Captain Hook, Robin Hood und mehr – Der Stand der Dinge bei Disneys Remakeplänen

10. Juli 2020, Christian Westhus

Ist es ein Plan oder Wahn? Erst vorgestern hieß es, die Vorbereitungen zu Disneys Realfilmremake von „Peter Pan“ nähmen konkretere Gestalt an, mit vielleicht/wahrscheinlich Jude Law als Captain Hook. Man ist bei Disney also schon bei den mittelgroßen Klassikern der 50er angelangt. Selbst der größte Disney-Kenner dürfte so langsam den Überblick verlieren, welche hauseigenen Remakes es schon gab, welche bereits angekündigt sind und welche Filme bisher noch verschont blieben.

© Disney

Zählen wir mal durch (oder springen zur Liste weiter unten): bereits erschienen sind (tief Luft holen) „Alice im Wunderland“ (2010, und Fortsetzung), „Cinderella“ (2015), „Das Dschungelbuch“ (2016), „Maleficent: Die dunkle Fee“ (2014, und Fortsetzung – beide streng genommen Prequels/Spin-Off von „Dornröschen“), „Dumbo“ (2019), „Die Schöne und das Biest“ (2017), „Der König der Löwen“ (2019) und „Susie und Strolch“ (2019), sowie der im Corona-Treibsand steckende „Mulan“ (2020?) – oh, plus der 1996er „101 Dalmatiner“ (und Fortsetzung), der aber aus einer anderen Ära stammt – und nicht zu vergessen „Elliot, der Drache“ (2016) der tatsächlich gut ist, aber auch ganz anders konzipiert war. Eigentlich müsste man sogar „Mary Poppins‘ Rückkehr“ (2018) und vielleicht auch „Christopher Robin“ (2018) dazuzählen, zumindest müsste man sie erwähnen. Wenn wir bei „Alice“ 2010 anfangen, sind das 14 Filme (plus „Mulan“) in zehn Jahren. Läuft.

Bereits bekannt ist vermutlich, dass mit „Cruella“ (theoretisch irgendwann 2021) eine Vorgeschichte zu „101 Dalmatiner“ startet, mit Emma Stone als junge Cruella de Vil. Das ist streng genommen eher die Erweiterung einer bestehenden Geschichte, ähnlich „Maleficent“, aber dennoch ein neuer großer Disney-Film, der auf eine existierende hauseigene Geschichte zurückgreift. Nachdem die Remakes an den Kinokassen und durch Merchandise einen intergalaktischen Haufen Kohle einbrachten, sind Fortsetzungen zum „Das Dschungelbuch“ Remake und zum neuen „Aladdin“ bereits beschlossene Sache und bei „Die Schöne und das Biest“ und „Der König der Löwen“ vermutlich nur eine Frage der Zeit. In seligen VHS-Tagen hatten diese Filme schließlich auch mindestens eine Fortsetzung.

© The Walt Disney Company

Was bleibt da noch übrig? Vielleicht „Arielle“? Nun, an diesem Real-Remake sitzt Disneys Hausregisseur Rob Marshall („Chicago“, „Into the Woods“, „Mary Poppins‘ Rückkehr“) schon seit einer Weile dran, befindet sich aber (unerklärlicherweise… *räusper) noch in der Vorproduktion. Disney würde es nicht wagen, „Lilo & Stitch“ neu zu drehen, oder? Doch, natürlich. Ein Remake mit realen Darstellern und CG-animiertem Stitch ist für einen Disney+ Start geplant. Und „Pinocchio“, der gerne mal als größter Disneyfilm aus Walts Lebzeiten bezeichnet wird? Dessen Remake hat sich mit Robert Zemeckis („Zurück in die Zukunft“) einen der interessanteren Regisseure gesichert. Es ist noch gar nicht lange her (THR), da wurde vermeldet, dass sogar „Robin Hood“ sein „Realfilm“ Remake bekommen soll, allerdings direkt auf Disney+. Unter der Aufsicht von „Blindspotting“ Regisseur Carlos Lopez Estrada ist „Robin Hood“ tatsächlich im Stile von „Das Dschungelbuch“ und „König der Löwen“ als mehr oder weniger fotorealistischer Film gedacht, jedoch weiterhin als Musical und mit anthropomorphen Tieren, mit einem Fuchs ohne Hosen als Robin von Loxley. Und erst kürzlich (Disney Insider) gab es grünes Licht fürs Realfilmremake von „Hercules“. Dieser war, erinnern wir uns, 1997 aus den Händen des Animation-Dreamteams Ron Clements und John Musker ein frei adaptierter Ritt durch die griechische Mythologie, verfolgte Heros Herkules, der seinen Platz in der Welt finden und sich selbst beweisen muss, dabei in eine Intrige seines Onkels Hades gerät.

Dass ein Realfilmremake zu Disneys „Schneewittchen“ zumindest ein theoretisches „Go“ erhalten hat, versteht sich eigentlich von selbst. Fast schon überraschend, dass es bisher so lange gedauert hat. Dass Disney die eigene König Arthus-Version „Die Hexe und der Zauberer“ neu auflegt – noch dazu mit Regisseur Juan Carlos Fresnadillo („28 Weeks Later“) und nach einem Script von GOT-Schreiber Bryan Cogman – macht im Vergleich auch immerhin ein Stück weit Sinn. Ein Realremake zum „Glöckner von Notre Dame“ wurde natürlich auch schon konkret erwähnt und angesprochen. Andererseits wird sogar an einem *Realfilm* „Bambi“ gearbeitet, was dann schon wieder weitaus weniger sinnvoll erscheint, wenn man sich an „König der Löwen“ erinnert. (Aber ja, Moneten.) Es gibt vage Spin-Off Ideen zu Aladdin, Schneewittchen und Peter Pan, mit „Night on Bald Mountain“ die Überlegung, eine Episode aus „Fantasia“ zu einem Kinofilm zu erweitern, und sogar die vollkommen irre Möglichkeit einen „Chip & Chap – Ritter des Rechts“ Kinofilm zu bekommen, natürlich ebenfalls als Realfilm/CG-Animation Hybriden. Allerdings soll dieses (noch weit entfernte) Projekt von The Lonely Island Mitglied und Regisseur Akiva Shaffer kommen, was diese wahnwitzige Idee schon fast wieder interessant macht.

Nein, wirklich: was bleibt denn da noch übrig?

© Disney

Übrig bleiben quantitativ doch noch relativ viele Filme, aber nicht mehr sonderlich viel von dem, was einem auch heutzutage noch in den Sinn kommt, wenn man an „Walt Disney Animationsfilme“ denkt. „Saludos Amigos“, „Drei Caballeros“ und weitere oft eher episodische Musikfilme der 1940er, die oftmals kaum Spielfilmlänge erreichen? Wer hat sich denn schon tief in die sprichwörtlichen Katakomben von Disney+ vorgewagt, um diese Filme noch zu kennen? Wenn es sie überhaupt dort zu sehen gibt. (Sorry, „Make Mine Music“.) Ebenfalls noch kein Remake erhalten hat „Die Abenteuer von Ichabod und Taddäus Kröte“ (1949), was nicht wirklich überraschend sein sollte, besteht der Film doch aus zwei separaten Segmenten, die auf „Der Wind in den Weiden“ und „Sleepy Hollow“ zurückgehen. Um wirklich zu den relevanten bisher unangetasteten Titeln zu gelangen, müssen wir uns in die 1970er und 80er begeben, in die Zeit, als der Disneykonzern kurz vorm Ruin stand und der erst durch die berühmte Renaissance der 90er (eingeläutet durch „Arielle“ 1989) abgewendet wurde. In dieser Zeit haben wir „Aristocats“ (1970), „Bernard und Bianca“ (1977 + Fortsetzung), „Cap und Capper“ (1981), „Taran und der Zauberkessel“ (1985), „Basil, der große Mäusedetektiv“ (1986) und „Oliver & Co.“ (1988). Während „Aristocats“ und „Cap & Capper“ eigentlich prädestiniert dafür sind, in absehbarer Zukunft neu und real aufgelegt auf Disney+ zu landen, ist „Taran und der Zauberkessel“ eigentlich der spannendste Kandidat. Zu seiner Zeit ein überaus ambitioniertes Projekt, welches Disney Animation in eine latent andere Richtung hätte steuern oder um Nuancen erweitern können. Doch am Ende setzte der damalige Neu-CEO Jeffrey Katzenberg die Schere an, um am kinderfreundlichen Disney-Ideal festzuhalten. Und „The Black Cauldron“ (Originaltitel) wurde zum größten finanziellen Flop in Disneys Geschichte. Erst abgelöst durch „Der Schatzplanet“ (2002).

Eben dieser „Schatzplanet“ wird gemeinhin als Ende der Renaissance betrachtet. Aus dieser Phase sind „Atlantis“ (2001 – nur ein durchwachsener Erfolg), „Ein Königreich für ein Lama“ (2000), „Dinosaurier“ (2000) und „Pocahontas“ (1995) bisher noch unberührt, um den Weg zum Realfilmremake anzutreten. Auch „Pocahontas“ ist ein eigentlich spannender Fall, allein um zu sehen, wie Disney die damaligen Fehler und die veränderten Standards im Umgang mit der amerikanischen Geschichte, mit indigenen Kulturen und dem dazugehörigen Casting heute angehen würde. Andererseits ging „Vaiana“ bereits stark in diese Richtung. Doch wir wissen mittlerweile: Disney (und die allermeisten übrigen Studios) sind immer nur so progressiv, wie es sich marketingtechnisch lohnt.

Die etwas seltsame Phase Anfang der 2000er, mit „Bärenbrüder“ (2003), „Die Kühe sind los“ (2004) und „Bolt“ (2008), als das Ende des klassischen Zeichentricks zunehmend deutlich am Horizont zu erkennen war, führt eigentlich nur zu einem wirklich nennenswerten Titel: „Küss den Frosch“ (2009). Dieser gab uns die letzte „klassisch“ handgezeichnete Disneyprinzessin und reichte den Staffelstab sodann an die erst CG-animierte Disneyprinzessin weiter, „Rapunzel“ (2010). Dies dürfte die entscheidende Frage der nächsten Jahre sein: Disney wird so schnell nicht mit diesen Remakes aufhören, wird sie wieder und wieder machen, neu und neuer. Doch wie lange werden die Verantwortlichen davor zurückschrecken, die CG-Animationserfolge des letzten Jahrzehnts umzuwandeln? Oder anders gefragt: wann wird es den „Frozen“/„Die Eiskönigin“ Realfilm geben?

Wo soll das nur enden?

© Disney

Die Antwort auf diese Frage ist gar nicht mal so einfach, wie man vielleicht denkt. Anna und Elsa sind Teil der Disney DNA und sind die Branding-Vorzeigefiguren der aktuellen Zeit. Arielle, Jasmin und Belle waren und sind in ihren animierten Version immerzu von Bedeutung, doch für die heutigen Haushaltskassen bei Disney spielten sie in dieser alten Form nur eine untergeordnete Rolle. Das ist bei Anna und Elsa anders, wie ein simpler Gang durch den Supermarkt zeigt, wo es nicht nur Puppen, Spielzeug und Comics gibt, sondern auch Cornflakes und eingepackte Salami mit dem Antlitz der Frozen-Schwestern. Die Disney Freizeitparks leben nicht zuletzt vom vermarkt- und kaufbaren Image der aktuellen Filmerfolge. Warum sollte Disney diese tragenden Säulen des Konzerns durch neue Gesichter überschreiben? Aus denselben Gründen wird Warner Bros. in den nächsten 10+ Jahren garantiert kein Remake von „Harry Potter“ angehen, sondern die Zauberwelt kontinuierlich erweitern, wie bisher (mäßig erfolgreich) geschehen.

Nicht jedes Realfilmremake ist gleich. Manche Filme bekommen die Möglichkeit, gewisse Neuerungen und Veränderung in Handlung und Figuren auszuloten. Andere Filme werden um nicht mehr zeitgemäße oder gar problematische Elemente (Raben bei „Dumbo“? Welche Raben?) erleichtert. Und wiederum andere Filme sind deckungsgleiche Kopien ihrer Vorgänger, nur eben in vermeintlich „realistischem“ Antlitz. Über die Feinheiten dieser Adaptionen und Remakes könnte man noch stundenlang philosophieren. Doch am Ende des Tages muss man sich die Frage stellen: wer will das sehen? Wie lange noch können und wollen Zuschauer und insbesondere Eltern gefrankensteinte Nostalgie an neue Generationen weitergeben? Wie lange kann in diesen Versionen der notwendige Funken und das Stück Genialität überleben, durch die diese Filme überhaupt erst zu geliebten Momenten ganzer Generationen werden konnten? Denn eine Neuverfilmung von Disneys „Cinderella“ oder „Die Schöne und das Biest“ ist letztendlich immer noch Disneys „Cinderella“ oder „Die Schöne und das Biest“ und nicht so sehr eine neue/andere Auseinandersetzung mit dem Märchen, egal ob Grimm, Perrault oder sonstwer. Es ist Disney. Und irgendwann wird Disney womöglich merken, dass es nicht spurlos an einer Geschichte vorbeigehen kann, wieder und wieder durch die Maschinen einer Industrie gedreht zu werden. Irgendwann, so hofft man doch auch irgendwie, verfeuert Disney den Boden, auf dem man steht.

Und dennoch, je mehr ich drüber nachdenke: der „Chip & Chap“ Film ist theoretisch so kurios, der könnte schon wieder cool werden. Könnte. – Oder, was meinst du? Ist das alles Irrsinn oder nur wirtschaftlich logisch? Ist der größere Zusammenhang irrelevant und kommt es nur auf die jeweilige Qualität an? Oder gibt es vielleicht einen heiligen Gral der Disneyfilme, den man unbedingt oder auf gar keinen Fall remaken sollte? Welches war das bisher beste Remake? Und welches das Schlechteste? Sag’s uns.

Disney Remakes auf einen Blick:

Bereits erschienen:

*„Das Dschungelbuch“ (1994) – Jup. Fast vergessen. Ein erster und ernsterer Versuch, die Geschichte neu zu beleben.
*„101 Dalmatiner“ (1996) – Realfilm, mit Glenn Close als Cruella de Vil.
*„102 Dalmatiner“ (2000) – Fortsetzung des Realfilms.
*„Alice im Wunderland (2010) – Tim Burtons 3D-Milliardenerfolg. Startschuss der aktuellen Remakephase.
*„Maleficent – Die dunkle Fee“ (2014) – Dornröschen-Ableger mit Angelina Jolie.
*„Cinderella“ (2015) – Von Kenneth Branagh, mit Lily James. Solide, klassisch erzählt.
*„Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ (2016) – Fortsetzung ohne Burton, mit Depp und Wasikowska. Und Borat.
*„Das Dschungelbuch“ (2016) – Jon Favreaus überaus erfolgreiches fotorealistisches CG-Remake.
*„Elliot, der Drache“ (2016) – Verhältnismäßig bescheiden budgetiertes und frei konzipiertes Remake. Vielleicht gerade deshalb so gelungen?
*„Die Schöne und das Biest“ (2017) – Vorlagentreues Remake mit Emma Watson.
*„Mary Poppins‘ Rückkehr“ (2018) – Fortsetzung statt Remake/Reboot.
*„Christopher Robin“ (2018) – Kein wirkliches Remake, aber eine neue Variation von Winnie Puuh und Co.
*„Dumbo“ (2019) – Erneut Tim Burton. Fasst den Originalfilm im ersten Drittel zusammen und geht dann recht eigene Wege.
*„Aladdin“ (2019) – Ausgerechnet Guy Ritchie drehte das Remake zum Klassiker von ’92.
*„Der König der Löwen“ (2019) – Fast deckungsgleiches „fotorealistisches“ Remake des Über-Klassikers.
*„Susi und Strolch“ (2019) – Realremake mit echten Tieren. Für Disney+.
*„Maleficent: Mächte der Finsternis“ (2019) – Fortsetzung des Spin-Offs.

Fest geplant:

*„Mulan“ (2020) – Wartet nur darauf, veröffentlicht zu werden.
*„Cruella“ (2021) – Emma Stone als junge Cruella de Vil.
*„Arielle“ – Hat Regie und Hauptdarstellerin, pausiert wegen der Pandemie.
*„Das Dschungelbuch 2“ – Erneut von Jon Favreau. In Planung.
*„Aladdin 2“ – Erneut Guy Ritchie. In Planung.
*„Pinocchio“ – Mit Robert Zemeckis als Regisseur geplant.
*„Robin Hood“ – Hat Regie und Autorin. Für Disney+ geplant.
*„Peter Pan“ – Wird gecastet.
*„Hercules“ – In Planung.
*„Die Hexe und der Zauberer“ – (Alias: „The Sword in the Stone“) Hat Regie und Script.

Wahrscheinlich/Wurde angekündigt:

*„Bambi“
*„Schneewittchen“
*„Lilo und Stitch“
*„Der Glöckner von Notre Dame“
*„Night on Bald Mountain“ – „Fantasia“ Ableger.
*„Genies“ – Die Origin Geschichte des Dschinns.
*„Prince Charming“ – Ablegerfilm über den berühmten Prinzen bzw. den Prinzen-Archetyp.
*„Rose Red“ – Schneewittchen aus Sicht der Zwerge. Oder so.
*„Tinker Bell“ – Realfilm Spin-Off zur Fee aus „Peter Pan“. Angeblich mit Reese Witherspoon.
*„Chip & Chap: Ritter des Rechts“ – Die Rettungstruppe als Realfilm/CG-Animation Hybridfilm.

Bisher unerwähnt: (Auswahl)

*„Aristocats“
*„Cap und Capper“
*„Taran und der Zauberkessel“
*„Basil, der große Mäusedetektiv“
*„Pocahontas“
*„Ein Königreich für ein Lama“
*„Atlantis“
*„Der Schatzplanet“
*„Küss den Frosch“
*„Rapunzel“
*„Vaiana“
*„Frozen“

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

Um an dieser Diskussion teilzunehmen, registriere dich bitte im Forum:
Zur Registrierung