Die Oscarnominierungen sind raus!

13. Januar 2020, Christian Westhus

Am 09. Februar finden die Oscars statt. Die 92. Verleihung des noch immer prestigeträchtigsten Filmpreises (außerhalb von Festivals) der Welt steht nicht nur im Zeichen der sich stetig verändernden und Oscar Academy, sondern versucht auch die zunehmend facettenreiche Filmwelt unter einen Hut zu bringen, die Kluft zwischen großbudgetierten Genrefilmen und stillen Dramen, zwischen dem US-Kino und dem Rest der Welt, und zwischen Kino und Streaming. Konnten Joker, Irishman und Co. bei der AMPAS landen?

Nicht wenige hatten „Joker“ als rein quantitativ größten Favoriten in Sachen Nominierungen ausgemacht. Und so kam es dann auch. Satte 11 Chancen hat Todd Phillips Milliarden-Dollar Comic Superschurken Charakterdrama, darunter – logisch – Joaquin Phoenix als bester Hauptdarsteller. Gleich drei weitere Filme konnten jeweils 10 Nominierungen einheimsen, darunter Martin Scorseses Netflix Crime Drama „The Irishman“, Quentin Tarantinos „Once upon a Time in Hollywood“ und der Kriegsfilm „1917„, der jetzt Donnerstag erst in den deutschen Kinos anläuft. Netflix ist derweil einer der größten Gewinner, konnte neben „Irishman“ noch das erstklassige Drama „Marriage Story“ in prominenten Kategorien platzieren, brachte gleich beide Päpste von „The Two Popes“ unter und ist zudem an gleich zwei Kandidaten zum besten animierten Film beteiligt. Hingegen wurde das gelobte quasi-Comeback von Eddie Murphy in „Dolemite is my Name“ nicht ausgewählt, weder für Murphy, noch für Nebendarsteller Wesley Snipes oder die historisch-kulturell prägnanten Kostüme.

Ein erwarteter Meilenstein gelang „Parasite“. Der vielfach gefeierte Film von Bong Joon-ho ist der erste koreanische Film überhaupt, der für einen Oscar nominiert wurde. Und um dieses – wahrlich peinliche, liebe Academy – Versäumnis aufzuholen, gab es nun satte 6 Nominierungen für „Parasite„, darunter auch als Bester Film und für die Beste Regie. Überraschend kam u.a. die Nominierung von Antonio Banderas als Bester Hauptdarsteller im spanischsprachigen „Leid und Herrlichkeit“, der damit nicht zuletzt Robert de Niro in „The Irishman“ und Taron Egerton in „Rocketman“ ausstach.
Gleich doppelt vertreten ist Scarlett Johansson, sowohl als Haupt- (Marriage Story) und als Nebendarstellerin (Jojo Rabbit), sehr zum Verdruss von #TeamJLo, denn Jennifer Lopez galt lange Zeit und vielerorts als aussichtsreiche Kandidatin für ihre Rolle im Überraschungshit „Hustlers„. Stattdessen feierte der vielerorts bereits als „gesehen und vergessen“ eingestufte „Bombshell“ eine mittelgroße Rückkehr mit zwei Darstellernominierungen. Ein John Williams braucht hingegen offenbar nicht viel mehr zu machen als einige seiner bestehenden Melodien und Musikthemen ein wenig neu zu arrangieren, um für seine Arbeit an „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“ seine 52. (zweiundfünzigste!!) persönliche Nominierung (darunter bisher 5 Auszeichnungen) einzufahren.

Wie so oft – und wie so oft nicht ohne Grund – werden auch dieses Mal Stimmen laut bzw. sind bereits laut geworden, die kritisch anmerken, dass mal wieder ausschließlich Männer den Posten für die Beste Regie unter sich ausfechten (beim Drehbuch sieht es nur marginal besser aus), wo es doch nicht zuletzt mit Greta Gerwigs „Little Women“ mindestens einen Film gab, der auch sonst ein paar Nomierungen einfahren konnte. Von Filmen wie Lulu Wangs „The Farewell“, Céline Sciammas „Porträt einer jungen Frau in Flammen“, Lorene Scafarias erwähntem „Hustlers“ oder Kasi Lemmons „Harriet“, für den Cynthia Erivo eine Nominierung zur Besten Hauptdarstellerin erhielt, ganz zu schweigen. Natürlich erwartet niemand „positive“ Bevorzugung bei der Nominierung. Doch objektiv richtige Entscheidungen kann es auch kaum geben. Darüber gesprochen wird nun ohnehin schon eine ganze Weile und die Zahlen sprechen eine unerfreulich deutliche Sprache: In 91 Oscarjahren wurden erst 5 (fünf!) Frauen für die Beste Regie nominiert, mit Kathryn Bigelow (The Hurt Locker) als bisher einzige Preisträgerin.
Doch trotz zahlreicher Besserungsversuche durch neue Mitglieder, neue Regeln und öffentliche Ankündigungen, ist die AMPAS (Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences) noch immer übermäßig dominiert von gleichermaßen betagten wie gut betuchten weißen Herren, die offenbar nur schwer aus ihren Gewohnheiten ausbrechen können. Und das merkt man hin und wieder.

Wer neugierig ist, wie die rund 7000 Mitglieder umfassende Academy funktioniert, wie sie wählt und ihre Entscheidungen trifft, kann sich hier ein wenig einlesen (Englisch). Folgend nun die Nominierungen für die 92. Oscars:

Bester Film
LeMans 66 (Ford v Ferrari)
The Irishman
Jojo Rabbit
Joker
Little Women
Marriage Story
1917
Once Upon a Time…in Hollywood
Parasite

Beste Regie
Bong Joon-ho, Parasite
Sam Mendes, 1917
Todd Phillips, Joker
Martin Scorsese, The Irishman
Quentin Tarantino, Once Upon a Time…in Hollywood

Bester Hauptdarsteller
Joaquin Phoenix, Joker
Leonardo DiCaprio, Once Upon a Time…in Hollywood
Antonio Banderas, Leid und Herrlichkeit
Adam Driver, Marriage Story
Jonathan Pryce, Die zwei Päpste

Beste Hauptdarstellerin
Cynthia Erivo, Harriet
Scarlett Johansson, Marriage Story
Saoirse Ronan, Little Women
Charlize Theron, Bombshell
Renée Zellweger, Judy

Beste Nebendarstellerin
Kathy Bates, Richard Jewell
Laura Dern, Marriage Story
Scarlett Johansson, Jojo Rabbit
Florence Pugh, Little Women
Margot Robbie, Bombshell

Bester Nebendarsteller
Brad Pitt, Once Upon a Time…in Hollywood
Al Pacino, The Irishman
Joe Pesci, The Irishman
Anthony Hopkins, Die zwei Päpste
Tom Hanks, Der wunderbare Mr. Rogers

Bestes Originaldrehbuch
Rian Johnson, Knives Out
Sam Mendes and Krysty Wilson-Cairns, 1917
Noah Baumbach, Marriage Story
Quentin Tarantino, Once Upon a Time…in Hollywood
Bong Joon-ho and Han Jin-won, Parasite

Bestes adaptiertes Drehbuch
Steven Zaillian, The Irishman
Todd Phillips and Scott Silver, Joker
Taika Waititi, Jojo Rabbit
Greta Gerwig, Little Women
Anthony McCarten, Die zwei Päpste

Best fremdsprachiger Film
Corpus Christi
Honeyland
Les Misérables
Leid und Herrlichkeit
Parasite

Bester Animationsfilm
Drachenzähmen leicht gemacht 3
Ich habe meinen Körper verloren
Klaus
Missing Link
Toy Story 4

Bester Dokumentarfilm
American Factory
The Cave
The Edge of Democracy
For Sama
Honeyland

Beste Musik
Thomas Newman, 1917
Hildur Guðnadóttir, Joker
Alexandre Desplat, Little Women
Randy Newman, Marriage Story
John Williams, Star Wars: The Rise of Skywalker

Bester Song
“I Can’t Let You Throw Yourself Away,” Toy Story 4
“I’m Standing With You,” Breakthrough
“Into the Unknown,” Die Eiskönigin 2 (Frozen 2)
“(I’m Gonna) Love Me Again,” Rocketman
“Stand Up,” Harriet

Beste Kamera
Roger Deakins, 1917
Jarin Blaschke, The Lighthouse
Rodrigo Prieto, The Irishman
Lawrence Sher, Joker
Robert Richardson, Once Upon a Time…in Hollywood

Bestes Kostümdesign
Sandy Powell and Christopher Peterson, The Irishman
Jacqueline Durran, Little Women
Mayes C. Rubeo, Jojo Rabbit
Mark Bridges, Joker
Arianne Phillips, Once Upon a Time…in Hollywood

Bester Schnitt
Michael McCusker and Andrew Buckland, LeMans 66
Thelma Schoonmaker, The Irishman
Tom Eagles, Jojo Rabbit
Jeff Groth, Joker
Yang Jinmo, Parasite

Bestes Makeup und Hairstyling
Bombshell
Joker
Maleficent: Mistress of Evil
Judy
1917

Bestes Produktionsdesign/Ausstattung
Once Upon a Time…in Hollywood
The Irishman
1917
Parasite
Jojo Rabbit

Bester Tonschnitt
LeMans 66
Joker
1917
Once Upon a Time…in Hollywood
Star Wars: The Rise of Skywalker

Bester Ton
Ad Astra
Ford v Ferrari
Joker
1917
Once Upon a Time… in Hollywood

Beste Effekte
Avengers: Endgame
The Irishman
Der König der Löwen
1917
Star Wars: The Rise of Skywalker

Bester Animationskurzfilm
Dcera (Daughter)
Hair Love
Kitbull
Memorable
Sister

Bester Kurzfilm
Brotherhood
Nefta Football Club
The Neighbors’ Window
Saria
A Sister

Beste Kurzdokumentation
In the Absence
Learning to Skateboard in a Warzone (If You’re a Girl)
Life Overtakes Me
St. Louis Superman
Walk Run Cha-Cha

Q: AMPAS

Hier spricht die Community über die Oscars…

 

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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