduction eingefügt. Wenn von DDoS-Attacken, dem Tor-Netzwerk, Rootkits oder Würmern gesprochen wird, wirkt das authentisch und nicht als Verwirrungsmethode für den Zuschauer – obwohl diverse Begriffe sicher trotzdem für Fragezeichen im Kopf sorgen, wenn man sich weniger gut mit der Materie auskennt.
Elliot nutzt sehr häufig die sozialen Netzwerke, um mehr über die Figuren in seinem Umfeld zu erfahren und die Informationen, die er dabei zu Tage fördert, lassen sich vermutlich tatsächlich durch Hacks von Facebook-Accounts und dergleichen finden. „Mr. Robot“ zeigt uns, wie gefährlich es für die Privatsphäre sein kann, wenn man zu viel im Internet von sich preisgibt – ein aktuelles Thema, was auch immer wieder seinen Weg in unsere Medien findet.
So gut und realistisch die Serie das alles aber auch hinbekommt, gibt es dennoch auch hier ein wenig Anlass zur Kritik. So werden – wie im Staffelauftakt gezeigt – die Behörden wohl kaum mit heulenden Sirenen bei jemandem aufschlagen, der angeblich mit kinderpornographischem Material zu tun hat. Solche Leute will man auf frischer Tat ertappen – nach Möglichkeit, wenn sie gerade vor ihrem Rechner sitzen, dessen IP-Adresse man nach langen Recherchen zu einem bestimmten Ort zurückverfolgt hat. Laute Sirenen und blinkende Lichter sind da nicht hilfreich, geben dem Täter eine Warnung und im schlechtesten Fall genug Zeit, um das zu tun, was Elliot uns auch in diversen Episoden vorführt: Die Daten zu löschen und die Beweise zu zerstören.
Auch erscheint die Methode, mit der die Mitglieder der fsociety miteinander kommunizieren – im echten Leben und niemals online – keineswegs die sicherste zu sein. Es wäre relativ einfach möglich, durch ebenso normale Ermittlungsarbeit wie eine Beschattung ihren Standort ausfindig zu machen.
Es bleibt also, was die Hackerkultur angeht, noch ein bisschen Luft nach oben in Sachen Glaubwürdigkeit. Was aber nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass es sich dabei eher um Kleinigkeiten handelt, die im Schatten der sonst großartigen Arbeit der Serienautoren stehen.
Fazit: „Mr. Robot“ zieht den Zuschauer von der ersten Minute an in seinen Bann, besticht durch seine Erzählweise, der darstellerischen Leistung von Rami Malek und einer authentisch und aktuell erzählten Geschichte, die es in dieser Form noch nicht zu sehen gab. Beim Schauen fühlt man sich an Filme wie „Fight Club“ (1999), „American Psycho“ (2000) oder gar „Taxi Driver“ (1976) erinnert – allerdings ohne den Eindruck zu erwecken, es hier mit simpel kopierten Prämissen zu tun zu haben. Denn die Serie ist, was Originalität angeht, ganz oben dabei.
9,5/10 Überraschungsmomente
Is it that we collectively thought Steve Jobs was a great man, even when we knew he made billions off the backs of children? Or maybe it’s that it feels like all our heroes are counterfeit? The world itself just one big hoax, spamming each other with our burning commentary bullshit, masquerading this insight; our social media faking this intimacy. Or is it that we voted for this? Not with our rigged elections, but with our things, our property, our money. I’m not saying anything new, we all know why we do this, not because Hunger Games books makes us happy, but because we want to be sedated. Because it’s painful not to pretend, because we’re cowards. Fuck society. – Elliot Alderson.
Zur Registrierung