„Gotham“: Kritik zur Episode „The Balloonman“ (S01E03)

7. Oktober 2014, Christian Schäfer

In der Folge „The Balloonman“ der US-Serie „Gotham“ bekommen es Jim Gordon (Ben McKenzie) und Harvey Bullock (Donal Logue) mit jemandem zu tun, der das Gesetz in die eigene Hand nimmt und Gothams Verbrecher auf besondere Art und Weise in den Himmel schickt.

© Fox

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Vorweg: Dieser Artikel enthält Spoiler zum Handlungsverlauf der Episode.

Selina Kyle
Der Cliffhanger der letzten Episode wird diese Woche nur kurz aufgegriffen. Selina Kyle (Camren Bicondova) soll Jim Gordon erst einmal beweisen, dass sie überhaupt am Tatort der Wayne-Morde war. Denn, was sie zunächst erzählt, ist bereits allgemein bekannt. Diesen Beweis kann sie zwar erbringen und sie teilt Gordon auch mit, dass sie einen kurzen Blick auf das unverdeckte Gesicht des Täters erhaschen konnte („I can see in the dark“) – aber bevor die Befragung weitergehen kann, ist sie schon wieder auf und davon (vielleicht hätte Jim sie nicht in Handschellen legen sollen, bevor er die Abwässer durchsuchte).
Somit ist Gordon nun auf dem Stand des Zuschauers, was diesen Fall anbelangt und hat eine Spur, die er in Zukunft weiterverfolgen kann – sofern er Selina wieder in die Finger bekommt.

Der Mob
Das Spielchen zwischen Fish Mooney (Jada Pinkett Smith) und Carmine Falcone (John Doman) geht diese Woche weiter. Fish lässt die Geliebte von Falcone aus dem Weg räumen – und ihren lädierten Lover Lazlo (Michelangelo Milano) gleich mit, weil er ihr mittlerweile auf die Stimmung drückt.
Der Kampf um die Oberhand in der Unterwelt geht somit weiter und Falcone ahnt sicher schon, wer hinter dem Überfall steckt, der seiner Natalia das Leben kostete. Mal schauen, ob er nächste Woche seinerseits wieder etwas gegen Fish unternimmt und dabei ähnlich geschickt vorgeht.
Fish teilt den Major-Crimes (MC) Polizisten Renee Montoya (Victoria Cartagena) und Crispus Allen (Andrew Stewart-Jones) zudem mit, dass sie gehört hätte, Jim Gordon wäre für den Tod von Oswald Cobblepot (Robin Lord Taylor) verantwortlich und hätte dabei im Auftrag von Carmine gehandelt. Damit hetzt sie nicht nur Falcone die Polizei auf den Hals, sondern bringt nebenbei auch Gordon in die Bredouille.
Mooney ist schon ein echtes Biest und versteht es, ihre Trümpfe auszuspielen und anderen damit einen Strick zu drehen. Wehe dem, der sich ihr in den Weg stellt. Smith versteht es dabei, die Rolle gekonnt zu verkörpern und stellt dabei sowohl das Unschuldslamm als auch die unberechenbare Furie zur Schau. Gerne mehr davon.
Außerdem betritt diese Woche ein neuer Spieler die Bühne, der bereits letzte Woche erwähnt wurde. Die Rede ist von Maroni (David Zayas), der seine Chance wittert, zur Nummer eins des Mobs aufzusteigen und den in seinen Augen schwächelnden Falcone vom Thron zu stoßen. Es bleibt noch unklar, was genau er vor hat – einige kryptische Hinweise deuten aber darauf hin, dass es etwas mit dem Arkham Asylum zu tun hat. Mal schauen, ob er gegen Carmine (und/oder Fish Mooney) tatsächlich in den Ring steigt – dass Falcone hinter Natalies Ermordung auch ihn vermutet, deutet schon eine baldige Auseinandersetzung an.

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Oswald Cobblepot
Das ging aber schnell. Letzte Woche noch Pläne geschmiedet, ist Oswald diese Episode bereits zurück in Gotham City. Anhand seiner Rückkehr sieht man auch sofort, wie verkommen die Stadt bereits ist. Oswald blickt sich kurz um und sieht gleich mehrere Verbrechen geschehen – was er nur mit den Worten, er sei wieder zu Hause, kommentiert. Auch seine weitere Vorgehensweise, um in der Stadt wieder Fuß zu fassen und sich einem von Mooneys Leuten zu entledigen, der ihn erkannt hat, zeigt, dass Verbrechen in „Gotham“ zum Alltag gehören und selbst Morde kaum beachtet werden.
Unserem Pinguin gelingt es zunächst (durch skrupellose Untaten, versteht sich), unerkannt zu bleiben und kommt schließlich in einem italienischen Restaurant unter, wo er recht schnell die Aufmerksamkeit vom Besitzer Maroni auf sich zieht. Es sieht so aus, als wenn er nun für die Gegenseite arbeiten wird, um seinem Ziel, zum Verbrecherkönig von Gotham aufzusteigen, näher zu kommen.
Beeindruckend ist dabei das Tempo, mit dem die Handlung um den angehenden Pinguin vorangetrieben wird. Wir sind erst in der dritten Episode und wenn man bedenkt, was die Figur schon jetzt alles hinter sich hat, wird wohl auch weiterhin kaum Zeit zum Durchatmen bleiben. Denn seine Rückkehr nach Gotham City wird ziemlich sicher schon bald für Wirbel sorgen – ist schließlich nur eine Frage der Zeit, bis ihn jemand erkennt. Wobei Jim und Barbara (Erin Richards) mit dem dieswöchigen Cliffhanger bereits im Bilde sind. Erstaunlich übrigens, dass Maroni oder einer seiner Angestellten da nicht schon Alarm geschlagen hat, denn immerhin war Oswald lange Zeit einer von Mooneys Handlangern und damit recht bekannt.

Wayne Manor
Waffentraining für Bruce (David Mazouz)? Nicht ganz, aber wir dürfen Alfred (Sean Pertwee) und ihm diese Woche beim Fechten mit Stöcken zusehen – wobei Bruce kurzzeitig die Beherrschung verliert und Alfred schließlich „aufgibt“. Es wird auch deutlich gemacht, dass Bruce selbst versucht, im Mordfall seiner Eltern zu ermitteln und sich zu diesem Zweck Unterlagen mit u.a. Fotos vom Tatort organisiert hat. Ob Alfreds Versuche, Bruce zu überzeugen, den Fall Gordon zu überlassen, Früchte tragen werden? Zweifelhaft. Zudem verfolgt unser angehender Batman mit Interesse den Fall der Woche, der Bullock und Gordon zu schaffen macht.
Auch in diesem Handlungsstrang wird nicht pausiert. Der Werdegang von Bruce Wayne zur Fledermaus wird in vollen Zügen weiterentwickelt, wobei auch oft die „Methode Holzhammer“ zum Einsatz kommt. Zwar sieht Bruce ein, dass der „Balloonman“ aufgrund seiner Taten ebenfalls ein Krimineller wurde und Selbstjustiz (im Sinne von Mord) nicht die Lösung sein kann, aber die Frage, die die Reporterin stellt („Wer wird Gotham jetzt beschützen?“) ist schon ein zu deutlicher Wink in die Zukunft des Milliardärkindes.
Auch wenn Mazouz und Pertwee eine gute Vorstellung geben, hinkt dieser Handlungsstrang den anderen hinterher. Statt nur auf die Elemente zu setzen, die sich in erster Linie erwarten lassen, sollten Alfred und Bruce uns auch Einblicke in den normalen Alltag (und ggf. abgeschlossene „Abenteuer“) gewähren, die nicht ständig das Schild „seht mal, aus Bruce wird später Batman“ tragen.

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The Balloonman
Der Fall der Woche bringt Gotham City einen ersten Vigilanten, der sich daran macht, mit den Verbrechern der Stadt abzurechnen und dabei einige kriminelle Gestalten per Wetterballon in den Himmel schickt. Bullock hat zunächst überhaupt keine Lust, sich dem Fall anzunehmen, was sofort den Eindruck erweckt, die Cops könnten sich aussuchen, was sie für ermittlungswürdig erachten und was die Mühe nicht wert ist (und links liegen gelassen wird). Mit Blick auf Harveys bisherigen Charakter macht das zwar durchaus Sinn, aber wenn jeder Polizist des GCPD so denkt und handelt (was mehr als nur angedeutet wird und mit Ausnahme von Gordon natürlich), wozu dann überhaupt ein Police Department in der Stadt?
Der von Falcone im Piloten gesprochene Satz „You can’t have organized crime without law and order“ scheint schon lange nicht mehr zu gelten, wenn ein Bürger wie Davis Lamond (Dan Bekkedahl) auf Rachefeldzug geht und dabei in den Nachrichten noch als Idol der Bevölkerung verehrt wird. Lamond sagt dabei selbst, dass es mehr Leute wie ihn in Gotham gibt, die sich irgendwann zur Wehr setzen. Auch dass er sein nächstes Opfer als beliebig auswählbar deklariert, erweckt den Eindruck, dass die Stadt bereits jetzt einen Batman gebrauchen könnte und sich nicht erst noch zum Schlechteren hin entwickeln muss. Überhaupt gab es bislang noch keine Ecke von Gotham City zu sehen, die halbwegs sauber oder frei von Kriminalität wirkt.
Immerhin ist der Fall der Woche aber recht gelungen und bietet eine unterhaltsame kleine Geschichte, die Jim und Harvey auf Trab hält und beiden Figuren die nötigen Reibungspunkte liefert, die das ungleiche Team ausmacht. Auch der Humor kommt dabei nicht zu kurz, was das Geschehen schon wieder etwas comichafter als düster und ernst wirken lässt. Und die Ballon-Kills waren schon eine nette Idee.

Barbara Kean
Über Jims Verlobte erfahren wir diese Woche auch noch ein wenig. Sie war scheinbar vor nicht allzu langer Zeit mit Renee Montoya liiert und ist auch Drogen gegenüber nicht abgeneigt – von beidem dürfte Jim keine Ahnung haben. Renee versuchte bereits im Piloten, die Beziehung von Barbara und Jim ins Wanken zu bringen und macht auch hier sofort von den neuen Informationen Gebrauch, die Fish Mooney ihr und ihrem Partner gegeben hat – um Jim zu diskreditieren.
Mit dem Auftritt von Oswald dürften sich diese Anschuldigungen als falsch herausstellen. Trotzdem wird Barbara wohl bald erfahren, wie schlimm es um die Stadt und Jims Kollegen tatsächlich bestellt ist.
Die Beziehung mit Barbara ist auch einer der wenigen Rückhalte, die Jim zur Verfügung stehen. Beruflich steht er weiterhin allein auf weiter Flur und von den beiden MC-Cops, die ihn möglicherweise unterstützen könnten, kann er als Verdächtiger auch keine große Hilfe erwarten. Wenn da nicht bald Verstärkung in irgendeiner Form auftaucht, dürfte es eng für ihn werden.

Sonstiges
Edward Nygma (Cory Michael Smith) ließ sich diese Woche nicht blicken, was aber anhand der vielen Figuren auch nicht großartig auffällt. Immerhin gab es dafür mit Maroni einen wichtigen Neuzugang zu vermelden.
Wie schon im Absatz zum Wayne Manor geschrieben, sollten die Macher es mit den Anspielungen darauf, dass wir hier eine Batman-Prequel-Serie sehen, nicht übertreiben und was das Tempo angeht, vielleicht 1-2 Gänge zurückschalten. Bislang gibt es vieles in der Serie, was gut funktioniert – Gordons Dilemma als einziger aufrechter Cop (auch wenn es sehr ausweglos erscheint), seine Reibereien mit Bullock, die Aktivitäten um den Mob und natürlich der Werdegang des Pinguins seien an dieser Stelle erwähnt. Aber es gibt auch einiges, woran noch deutlich gearbeitet werden muss, um „Gotham“ zu einem kleinen Highlight zu machen. Ein Punkt darunter ist zum Beispiel, dass die Stadt bereits viel zu korrupt erscheint, als dass der Zuschauer sich großartig von den meisten Figuren mitreißen lassen oder gar Sympathien für sie empfinden könnte.

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Fazit: „Gotham“ bleibt seiner etablierten Linie treu und geht bei den Handlungen mit großen Schritten voran. Dabei scheint die Balance zwischen comichaft-witzigem Ton und ernsthaft-düsteren Elementen und Entwicklungen noch nicht so richtig zu sitzen. Nichtsdestotrotz sorgt ein Großteil der Handlungsstränge für angenehme Unterhaltung, auch wenn es noch einige verbesserungswürdige Baustellen gibt.

7/10 große Schaufeln für die platten Leichen

Autor: Christian Schäfer

Der Serienjunkie der Redaktion. Geboren in einer kleinen Stadt im Bielefelder Raum, aufgewachsen mit Filmen und Serien, die auch während des Studiums und der anschließenden Promotion (Chemie) nicht vernachlässigt wurden. Zwei Jahre in Frankreich und vier Jahre in Italien konnten das nicht ändern. Heute trifft man "Clive" regelmäßig beim BG Kultkino oder virtuell auf BG im Forum - oft in der Serienecke, wenngleich da noch andere Rubriken sind, die er sehr aufmerksam verfolgt.

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