Treasure Tuesday Spezialkritik: Wege zum Ruhm (1957)

11. Februar 2020, Christian Westhus

Beim Treasure Tuesday stellen wir filmische Schätze vor, eben „treasures“. Filme, die vergessen wurden, nie den ganz großen Durchbruch hatten, zu alt oder zu fremdsprachig sind, um im vielfältigen Angebot unserer Tage herauszuragen. Auch zu Großvaters Zeiten gab es schon sehenswerte Filme, wie es auch in anderen Ländern sehenswerte Filme gibt. Heute schauen wir Stanley Kubricks Meisterwerk über den 1. Weltkrieg, mit Hollywoodlegende Kirk Douglas in der Hauptrolle: „Wege zum Ruhm“.

(C) United Artists, Filmconfect Home Entertainment

Wege zum Ruhm
(Originaltitel: Paths of Glory, USA 1957)
Regie: Stanley Kubrick
Darsteller: Kirk Douglas, George Macready, Ralph Meeker u.v.a.

Was ist das für ein Film?
Stanley Kubricks vierter Spielfilm und sein endgültiger Durchbruch. Basierend auf dem Roman von Humphrey Cobb und in Anlehnung an reale Begebenheiten führt Kubrick ins Jahr 1916, an die deutsch-französische Front im 1. Weltkrieg. Der französische Kommandeur Mireau erhält den Auftrag, eine deutsche Stellung in einem Überraschungsangriff einzunehmen. Doch das Unterfangen scheitert schon während der ersten Angriffswelle, fordert unzählige Leben. Als die zweite Welle angesichts der Gräuel auf dem Schlachtfeld in den Gräben verharrt und den todbringenden Einsatz verweigert, will der von Beförderungsaussichten motivierte Mireau die Sache erzwingen. Er veranlasst, in die eigenen Reihen zu feuern, um die Soldaten aus den Gräben und aufs Schlachtfeld zu treiben. Doch der Schießbefehl wird verweigert. Für Mireau, dessen Mission endgültig scheitert, Grund genug, ein juristisches und öffentliches Exempel zu statuieren. Hier kommt Colonel Dax (Kirk Douglas) ins Spiel, im zivilen Leben Anwalt und ein Gegner dieser unsinnigen Verschwendung von Menschenleben.

In der nahezu makellosen Filmographie von Stanley Kubrick gibt es einige Meisterwerke. Nicht ohne Grund ist Kubrick hier und dort zu einer Art Synonym für einen Meisterregisseur geworden. „Wege zum Ruhm“ ist das erste echte Meisterwerk Kubricks, führte – nicht nur über die Verbindung zu Kirk Douglas, der Kubrick persönlich vorschlug – zu „Spartacus“ und damit zur weltberühmten weiteren Karriere. Die ersten drei Filme des Regisseurs (Fear and Desire. Der Tiger von New York. Die Rechnung ging nicht auf.) waren angesichts des geringen Budgets und des Alters (der Jugend) Kubricks mehr als beachtliche Filme. „Wege zum Ruhm“ war dennoch ein Quantensprung, insbesondere auf technischer und inszenatorischer Seite. Wie die fließende Kamera die Schlachtfelder und insbesondere die Schützengräben erkundet, wie der Film das kriegerische Grauen mit dem eitlen Protz der Befehlshaber kontrastiert, und wie Kubricks Humanismus nicht erst bei den Szenen der Urteilsverkündung bzw. -vollstreckung spürbar wird, beeinflusst andere Filmemacher bis heute.

Warum sollte mich das interessieren?
Auch unabhängig von Kubrick hat „Wege zum Ruhm“ einen immensen Stellenwert und ein hohes Ansehen. Nur geschaut wird er – gefühlt – zu selten. Doch gerade jetzt, während „1917“ in den Kinos ist und mit der Nachricht vom Tode Kirk Douglas‘ noch in jüngster Erinnerung, gibt es eigentlich keinen besseren Grund, um diesen Film mal wieder (oder erstmalig) zu sehen. Der 1. Weltkrieg erscheint, angesichts der noch immer anhaltenden Grundfaszination der Filmwelt mit Kriegsgeschichten, als leicht unterrepräsentiert in der Filmgeschichte. Vielleicht hat Kubrick aber auch nur den definitiven Film zum Thema bereits gedreht. Ein Film, der den Schrecken des Schlachtfelds so wirkungsvoll einfängt und in die Gesichter der Soldaten überträgt, dessen Hauptaugenmerk jedoch an anderer Stelle liegt. Die unmissverständlich humanistische und antimilitaristische Position durchleuchtet den unheilbringenden Kriegsheroismus, die Autoritätsstrukturen und ist in seiner Klarheit ein bemerkenswert frühes Statement gegen die Todesstrafe. „Die Wege des Ruhms führen nur ins Grab“, lautet die vollständige Gedichtzeile von Thomas Gray, aus der der Titel entnommen ist.

Vielleicht ist der Vergleich unfair, lässt dieser Film „1917“ doch größtenteils wie das technisch bemerkenswert gemacht Kriegsabenteuer wirken, welches es größtenteils ist (und sein darf). Dieser Film hat wesentlich mehr auf dem Zettel. Die Männer seien gut gestorben, berichtet Mireau in feinster Uniform und zu Tisch bei seinem Vorgesetzten, in einem Zimmer, welches sich auch in Versailles befinden könnte. Die vermeintliche Feigheit vor dem Feind, die hier bestraft werden soll, dient am Ende nur dem eigenen Ego, der eigenen Karriere, dem eigenen Ruhm. Kubrick, der hier in all seiner perfektionistischen Pracht inszeniert, die im Laufe der Jahre zu einem gleichermaßen wahren und übertriebenen Klischee geworden ist, findet in Kirk Douglas das perfekte Gesicht und den perfekten Schauspieler für Colonel Dax, für die strenge und doch augenscheinlich machtlose Stimme der Vernunft. Und die legendäre Schlussszene mit dem Lied einer deutschen Kriegsgefangenen (Christiane Harlan, heute Christiane Kubrick!), eine der besten Schlussszenen der Filmgeschichte, räumt endgültig mit dem anderen Kubrick-Klischee auf, wonach er ein kalter und emotionsloser Filmemacher und Geschichtenerzähler gewesen sein soll.

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Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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