BG Kritik: „Mulan“ (2020)

9. September 2020, Christian Mester

Der vielleicht teuerste Film für Filmfans dieses Jahres (kostet 6,99 € für Disney plus Monatsabo und dann nochmal 21,99 € VIP-Leihgebühr) ist endlich da, aber letztendlich… gar nicht mal so gut. Kopfschüttelnd kann man sich fragen, wieso die neue Mulan so belanglos durch die Steppe reiten muss.

© Walt Disney Pictures

Nachdem „Der König der Löwen“ und „Aladdin“ schubkarrenweise Geld einspielten, war klar, dass Disney noch mehr alte Sachen neu auflegen würde. Jetzt haben wir also ein Remake von „Mulan“, der in den 90ern zwischen „Hercules“ und „Tarzan“ erschien und eine emotionale, tolle asiatische Geschichte über eine junge Frau erzählte, die sich entgegen aller Regeln heimlich mit in den Krieg begibt, wunderbar ergänzt durch einen albernen kleinen Drachen namens Mushu.

Disney hat aktuell Geld ohne Ende, weswegen es nicht überrascht, dass der neue Film vor allem nach Geld aussieht. Mit über 200 Millionen Dollar Budget ist Niki Caros top ausgestattetes Werk zudem der teuerste Film, der (unfreiwillig) direkt im Heimkino erscheint, und der teuerste einer weiblichen Regisseurin.

Leider ist er gar nicht mal so gut geworden, wobei „gut“ hier natürlich relativ ist. Hat man keinerlei Ansprüche, ist es eine kurzweilige nette Feelgood-Abenteuergeschichte mit Schmunzelhumor über eine nette junge Frau, die eine kleine Herausforderung besteht. Kann man mögen, kann man rasch wegsnacken, wird man aber unweigerlich schnell wieder vergessen haben – und das ist schade. Während „Der König der Löwen“ und „Aladdin“ beide ihre Alleinstellungsmerkmale hatten (ein Film mit real aussehenden Tieren und Will Smith als Genie), hat „Mulan“ nichts dergleichen. Eine inoffizielle erste Realverfilmung hatte es eh schon 2009 gegeben, und weder inhaltlich noch formell macht man hier irgendwas Besonderes. Tatsächlich wirkt der Film in vielerlei Hinsicht wie eine simplere, abgestumpftere Version des Wuxia-Hits „Tiger & Dragon“, der in vielen Belangen um Welten besser ist. Die Actionszenen waren da aufregender, die Orte eigener (man erinnere sich nur an den Kampf in den Baumwipfeln), die Figuren komplexer, die Musik bewegender, die Regie feinfühliger. Selten hat es hier belangloser gewirkt, dass jemand mutig in die Schlacht reitet oder ein ganzes Kaiserreich zu retten ist.

© Walt Disney Pictures

Wobei das nicht zu hart klingen soll. Generell ist am neuen Film nichts je faktisch schlecht; insbesondere um Hauptdarstellerin Yifei Liu kann es einem leid tun, die wirklich sympathisch erscheint, aber eher banale Dialoge, larifari Actionszenen und motivationslose Gaststars wie Donnie Yen, Gong Li und Jet Li (nicht miteinander verwandt) enttäuschen immer wieder. Gong Li hatte beispielsweise „Der Fluch der goldenen Blume“, Jet Li hingegen „The Warlords“ und „Hero“, die alle drei nicht ansatzweise zu den besten Filmen ever gehören, „Mulan“ aber dennoch in Grund und Boden stampfen.

Seltsam ist, dass „Mulan“ trotz allem kommerziellen Familienfeinschliffes nicht vor einigen leicht anzüglichen Sachen zurückschreckt. So wird (wenn auch nicht graphisch) gezeigt, dass sie sich die Brüste mit einem Tuch flach wickelt, um ihre weibliche Figur zu verstecken; beschämt sieht sie die „Ausstattung“ eines Kameraden beim Umziehen, und mit noch größerer Scham badet sie unfreiwillig mit anderen. Das gabs zwar alles schon im Original, allerdings hätte manch einer vermuten können, dass sie das im neuen weglassen. Richtet sich der neue Film also an ein leicht älteres Publikum? Möglich, aber um wirklich wegweisend packend zu sein und Mulan zu einer vorbildlichen Figur zu machen, bleiben abgesehen von der banalen Siegesgeschichte (spoiler) zu viele Fragwürdigkeiten. So zieht Mulan gegen den Wunsch ihrer Eltern davon und in den Krieg, auch, um politisch mitzuwirken. Dass sie den besteht, liegt an der absehbaren völlig blutlosen Schlacht (Gegner werden nur niedergehauen oder kriegen Knockout Pfeile ab), aber auch an den mitgegebenen Überkräften, da Mulan auch zufällig die beste Kriegerin und Magierin der Welt ist – Rey lässt grüßen. Mit solchen Kräften gesegnet ist es natürlich wesentlich einfacher, aber auch gleichzeitig keine wirkliche Herausforderung mehr, und es fällt schwer, mitzufiebern, wenn jemand ohnehin der beste ever ist. Gleich dem Rocky Prinzip sind einfach einige Gesichtsklatschen und Bodengänge narrativ notwendig, um den absehbaren Sieg voll feiern zu können.

Kommt man dann zum Ende und wird der große Sieg gefeiert, ist man leider nicht ansatzweise in der Lage, ähnliches zu fühlen wie beim ersten „Star Wars“ oder wie bei „Herr der Ringe“. Was bleibt, ist ein Schulterzucken, nach dem Motto, tja, ein Dienstag für Mulan. Nichts Besonderes. Und eine der größten chinesischen Legenden, sowie einer der teuersten Blockbuster des Jahres, ein Remake einer der beliebtesten Disney Filme der 90er, sowie der teuerste Film einer Frau bisher hätten alle mehr verdient gehabt als einen Film, der kaum Diskussion nach sich ziehen mag außer „…war ganz k“.

5/10

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung