BG Kritik: „Die Brücke – Transit in den Tod“ S3+4

25. November 2021, Christian Mester

Nach dem erschütternden Finale der zweiten Staffel geht es weiter – und es zeichnet sich rasch ab, dass S1+2 und S3+4 jeweils eine eigene Serienhälfte bilden. Drehten sich die ersten beiden Staffeln um Saga Norens Zusammenarbeit mit Grobian Martin Rohde (Kim Bodnia), hat sie in den nächsten beiden Staffeln einen neuen Partner: den besonnenen, aber ebenso problembehafteten Henrik Sabroe (Thure Lindhardt).

Wieder stehen seltsame und stark verschachtelte Mordfälle an der Tagesordnung. In S3 geht ein Mörder um, der seine Opfer nach berühmten Gemälden darzustellen scheint, während es in S4 um einen Racheakt geht, bei dem verschiedene Leute scheinbar wahllos hingerichtet werden, unter anderem von einem Clown mit einer Kamera.

Die überaus gelungene zweite Serienhälfte kann alle Stärken der ersten beiden (BG Kritik) wiederholen: erneut sind die Fälle spannend inszeniert, mit originellen Morden, tief verschachteteln Verdächtigen, verkühlt atmosphärischen Bildern und mit gut überlegten Twists, die man selten kommen sieht, die aber immer logisch nachvollziehbar ausfallen. Das Erzähltempo bleibt gemächlich, es bleibt aber durchweg fesselnd.

© Nimbus Film – Trailerscreenshot https://youtu.be/X_VvASoUoVM

Dass die vermutlich mit Asperger-Syndrom belastete Saga Noren einen neuen Partner hat, frischt das ganze Szenario auf. Der sperrige Sabroe vermisst seine Frau und Kinder, die allesamt vor Jahren entführt worden sind, und verdrängt seine Trauer mit einer Drogensucht, bringt also selbst jede Menge Ballast in die Kooperation.

Neugierig macht, dass Noren anfängt, eine charakterliche Wandlung zu durchlaufen. Sorgte sie in den ersten beiden Staffeln meistens für Schmunzler und Lacher durch ihre ebenso empathielose wie taktlose Art und ihrem Unverständnis sozialer Interaktionen, fängt sie nun langsam an, zu reflektieren, Emotionen zuzulassen und zu verarbeiten. Das wird von allerlei neuer Tragik und schwierigen Konflikten ausgelöst, auch privaten, die äußerst gelungen mit dem gebrochenen Partnercharakter verknüpft werden. Anfangs mag es noch nicht so wirken, aber Noren und der neue passen insgeheim hervorragend zueinander.

Nach über 20 Stunden hat man auch die Nebenfiguren nach und nach kennenlernen können, und auch diese werden Stück für Stück weiterentwickelt.

Dass es keine fünfte Staffel gibt, wenn es doch über 7 Jahre so hochqualitativ laufen konnte, mag lange verwundern. Spätestens am Ende wird jedoch klar, dass ein passender Schlussstrich gefunden wurde und eine weitere Staffel wenig Sinn machen würde. Vor allem die vierte Staffel kehrt zu vielen offenen Fragen und Konflikten zurück und schafft es, alles brauchbar zuende zu bringen, ohne dass etwas forciert oder gekünstelt wirkt. Überhaupt macht sich hier noch einmal mehr klar, wie oberflächlich, simplifiziert und banalisiert viele Ermittlungen in vergleichbaren US-Formaten ablaufen. „Die Brücke“ zeichnet selten in schwarz und weiß; oft haben auch Antagonisten tragische oder verständliche Züge, und auch die vermeintlichen Helden haben viele dunkle Facetten.

Fazit:

„Die Brücke – Transit in den Tod“ hält das Niveau und fährt mit dem ikonischen, fahlgrünen Klassikerporsche durch zwei weitere packende Mordfälle. Hauptfigur Saga Noren wird weiter geformt, trifft auf einen neuen, ähnlich problematischen Partner und muss sich ungeahnten Entwicklungen und Schicksalen stellen, die die Serie am Ende sauber abschließen. Zusammen mit den ersten beiden Staffeln eine der besten Crime-Serien der letzten Dekade.

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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