„Gotham“: Kritik zur Episode „Penguin’s Umbrella“ (S01E07)

4. November 2014, Christian Schäfer

In der Folge „Penguin’s Umbrella“ der US-Serie „Gotham“ gibt es ausnahmsweise mal keinen Fall der Woche. Für Jim Gordon (Ben McKenzie) ist nach den Ereignissen der letzten Episode die Lage brenzliger denn je.

© Fox

© Fox

Vorweg: Dieser Artikel enthält Spoiler zum Handlungsverlauf der Episode.

Gamechanger?
Nachdem Oswald Cobblepot (Robin Lord Taylor) überraschend im Polizeirevier aufgekreuzt und offensichtlich nicht tot ist, wird die Verhaftung von Jim durch Crispus Allen (Andrew Stewart Jones) und Renee Montoya (Victoria Cartagena) obsolet und Gordon hat sich in den Augen der MCU rehabilitiert. Allerdings kommt Jim durch diese Offenbarung nur vom Regen in die Traufe, denn nun weiß auch der Mob, dass er Falcones (John Doman) Mordauftrag nicht ausgeführt hat.
„Gotham“ zieht mit dieser Episode ordentlich das Tempo an und wie zu erwarten war, denkt Jim überhaupt nicht daran, den drohenden Konfrontationen auszuweichen. Im Gegenteil: Wenn er schon nicht mit dem Leben davon kommen sollte, will er wenigstens dabei die Spitzen der Korruption – in diesem Fall den Bürgermeister Aubrey James (Richard Kind) und Carmine Falcone – hochnehmen beziehungsweise deren Taten ins Licht der Öffentlichkeit rücken.
Obwohl durch den Prequel-Charakter der Serie nicht damit zu rechnen ist, dass Gordon tatsächlich stirbt, liefert „Penguin’s Umbrella“ eine spannende Geschichte, die serieller kaum sein könnte. Dazu gehört eine ordentliche Schießerei, eine beinahe tödliche Konfrontation mit Harvey Bullock (Donal Logue) und ein überraschendes Ende beim Mobster-Chef persönlich, wobei für den Ausgang wieder einmal Oswald verantwortlich ist, dem offensichtlich einiges an Jim liegt.
Das Ende ist es auch, was sich noch am meisten kritisieren lässt. Da hätten wir Barbara (Erin Richards), die von Gordon aus der Stadt geschafft wird, nachdem er gerade noch verhindern konnte, dass sie in seinen Kampf mit dem Mob hinein gezogen wird. Und was macht die Dame? Sie kommt natürlich umgehend zurück und wird – offscreen – von Carmines Handlanger Victor Zsasz (Anthony Carrigan) abgefangen. Dieser Twist lädt zum Augenrollen ein, liefert er Carmine doch den klischeehaftesten Trumpf, mit dem er Gordon letztendlich bezwingt und die eigene Verhaftung verhindern kann.
Die zweite Überraschung war da schon gelungener. Carmine lässt Gordon, Barbara und Harvey einfach von dannen ziehen und zieht den Mordauftrag zurück – sehr zum Staunen des Zuschauers – und auch Victor wirkt ziemlich ungläubig. Die letzten Szenen klären auf und liefern dabei eine uns vorenthaltene Szene aus dem Piloten: Oswald hatte darum gebeten, von Jim erschossen zu werden und, sollte Gordon ihn davon kommen lassen, sich Falcone als Spitzel angeboten. Das rückt die ganzen vorherigen Episoden in ein anderes Licht, genauso wie die Ereignisse in „Penguin’s Umbrella“. Mit Oswald als Spitzel in Maronis (David Zayas) Reihen und dem Wissen, dass Fish Mooney (Jada Pinkett Smith) mit Nikolai (Jeremy Davidson) unter einer Decke steckt und seinen Fall planen, hat Falcone alle Trümpfe in der Hand. Abgesehen vielleicht von Liza (Mackenzie Leigh), über deren Spitzelei er noch nicht informiert ist.
Einen Gamechanger bekommen wir damit aber nur bedingt serviert. Die Machtverhältnisse wurden zwar ordentlich durchgeschüttelt, aber Gordon findet sich letztlich dort wieder, wo er bereits zu Anfang stand und die Serie kann nun wieder zum Fall-der-Woche-Schema übergehen.

© Fox

© Fox

James Gordon
Mit dem Fokus auf Jim gibt es einige Fortschritte zu verzeichnen. Vor allem seine Zusammenarbeit mit Harvey wird nach dieser Folge besser gefestigt sein. Mit Blick auf den Kampf am Anfang und die Entwicklung bis zum Team-up gegen Ende ist Harvey auch deutlich sympathischer geworden und wird in Zukunft vielleicht weniger griesgrämig und mit mehr Elan der Polizeiarbeit nachgehen.
Auch von den anderen Kollegen wird Gordon wohl mehr Unterstützung bekommen. Als Victor in die Zentrale stürmt und Gordons Auslieferung verlangt, machte sich schon ein Zögern bei den Polizisten bemerkbar, die erst nach erneuter Aufforderung den Raum verließen. Captain Essen (Zabryna Guevara) hätte sogar gemeinsam mit Jim Widerstand geleistet, was sich ein paar Folgen zuvor sicher noch anders gestaltet hätte. Jims Aufrichtigkeit scheint also langsam auch bei den Kollegen Eindruck zu schinden und ein Umdenken zu bewirken.
Nicht zuletzt hat Gordon seinen Namen bei der MCU rein gewaschen und kann in Zukunft auf Crispus Allen und Renee Montoya zählen, was ein weiterer Pluspunkt sein dürfte. Apropos Allen und Montoya, die Szenen mit Bruce Wayne (David Mazouz) und Alfred (Sean Pertwee) hätte man sich diese Woche eigentlich sparen können, da steckte kein großer Mehrwert drin.

Mob
Mit dem geheimen Pakt zwischen Falcone und Cobblepot kam ordentlich Schwung in die mafiösen Geschäfte und Verhältnisse. Abgesehen vom Neuzugang Victor Zsasz haben sowohl Maronis Handlanger Frankie (Danny Mastrogiorgio) und Mooneys (nicht mehr so heimlicher) Komplize Nikolai ihren Abschied genommen. Und beim drohenden Krieg der beiden Köpfe von Gothams Mafia steht einmal mehr Oswald Cobblepot im Mittelpunkt.
Mit der Offenbarung am Schluss entpuppt sich Carmine dabei als geschickter Drahtzieher und Gewinner der dieswöchigen Auseinandersetzungen – wobei weder Salvatore Maroni noch Fish Mooney davon wissen. Ein wenig schade ist vielleicht nur, dass die Auseinandersetzungen nicht von langer Dauer sind. Somit wird passend zum Episodenende der Status Quo vorerst wieder hergestellt, wenn auch mit leicht veränderten Machtverhältnissen – ob sich wohl die Müllhalde Indian Hill tatsächlich als wertvoll entpuppt?
Ein kleineres Highlight ist die Art und Weise, wie Oswald sich dem ihm gegenüber weniger freundlich gesinnten Frankie entledigt – „your greatest passion becomes your greatest weakness“ – und damit zu Maronis innerem Kreis aufsteigt. Einen guten Bösewicht gibt außerdem Carmines Handlanger Victor ab (Carrigan war kürzlich auch in der ebenfalls neuen DC-Serie „The Flash“ zu sehen), von dem wir sicher noch mehr erwarten dürfen.
Insgesamt wissen die Geschehnisse innerhalb der Mafia-Ränge zu gefallen und mit den neuen Informationen kann man mit Spannung erwarten, wie es an dieser Front weitergehen wird.

Sonstiges
Die anderen Handlungsstränge und Nebenfiguren bleiben diese Woche außen vor. Keine Selina Kyle, kein Edward Nygma, kaum Bruce Wayne und Alfred und kein Fall der Woche – das macht sich durchaus positiv bemerkbar und lässt die Episode intensiver wirken.
Tonal hat sich die Serie aber immer noch nicht gefunden. Auch wenn es momentan in Richtung ernsthaftes Crime-Drama läuft, kann nächste Woche wieder ein eher comichafter und kurioser Fall der Woche auf uns lauern. Einerseits ist das natürlich abwechslungsreich, andererseits vielleicht nicht jedermanns Sache.

© Fox

© Fox

Fazit: „Penguin’s Umbrella“ kann sich sehen lassen. Hier hat man erstmals das Gefühl, es wirklich mit einer Serie zu tun zu haben, die den zukünftigen Commissioner Gordon in den Mittelpunkt stellt. Der Fokus auf ihn und die Mafia abseits von den anderen Handlungssträngen, die diese Woche ruhen, funktioniert prächtig und liefert neben einer spannenden Geschichte mehr oder weniger gut gelungene Überraschungen zum Schluss.

8,5/10 Regenschirme

Autor: Christian Schäfer

Der Serienjunkie der Redaktion. Geboren in einer kleinen Stadt im Bielefelder Raum, aufgewachsen mit Filmen und Serien, die auch während des Studiums und der anschließenden Promotion (Chemie) nicht vernachlässigt wurden. Zwei Jahre in Frankreich und vier Jahre in Italien konnten das nicht ändern. Heute trifft man "Clive" regelmäßig beim BG Kultkino oder virtuell auf BG im Forum - oft in der Serienecke, wenngleich da noch andere Rubriken sind, die er sehr aufmerksam verfolgt.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung