BG Rumgespinne: Fortnite, Marvel und Galactus

11. September 2020, Christian Westhus

Kündigen Disney & Marvel Studios über die neue Season in „Fortnite“ möglicherweise die nächste große Bedrohung im Marvel Cinematic Universe an? Es ist eine Möglichkeit, eine Theorie, der wir nachgehen wollen. Beim BG Rumgespinne soll rumgesponnen werden. Wir stellen wilde Film-Theorien auf, die unsinnig klingen, mal weit und mal noch weiter hergeholt scheinen, aber nie so ganz auszuschließen sind.

© Marvel / Epic Games

Seit Ende August läuft bei „Fortnite“ die neue Season, genauer gesagt läuft Kapitel 2, Season 4. „Fortnite“, das finanziell erfolgreichste Videospiel der Welt – obwohl es prinzipiell kostenlos ist –, schickt seine Spieler in den so genannten „Nexus War“. In diesem Krieg verschlägt es auch einige Marvel-Helden auf das Fortnite-Eiland, auf dem zuvor dubiose Agentengruppen agierten, ehe eine große Überschwemmung alles veränderte. Insbesondere ein Amnesie-gebeutelter Thor steht im Fokus, umrankt von Iron Man, Groot, Wolverine, Storm, Mystique, She-Hulk und Dr. Doom. Und was sollen diese Marvel-Helden (und ein Schurke, sowie die schwer einzuordnende Mystique) auf der Insel? Nun, zunächst sollen sie mit coolen Skins, Outfits, Waffen und Tänzen den neuen Battle Pass schmackhaft machen, das per Realgeld zu kaufende VIP-Ticket (quasi), mit dem sich ein paar Zusatzfunktionen und eben in erster Linie kosmetische Veränderungen erspielen lassen. Außerdem aber soll die Marvel-Truppe im Handlungsszenario von Season 4 eine gewaltige Bedrohung bewältigen: Galactus.

Auf dem Season-Poster thront Galactus, der Weltenverschlinger, mit seinem markanten Helm in knalligem Pink-Lila zentral über den Helden und droht – logisch – auch die Fortnite-Welt zu verschlingen. Oder so ähnlich. Und nun zur gesponnenen Theorie: Könnte es sein, dass Marvel Studios/Disney über „Fortnite“ versuchen, den doch etwas eigenwilligen Galactus in der Popkultur neu zu etablieren? Oder anders formuliert: Bereitet „Fortnite“ einen eventuellen Galactus-Auftritt im MCU vor?

Warum ist das kein totaler Schwachsinn?

© Marvel / Epic Games

Nun, aus mehreren Gründen. Durch „Fortnite“ erreicht man ein paar Hundert Millionen Leute, überwiegend aus der begehrten Zielgruppe 15 bis 20 Jahre (na ja, hier vielleicht eher 12 bis 18 Jahre). Allein durch die berühmten Tänze, die man als Spieler ausführen kann, lässt sich der immense popkulturelle Einfluss des Spiels abschätzen. Egal ob Flossing, Jubilation oder Gangnam Style, die allermeisten Fortnite-Tänze besitzen reale Vorbilder und Inspirationen, doch für Fortnite-Kids sind es eben Fortnite-Tänze. Ein gewieftes Unternehmen wie Disney weiß solche Mechanismen zweifellos für sich zu nutzen, denn das Filmgeschäft der großen Studios läuft schon seit längerer Zeit nach der Maxime, die „Hey, das kenne ich“ Reaktionen des Publikums in kassiertes Geld umzuwandeln.

Das Spiel ist durchzogen mit allerhand Referenzen, Easter Eggs und offiziellen Lizenzen. Auch DC-Helden tauchten und tauchen immer mal wieder auf, egal ob Batman, Superman oder Woman Woman. Zuletzt gab es – logisch – Aquaman, als die halbe Inselwelt unter Wasser stand. Doch die Verbindung zwischen „Fortnite“ bzw. Entwickler Epic Games und Disney ist besonders stark ausgeprägt. Seit 2017 ist Epic Teil des Disney Accelerator Programms, einer Business & Media Kooperation. Auch wurde „Fortnite“ bereits in der Vergangenheit konkret als Disney/Marvel Werbeplattform genutzt. Zu „Infinity War“ und „Endgame“ gab es Extras und Easter Eggs, z.B. den Infinity Gauntlet oder Chitauri-Skins, doch die „Nexus War“ Storyline geht noch einen Schritt weiter, wird konkreter. Die Helden sind nicht mehr nur Kostüme für den Spieler, sondern Teil der (wie auch immer komplexen) Handlung. Deutlicher wurde die Verbindung bei Star Wars, kündigte man die Rückkehr des Imperators in Episode IX doch im Spiel an bzw. ließ sie dort „erklären“. (siehe: Polygon) Und viel entscheidender noch: In „Endgame“ spielen Thor und seine Buddys Korg und Miek „Fortnite“ in ihrer Bude in New Asgard, als Smart-Hulk und Rocket vorbeikommen. „Fortnite“ ist also bereits aktiver Teil der „Avengers“ Handlung.

Warum Galactus?

© Marvel Studios

Marvel-Mastermind Kevin Feige gab in typisch unkonkreter, aber doch greifbarer Art an, dass ein neuer Masterplan für das MCU in Arbeit („well under way“) sei. In einer Post-Thanos (äh, Spoiler für „Endgame“, logischerweise…) Welt und einem MCU ohne Iron Man und Captain America (und zumindest in der Gegenwartshandlung wohl auch ohne Black Widow?) soll es früher oder später auch wieder zu kleineren und größeren Team-Ups kommen, um eine Bedrohung zu bewältigen, für die ein Held alleine nicht ausreicht. Hier kommt Galactus ins Spiel.

Einige MCU- und Comic-Experten (z.b. MCU Cosmic) sind sich angesichts der Vorgänge in „Endgame“, des Multiverse-Anteils im kommenden zweiten Dr. Strange („and the Multiverse of Madness“), durch Details der Loki-Serie und durch die Bestätigung, dass Marvels Zeitreisepolizei, die Time Variance Authority (Wiki), ins Spiel kommen wird, relativ sicher, dass der zeitreisende Eroberer Kang eine Rolle als zentraler Widersacher einnehmen könnte. Und das mag fraglos so sein. Es erscheint logisch und angesichts der zurückliegenden (relativ gesprochen) Zeitreise-Verrenkungen auch nötig. Über das Multiversum könnte – und wird? – man auch die X-Men und/oder die Fantastic 4 mit den Avengers in Kontakt treten lassen, die bisher in ihrem eigenen Universum lebten – so die Theorie. Immerhin kombiniert Marvels Fortnite-Truppe Figuren aus allen drei Gruppen. Noch dazu wäre es schwierig und unelegant, vermutlich sogar schädlich, nun plötzlich so zu tun, als hätte es Mutanten schon seit Jahrzehnten und seit Jahrhunderten in derselben Realität gegeben, die wir in den letzten 10+ Jahren im MCU verfolgt haben.

Doch Kang und Galactus schließen sich nicht unbedingt gegenseitig aus. Der große Weltenfresser mit dem markanten Hut ist ein Sonderfall und ein Kuriosum unter den Comic-Schurken. Nicht zuletzt durch sein Outfit, welches – zusätzlich zum Stand der VFX-Kunst von 2007 – beim bisher einzigen Auftritt in der Filmgeschichte eine entscheidende Rolle gespielt haben dürfte, dass die Fantastic Four in „Rise of the Silver Surfer“ (2007) nur gegen eine lila Wolke antreten durften. Oder mussten.
Seine Comicgeschichte begann Galactus als Galan, der Entdecker, der in einem Prä-Urknall Universum lebte, ehe er im „Big Crunch“ verschluckt wurde (oder so) und durch den Urknall als Galactus zurückkehrte. Quasi Watchmen’s Dr. Manhattan, nur auf kosmischer Ebene. Auch das MCU der nächsten Jahre wird sich vermehrt in kosmischen Sphären abspielen, mit Captain Marvel und den Asgardians of the Galaxy als bereits etablierte Vorreiter und mit den Eternals in Sichtweite, die das Tor für kosmische Wesen und Mächte jenseits der menschlichen Vorstellungskraft weiter aufstoßen werden.

Ist das wirklich nötig?

© 20th Century Studios

Nötig ist es vielleicht nicht unbedingt, waren Kevin Feige und seine Kollegen doch bisher ausgesprochen gut darin, auch die kuriosesten und unbekanntesten Figuren und Konzepte der MCU-Welt für ein großes Massenpublikum zu etablieren. Doch ein Push, wie ihn „Fortnite“ in Sachen popkultureller Prägung verspricht, ist nicht von der Hand zu weisen. Galactus tritt ja nicht alleine in „Fortnite“ auf und es sind auch nicht bloß die aktuellen Avengers (und selbst die, wie Thor, haben teilweise einen anderen Look bekommen), sondern ein bunter Mix aus drei Gruppierungen. Die X-Men und die F4 werden früher oder später ins MCU kommen – in welcher Form auch immer. Eine She-Hulk Serie ist sogar bereits aktiv in Planung, also kommt es durchaus gelegen, ein paar Hundert Millionen Jugendliche mit Jennifer Walters als Hulk-ernative zu Bruce Banner vertraut zu machen, ist der Skin der Anwältin doch einer der ersten, den man durch den aktuellen Battle Pass erhält. Außerdem gibt es zusätzliche Achievements zur Figur, die eine etwas genauere Auseinandersetzung als bloß Namen und Aussehen erfordern. So drosselt man das oftmals leider unvermeidliche Gezeter, wenn eine bekannte Figur angeblich *grundlos* in eine Frau verwandelt wird. Fortnite-Spieler sind mit Miss Walters nun schon vertraut, dürften ihr offener gegenüber stehen.

„Fortnite“ hätte in der Rolle als große Bedrohung auch Thanos zurückholen können, oder Apocalypse oder eben Dr. Doom, was ehrlich gesagt besser zum bisherigen „narrativen“ (*ähem…) Stil von Kapitel 2 gepasst hätte. Doch es ist Galactus geworden. Dieser ist nicht nur ein gewöhnungsbedürftiger Charakter, er ist auch ein absurd mächtiger Charakter. Er ist gewissermaßen das Fleisch gewordene Bewusstsein des vorigen Universums – was auch immer das konkret heißen mag. Galactus‘ markantes Outfit ist nach Comic-Logik nur die für Menschen nachvollziehbar gemachte Erscheinung des Weltenfressers, dessen eigentliche Form für die allermeisten Wesen nicht fassbar ist. Thanos war schon ohne Handschuh ausgesprochen stark und im Vollbesitz der Infinity Steine schier übermächtig. Doch letztendlich war Thanos sterblich und durch seine klare Motivation und Zielführung greifbar. Galactus, der die Größe ganzer Planeten einnehmen kann, ist nicht nur physisch stark (Understatement des Jahres), sondern besitzt im Prinzip auch sämtliche Super-Fähigkeiten, die die Comicgeschichte bisher hervorgebracht hat. Galactus bedient sich am planetaren Büffet des Universums nicht aus purer Boshaftigkeit oder Zerstörungswut. Es ist ein Ordnungs- und Selbsterhaltungsprinzip. Er ist eine derart hohe kosmische Entität, dass er Planeten nur als Energiequelle wahrnimmt, die Planetenbewohner nur als Dressing und Individuen der Bewohner quasi gar nicht. Wir denken ja auch nicht über einzelne Moleküle im Bircher-Müsli nach, oder?

Aber was, wenn sich ein Galactus bereits durch ein gesamtes Universum gefressen hat und nach neuem planetaren Futter sucht? Oder wenn die Helden eines Universums einem ausweglosen Kampf entgegenblicken und dann per Multiverse-Notruf „neue“ Helden alarmieren, wodurch Avengers und X-Men zusammenfinden? Dr. Strange und die „Eternals“ werden neue Impulse für die kosmischen Verstrickungen des MCUs sein, in naher Zukunft noch verstärkt durch Captain Marvel, die Guardians und Thor, bei denen es nur zu leicht vorstellbar ist, dass sie zum Beispiel einem Silver Surfer begegnen, der mit seinem Surfbrett übrigens auch in „Fortnite“ herumdüst. Es wird noch eine Weile dauern, vermutlich, bis Galactus die Bühne betritt. Und es wird noch eine Weile dauern, bis Marvel Studios die X-Men und Fantastic 4 angehen. Doch wenn wir davon ausgehen, dass das bestehende MCU mit einem X-Men Paralleluniversum und einem F4-Paralleluniversum in irgendeiner Form in Kontakt treten wird, gäbe es schlechtere Mittel und Wege dies zu bewerkstelligen, als den kosmischen Hünen Galactus zu nutzen. Nicht ohne Grund bestreitet man in „Fortnite“ einen Kampf um den Nexus, einer Schnittstelle zwischen Dimensionen. Es liegt alles auf der Hand. Der Weltenfresser wird (ins Kino) kommen. Und damit das halbe Publikum nicht verwirrt das Weite sucht, während die andere Hälfte ob der hübschen Kopfbedeckung in schallendes Gelächter ausbricht, wird gerade durch das womöglich populärste Videospiel dieser Tage Vorarbeit geleistet.

… oder vielleicht auch nicht. Was denkst du?

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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