Jahresrückblick 2020 – Mester

31. Dezember 2020, Christian Mester

Ende 2020 fühlt sich die Kinokultur, als stehe sie mit dem jungen Ivan Drago aus „Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“ im Ring. Beziehungsweise, liegt sie wohl, treffender gesagt, dragogerecht vermöbelt blau und blutend auf dem Boden, ohne jeglichen Orientierungssinn, wie und wo es überhaupt weitergehen mag, mit dem Gefühl, von einem Güterzug getroffen worden zu sein. Anstatt aber in Wehmut und Depressionen zu verfallen und auf Paulies Gewinsel zu hören, dürfen wir sicher sein, dass die Kinokultur eher Rocky als Apollo ist. D.h., sie wird sich wieder aufbäumen, neu austeilen und zurück zur Glorie kommen! (auch wenn das noch einige Monate dauern mag).

Reminder: Hier eine kurze Liste von Filmen, die längst fertig sind und 2020 im Kino anlaufen sollten, wegen Corona aber nicht mehr kommen konnten. Filme, die wir wegen Corona verpasst haben? Nein, Filme, auf die wir uns freuen dürfen:

  • A Quiet Place 2
  • Candyman Remake
  • Conjuring 3: Im Banne des Teufels
  • Der Tod auf dem Nil Remake (mit Kenneth Branagh)
  • Dune – Der Wüstenplanet Teil 1
  • Fast & Furious 9
  • Free Guy (Komödie mit Ryan Reynolds)
  • Ghostbusters Legacy (Ghostbusters 3)
  • Godzilla 3: Godzilla vs King Kong
  • Halloween Kills (neuer Halloween)
  • James Bond: Keine Zeit zu sterben
  • Jungle Cruise (Action mit Dwayne Johnson)
  • Last Night in Soho (neuer Edgar Wright)
  • Marvels Black Widow
  • Marvels Eternals
  • Minions 2
  • Raya und der letzte Drache (Disney)
  • Saw 9: Spiral
  • Snake Eyes: G.I. Joe Origins
  • The French Dispatch (neuer Wes Anderson)
  • The King’s Man: The Beginning (Kingsman 3)
  • Top Gun 2: Maverick (mit Tom Cruise)
  • Venom 2: Let there be Carnage
  • West Side Story Remake (von Spielberg)

Das ist der Kram, der aktuell fertig ist. Dazu kommen noch Filme, die ohnehin für 2021 geplant waren:

  • Hotel Transsilvanien 4
  • Jackass 4
  • Justice League Snydercut
  • Marvels Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings
  • Matrix 4
  • Mission: Impossible 7
  • Monster Hunter
  • Morbius
  • Mortal Kombat Remake
  • Resident Evil Remake
  • Space Jam 2
  • Spider-Man 3
  • Suicide Squad 2
  • The Many Saints of Newark (Sopranos Prequelfilm)
  • Uncharted
  • Wrong Turn Remake

Als Cineast darf man also ganz wuschig werden und sich ungemein auf die kommenden Monate freuen. Da kommt noch einiges und das wird sich richtig lohnen.

Was aber mit dem vergangenen Filmjahr 2020? Fraglos gabs da weniger als sonst, aber doch so einiges sehenswertes. Ich fang mal direkt mit den meiner Meinung nach besten Filmen des Jahres an:

Deutsche Kinostarts:

Knives Out: Mord ist Familiensache
Nachdem er mit „Star Wars: Episode 8 – Die letzten Jedi“ provoziert und verärgert hatte, boxte sich Rian Johnson mit diesem Ding gekonnt zurück in den Ring. „Knives Out“ ist eine moderne „Wer ist der Mörder?“ Geschichte, allerdings herrlich schräg konstruiert, mit tollen Wendungen und einem überaschend witzigen Daniel Craig.

1917
Sam Mendes‘ bildgewaltiger Kriegsfilm hatte sein „sieht wie 1 Take aus“ Gimmick nicht wirklich nötig, überzeugte aber als audiovisuelles Erlebnis. Dieser und „Knives Out“ bilden die Spitze des Kinojahres, das waren die besten beiden Beiträge.

Underwater
Hat kaum einer gesehen, aber dieser Monsterthriller mit Kristen Stewart, die nach einem Seebeben gezwungen ist, am Meeresboden zu einer anderen Unterwasserstation zu latschen, hat es so sehr in sich, dass HP Lovecraft drei Daumen hoch geben würde. Pflicht für Fans von Filmen wie „Deepstar Six“, „Leviathan“ oder „Sphere“.

Bad Boys 3
Nach den eher lahmen Trailern entpuppte sich „Bad Boys for Life“ als angenehme Überraschung. Will Smith und Martin Lawrence mögen mittlerweile ein bisschen betuchter sein, aber der Film hatte jede Menge gute Action, den gleichem Humor von damals und eine wirklich gelungenes Storyfundament, das glücklicherweise nicht schon in den Trailern verraten worden war.

Little Women
Die xte, aber x-trem gute Verfilmung des berühmten Romanklassikers, diesmal von Greta Gerwig, die schon den wunderbaren „Ladybird“ gemacht hatte. Wundervoll besetzt, u.a. mit der tollen Florence Pugh.

Ruf der Wildnis
Klasse gemachte Verfilmung des Jack London Romans, mit einer mitreißenden Abenteuergeschichte eines Hundes, der u.a. auf Harrison Ford trifft. (Wieso der Hund aber seltsamerweise komplett computeranimiert werden musste, wird wohl auf ewig ein Rätsel bleiben)

Der Unsichtbare
Packende Neuauflage des alten Universal Monster Classics, mit der immer großartigen Elisabeth Moss und einigen echt packenden Momenten. Ungefähr 5x besser als „Die Mumie“ mit Tom Cruise.

Onward: Keine halben Sachen
Der im Vorfeld völlig austauschbar aussehende „Onward“ verzauberte als weitere große Überraschung. Tolle, bewegende Brüdergeschichte mit jeder Menge Witz.

Unhinged
Der ehemalige „Gladiator“ Russell Crowe mag mittlerweile gefühlt 150+ Kilo wiegen und sich damit in Steven Seagal Dimensionen begeben, allerdings ändert das nichts an der Tatsache, dass er als tödlicher Choleriker ungemein schaurig ist. Handwerklich top inszenierter kleiner Thriller.

(zur Info, „Tenet“, „Jojo Rabbit“, der „Sonic“ Film, „Bloodshot“, „The Gentlemen“ und „Birds of Prey: Emancipation of Harley Quinn“ wurden nicht vergessen – sie gehören einfach nicht zu den besten des Jahres)

Streaming-Starts:

Nicht zu vergessen sei, dass es dieses Jahr auch markante exklusive Streamingstarts gab. Ich picke mal jeweils einen heraus, für drei unterschiedliche Dienste:

Borat 2 (Prime)
Eigentlich füs Kino gedacht, für 100 Millionen Dollar von Amazon gekauft, konnte Sacha Baron Cohen einmal mehr für Chaos sorgen. Dieses Mal natürlich etwas anders, da er aufgrund des Bekanntheitsgrads seiner Kultfigur in zusätzlicher Verkleidung agieren musste – oder seine Kollegin Maria Balakova ranlassen musste. Vielleicht nicht so originell wie der alte Film, aber auch wieder großartig, mit einigen Szenen, die sprachlos machten.

Soul (Disney+)
Der wohl erwachsenste Pixar bisher erschien direkt bei Disney+, was wohl auch die richtige Entscheidung war. Als Kinofilm hätte er sicher alle Eltern enttäuscht, die ihren Kindern typischen Slapstickspaß mit viel Action und jeder Menge Blödsinn vorsetzen wollten, denn davon hat der Film wenig bis gar nichts. Stattdessen ist es eine rührende Geschichte über den Sinn des Lebens.

Das Damengambit (Netflix)
Mehr Serie als Film, aber fraglos das beste auf Netflix dieses Jahr. Anya Taylor-Joy spielt eine junge Frau, die sich zur weltbesten Schachspielerin hochkämpfen will. Mag prinzipiell megalangweilig klingen, ist aber fantastisch inszeniert und beweist, dass Taylor-Joy schon aufgrund ihres Charismas zu den auffälligsten Darstellerinnen der nächsten Jahre gehören dürfte.

(Falls es gefragt sein sollte: wenn ein Film als schlechtester des Jahres auserkoren werden müsste, dann sicherlich Netflix‘ „365 Tage“)

Letztendlich war 2020 sicherlich ein eher spärliches Filmfanjahr, und auch das neue wird erstmal etwas seltsam ausfallen. Bis es mit Kino wieder so richtig alltäglich losgehen kann, werden bestimmt noch einige Monate vergehen. Fakt ist aber, dass Kino ein viel zu ertragreiches Geschäft ist, als dass wir befürchten müssten, dass es gar nicht mehr wiederkommt (spätestens „Avatar 2“ wird alles wieder umkrempeln). Ich wünsche und hoffe nur für alle Betreiber kleinerer Kinos, dass sie die Zeit irgendwie überstehen können. Selbst die großen Ketten sind am Bangen, doch gerade die kleineren trifft es am schlimmsten. Auf jeden Fall freue ich mich darauf, bald wieder in einem großen Saal zu sitzen und einen neuen Marvel zu schauen, umgeben von MCU Fans, die sich sogar schon auf die erwartbare Post-Credits-Szene freuen. Große Fernseher kann man auch zuhause haben, womöglich sogar mit besserem Bild und günstigeren Snacks, und Pyjamamöglichkeit, aber einen mega spannenden oder lustigen oder nerdigen Film mit einer großen Gruppe gemeinsam zu erleben, ist dem Kino vorbehalten. Plus – im Kino neigt man braverweise mehr dazu, sich nicht durch ständige Blicke aufs Handy ablenken zu lassen. Da gehört die gesamte Konzentration dem Filmwerk. Freuen wir uns darauf!

Autor: Christian Mester

Dieser Filmenthusiast (*1982) liebt es, manchmal auch mit Blödsinn, Leute für Filme zu begeistern. Hat BG im Jahr 2004 gegründet und ist dann für Pressevorstellungen, Interviews und Premieren viel rumgereist, hat als Redakteur u.a. für GameStar geschrieben, war dann mal Projektleiter in einer Werbeagentur mit Schwerpunkt dt, Kinostarts und - schaut gerad vermutlich schon wieder was.

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