BG Meinung: Corona hat womöglich einen Vorteil für Filme…

12. Juli 2020, Christian Mester

Wie jeder weiß, sind zahlreiche 2020/2021er Filme durch die globale Corona Krise verschoben worden – teilweise sogar bis ins nächste Jahr. Abgesehen davon, dass wir nun leider länger auf diverse Toptitel warten müssen und Kinos in dieser schwierigen Zeit durchhalten müssen, könnte die Krise jedoch einen unverhofften positiven Effekt mit sich bringen, basierend auf einer einmaligen Gelegenheit…

Zunächst mal eine Liste von ausgesuchten Filmen, die dieses Jahr eigentlich längst hätten kommen sollen, oder entsprechend nach hinten geschoben worden sind:

(C) Sony Pictures

  • „A Quiet Place 2“
  • „Candyman“
  • Disney’s „Jungle Cruise“
  • „Fast & Furious 9“
  • „Godzilla vs Kong“ („Kong: Skull Island“ King Kong trifft den neuen Godzilla)
  • „Ghostbusters: Legacy“ (Ghostbusters 3)
  • „Halloween Kills“ (Fortsetzung des 2018er Halloweens)
  • „James Bond: Keine Zeit zum Sterben“
  • Marvel’s „Black Widow“
  • Marvel’s „The Eternals“
  • „Monster Hunter“
  • „Morbius, the Living Vampire“ (Spider-Man Spin-off)
  • „Tenet“
  • „The Matrix 4“
  • „The New Mutants“ (X-Men)
  • „Top Gun 2: Maverick“
  • „Venom: Let there be Carnage“ (Venom 2)
  • „Wonder Woman 1984“

Bis auf „Jungle Cruise“ können wir es alle bestimmt kaum erwarten, all diese Titel zu sehen.

Das sind viele unterschiedliche Sachen, größtenteils aber effektlastige Filme. Wieso gerade die von den Umständen der Pandemie profitieren können? Weil man so nochmal zusätzliche Zeit gewonnen hat, die eingebauten Effekte zu optimieren. Man muss sich das nämlich so vorstellen: ein großer Sommerblockbuster hat in der Regel einen festgelegten Erscheinungstermin. Da dieser an aufwändige Werbeaktionen gekoppelt ist und strategisch so eingeplant ist, dass möglichst keine anderen Blockbuster diesem das Zielpublikum abgraben, verschieben Studios ihre Filme nur ungern kurz vor Veröffentlichung. Nur in seltenen Fällen wie dem „Sonic“ Trailer-Debakel beispielsweise fasst man den Mut, das Ding lieber nochmal nach hinten zu verschieben.

Man soll es nicht glauben, aber bei den allermeisten Effektblockbustern sind die Computerarbeiten extrem eng getimed. Soll heißen, normalerweise sollte ja eigentlich alles Monate vor VÖ soweit fertig sein, sodass man das Endprodukt eventuell nochmal in Ruhe anpassen kann. Denkste – selbst bei 200 Mio+ Produktionen wie „Transformers“ wird teils noch bis 1 Woche vor Kinostart an den Effektqualitäten gefeilt. Da sitzen dann auch nicht 10 Leute an Rechnern und basteln, da sitzen ganze Armeen von Mitarbeitern und es rödeln tagelang Rechnerfarmen mit dutzenden Maschinen, um die Grafikgewalt zu meistern.

Immer wieder werden auffällig schlechte Effekte kritisiert, wenn Animationen beispielsweise schlecht ausfallen, eingefügte Hintergründe nicht natürlich wirken, oder die Effektqualität für einige Szenen deutlich unter dem Niveau der übrigen liegt. Dies hat in der Regel nie damit zu tun, dass die Computerfritzen zu schlecht gearbeitet haben – diesen ist durchaus bewusst, dass ein Scorpion King aus „Die Mumie 2“ beispielsweise grotesk schlecht aussieht (sorry, Dwayne). Sie haben nur einfach keine Zeit mehr gehabt, das noch zu fixen.

Für gewöhnlich ist es so, dass die Regisseure den Film mit sogenannter PreViz bearbeiten – das heißt, die Effektleute animieren mit gröbster Klötzchengrafik vor, wie die Effekte eingesetzt werden, oder was genau aus dem Computer zu sehen sein wird, damit der Regisseur die realen Szenen und Darsteller entsprechend damit inszenieren kann. Er sieht beispielsweise Iron Man, der sich im Flug einmal um sich selbst dreht, Raketen auf ein Flugzeug schießt und dann mit Schmackes landet. Entsprechend weiß er, wie er Robert Downey jr in diesem Zusammenhang in Szene setzen muss. Die tatsächlichen Grafiken mit all ihren Texturen, Spiegelungen, Physiksimulationen etc werden dann erst im Nachhinein gebastelt. Problematisch wird es, wenn das Effektteam schon ziemlich weit ist, die Studiobosse oder das Marketing Team aber recht spät noch riesige Änderungen verlangen, und man plötzlich gegen die Uhr schwitzt, um die Deadline zu halten. Das ist so, als finalisiere ein Meisterkoch gerade das Dessert eines 5-Sterne-Rinderfilets, nur um kurz vor dem Servieren zu erfahren, dass der Gast doch lieber Fisch haben will, er aber gleichzeitig auch keine Verzögerung mehr erlaubt.

Auch wenn die Corona Krise für die weltweiten Kinos eine totale Katastrophe ist, könnte es folglich so sein, dass sie für die verschobenen Großproduktionen Gutes bedeuten könnte. Jetzt kann sich keiner mehr rausreden, für die Vollendung ihres Titels keine Zeit mehr gehabt zu haben. Damit haben sie eine einmalige Luxussituation, die es nach Beendigung der Krise so vermutlich nie wieder für Produktionen geben wird.

Wahrscheinlich spricht es auch Bände, dass man zu „Godzilla vs Kong“ bis dato keinen Trailer veröffentlicht hat. Ist vermutlich gut so, dass man nicht zu voreilig agiert hat und das Ding erst zuende poliert wird.

Am allerstrengsten darf man dabei auf „The New Mutants“ blicken, den neuen „X-Men“, der schon seit 2018 (!) immer wieder verschoben wird (2019 kam sogar der danach gedrehte „X-Men: Dark Phoenix“ zuerst raus) und angeblich nächsten Monat anlaufen soll, garantiert aber auch wieder weiter verschoben werden wird. Entweder droppt man den Film jetzt still und leise als Dienstags-Netflix-Veröffentlichung ohne großes Tamtam, oder man liefert.

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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